Ältere Dame beim Betteln am Straßenrand in München, betet für Unterstützung. Ein Passant läuft an ihr vorbei. Symbolbild Altersarmut
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Symbolbild: Ältere Dame beim Betteln am Straßenrand in München.

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Wohlfahrtsverbände: Armut und Verelendung nehmen zu

Wohlfahrtsverbände: Armut und Verelendung nehmen zu

Die Armut wächst. Mehr Menschen nehmen etwa im reichen München Angebote von Suppenküchen und Tafeln an, beobachten Caritas und Diakonie. Sie fordern daher, soziale Themen im Wahlkampf nicht zu vernachlässigen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Kirchliche Wohlfahrtsverbände haben beklagt, dass Sozialpolitik und Armutsbekämpfung in Öffentlichkeit und Politik derzeit kaum eine Rolle spielten. Die Beratungsstellen und Hilfsangebote rund um den Münchner Hauptbahnhof wie Suppenküche, Schuldnerberatung oder Obdachlosenstube seien überlastet, heißt es von der Caritas. Andrea Betz, Vorstandssprecherin der Diakonie München und Oberbayern, bestätigt: "Wir stellen einen höheren Zulauf von Menschen in existenzieller Not fest, auch die sichtbare Verelendung nimmt zu." Als Frühwarnsystem diene dafür die Bahnhofsmission am Münchner Hauptbahnhof: Statt 110.000 Kontakte im Jahr 2018 habe man dort 2024 gut 300.000 Kontakte zu Hilfsbedürftigen gehabt.

Über 450 Menschen bewirtet die Korbinian-Küche in der Münchner Innenstadt jeden Tag. Auch in der Benediktinerabtei St. Bonifaz bekommen wochentags jeweils rund 400 Menschen ein warmes Essen. Etwa 350 Bedürftige sind jeden Samstag in der Mensa der Laienbewegung von Sant' Egidio zu Gast. All diese Angebote werden weitgehend durch Spenden finanziert. Beim "Sozialen Mittagstisch" der Stadt, den unter anderem die Altenservicezentren anbieten, essen wochentags fast 350 Seniorinnen und – weit weniger – Senioren kostenlos.

Tafel gibt Lebensmittel an 23.000 Menschen pro Woche aus

Die Heilsarmee, das Frauenobdach Karla 51, die Matthäusdienste und eine Vielzahl evangelischer und katholischer Gemeinden verstärken das Versorgungsnetz mit punktuellen Angeboten. Und obendrein gibt die Münchner Tafel jede Woche Lebensmittel für rund 23.000 Menschen aus.

Über das große Angebot für die Armen im reichen München ist Diakonie-Vorstandssprecherin Andrea Betz froh. "Aber für eine echte Armutsprävention braucht es Entscheidungen auf Bundesebene, zum Beispiel bei der Rente oder für Alleinerziehende." Auch Caritas-Direktor Hermann Sollfrank wünscht sich "einen präventiven statt einen reaktiven Sozialstaat". Dafür benötige es eine bessere soziale Infrastruktur: Eine besser ausgestattete Erziehungs-, Schuldner- oder Wohnungslosenberatung könne helfen, damit Menschen gar nicht erst in existenzielle Not rutschen.

Caritas: Soziale Themen spielen im Wahlkampf kaum eine Rolle

Caritasdirekor Hermann Sollfrank betont: "Wenn wir derzeit über Sozialpolitik reden, reden wir nur über Refinanzierung. Aber wir stellen uns nicht mehr die Frage, warum wir uns in der Wohlfahrt engagieren. Ich sage immer wieder, Wirtschaftspolitik geht einher mit einer guten, gesunden Sozialpolitik." Nur ein sozialer Staat werde wirtschaftlich erfolgreich sein, so Sollfrank.

Auch Caritas-Vorständin Gabriele Stark-Angermeier sagt, die Menschen am Rande der Gesellschaft und ihre Probleme kämen in der öffentlichen Diskussion nicht vor. "Wenn ich mir alle Wahlprogramme anschaue, dann werden die sozialen Themen sehr zurückgedrängt", kritisiert sie. Daher müssten die Wohlfahrtsverbände die Stimme erheben für die Menschen, die letztendlich keine Stimme in der Gesellschaft hätten.

"Da kann ja jeder kommen" - Thesen für den Bundestagswahlkampf

Unter dem Motto "Da kann ja jeder kommen" hat der Bundesverband der Caritas zehn Thesen für den Bundestagswahlkampf veröffentlicht, in denen er eine Sozialpolitik für alle fordert. Darin spricht er sich dafür aus, die Türen für die Zukunft offenzuhalten. Der Verband weist darauf hin: Jeder und jede könne irgendwann im Leben von Armut betroffen oder auf Hilfe angewiesen sein – ob wegen Schulden oder auch wegen Pflegebedürftigkeit im Alter.

Mit Informationen von epd

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