Verkehrserziehung für Jugendliche – das sind oft belehrende Vorträge mit viel Theorie. Viel besser wirkt ein Truck mit einem Original-Unfall-Wrack und die berührende Geschichte dazu. Die Bayerische Polizei nutzt dafür den schweren Unfall, der am Kalteck in Niederbayern passiert ist.
Der "Kalteck-Raser-Unfall" von 2018
Am 14. Juli 2018, einem schönen Sommerabend, passiert auf der kurvigen Bergstrecke am Kalteck in Niederbayern ein schrecklicher Unfall, der später bayernweit Schlagzeilen macht. Ein Auto und ein Motorrad fahren dort ein illegales Privatrennen, mehrfach rauf und runter. Wer ist schneller? Schließlich verliert der Autofahrer, der mit unvorstellbaren 200 Stundenkilometern die Bergstraße hinunter rast, die Kontrolle, prallt frontal in das Auto eines unbeteiligten und völlig ahnungslosen Familienvaters, 38 Jahre alt. Der stirbt durch den Aufprall. Sein kleiner Sohn, der zehnjährige Johannes, wird schwerstverletzt, kämpft sich durch Krankenhaus, wochenlanges Koma, unzählige Operationen und eine mühsame Reha zurück ins Leben. Aber er werde für immer gezeichnet und behindert, so Polizeihauptkommissar Ewald Weininger.
"Der Bub wird nie ein eigenständiges Leben führen können durch diesen Blödsinn." (Polizeihauptkommissar Ewald Weininger)
Der Unfallverursacher bricht sich nur das Bein, seine Beifahrerin bleibt sogar unverletzt. Der Motorradfahrer flüchtet zunächst unbemerkt, kehrt später mit einem Auto zurück und gibt sich dreist als Ersthelfer aus. Aber er wird wiedererkannt. Später vor Gericht werden beide zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Bayerische Polizei nutzt Original-Wrack für Verkehrserziehung
Das Original-Wrack des Unfallverursachers, einen PS-starken, beim Unfall völlig demolierten Audi, packt die Polizei auf einen Anhänger, ebenso das Motorrad des zweiten Rasers. Beides wurde damals beschlagnahmt. Seit 2021 ist dieser Truck an Schulen für die Verkehrserziehung im Einsatz, so wie diese Woche an der Hotelberufsschule Viechtach. Die Polizeidienststellen vor Ort können ihn anfordern und er ist bayernweit auch stark nachgefragt. Zielgruppe sind Jugendliche, die erst kurz den Führerschein haben oder ihn bald machen werden. In Viechtach erzählt Polizeihauptkommissar Ewald Weininger den Jugendlichen ausführlich über den Unfall, mit dem er damals als Polizist auch persönlich befasst war, und der ihn bis heute berührt. In 40 Jahren Dienstzeit habe er viele schwere Unfälle gesehen, aber dieser werde ihm immer in Erinnerung bleiben, so Weininger. Die Polizei habe auch über Jahre die Frau des toten Familienvaters und ihren schwerverletzten kleinen Sohn betreut.
Ein Film macht Eindruck
Sehr stark wirkt auch ein Film, in dem die Witwe des Getöteten den Unfall, ihre bleibenden Folgen für die Familie und auch den belastenden Gerichtsprozess schildert, in dem sie mit den Verursachern der Tragödie konfrontiert ist. Sie hatte sich zu diesem Film bereit erklärt, um die Bayerische Polizei bei ihrer Präventionsarbeit zu unterstützen. Auch ihre kleine Tochter ist im Film zu sehen. Sie wünscht sich damals nach dem Unfall "Flügel, damit sie den toten Papa aus dem Himmel wieder zurück holen kann auf die Erde."
Nachhaltige Wirkung auf Jugendliche
Während sonst bei Präventionsveranstaltungen auch mal heimlich rumgeblödelt wird und nicht jeder aufpasst, wirkt diese Art der Verkehrserziehung offenbar. Alle sind aufmerksam. Manchmal ist es mucksmäuschenstill im Raum, vor allem beim Film. Draußen vor dem Truck, wo sich die Jugendlichen das Unfallwrack genau anschauen können, kommen viele ins Grübeln. "Es ist schon heftig, wenn man das Auto so direkt sieht," sagt ein Jugendlicher. Ein Mädchen hat einen Bruder, der im Alter des kleinen Johannes ist, und fände es furchtbar, wenn ihm so etwas passieren würde. Auch andere, die schon mit dem eigenen Auto unterwegs sind und erleben, wie es auf der Straße zugeht, können sich in die Opferrolle hineinversetzen. "Es macht auf jeden Fall etwas mit einem," sagt ein junger Mann, "wenn man sieht, was man alles anstellen kann durch so einen Blödsinn." Mehr Rücksicht nehmen auf andere Verkehrsteilnehmer – dieses Fazit ziehen am Ende einige für sich selber, ohne dass es ihnen jemand als Lehrsatz vorschreibt.
Hohe Geschwindigkeit häufige Unfallursache
Hohe oder nicht an die Situation angepasste Geschwindigkeit ist tatsächlich die Hauptunfallursache bei jungen Fahrern, sagt Ewald Weininger. Teilweise liege das an der mangelnden Erfahrung. Man unterschätzt also die Geschwindigkeit. Es gibt aber auch die Freude am schnellen Fahren, deren Folgen man dann nicht bedenkt. Alkohol am Steuer spiele dagegen glücklicherweise kaum mehr eine Rolle, seit es die Null-Promille-Grenze für Fahranfänger gibt. Sie gilt bis 21 Jahre beziehungsweise in den zwei Jahren Probezeit nach der Führerscheinprüfung. Oft werde vor der Disko ausgemacht, wer zurückfährt, und der trinkt dann keinen Alkohol, stellt die Polizei fest. In der Verkehrserziehung erklärt die Polizei auch, wie man einen Notruf richtig absetzt, wenn man einen Unfall hat oder zu einem Unfall dazukommt. Strikt verboten sind Fotos vom Unfall, die man dann schlimmsten Fall auch noch in den sozialen Medien verbreitet. Beim Kalteck-Unfall hatte die Frau des Getöteten auf diese Weise von dem Unfall erfahren, noch bevor Polizei und Kriseninterventionskräfte bei ihr waren. Ein weiterer Schock für die junge Mutter.
💡 Wie setzt man einen Notruf richtig ab?
Damit die Mitarbeiter der Integrierten Leitstelle schnell geeignete Einsatzkräfte alarmieren können, muss der Anrufer wichtige Informationen durchgeben. Dafür gibt es die fünf "W":
1. Wo ist das Ereignis?
Geben Sie den Ort des Ereignisses so genau wie möglich an (zum Beispiel Gemeindename oder Stadtteil, Straßenname, Hausnummer, Stockwerk, Besonderheiten wie Hinterhöfe, Straßentyp, Fahrtrichtung, Kilometerangaben an Straßen, Bahnlinien oder Flüssen)!
2. Wer ruft an?
Nennen Sie Ihren Namen, Ihren Standort und Ihre Telefonnummer für Rückfragen!
3. Was ist geschehen?
Beschreiben Sie knapp das Ereignis und das, was Sie konkret sehen (was ist geschehen? was ist zu sehen?), beispielsweise Verkehrsunfall, Absturz, Brand, Explosion, Einsturz, eingeklemmte Person!
4. Wie viele Betroffene?
Schätzen Sie die Zahl der betroffenen Personen, ihre Lage und die Verletzungen! Geben Sie bei Kindern auch das - gegebenenfalls geschätzte - Alter an!
5. Warten auf Rückfragen!
Legen Sie nicht gleich auf, die Mitarbeiter der Integrierten Leitstelle benötigen von Ihnen vielleicht noch weitere Informationen!
Wenn andere Personen Hilfe brauchen, leisten Sie Erste Hilfe, soweit Sie sich nicht selbst in Gefahr bringen! Helfen Sie den Einsatzkräften beim Auffinden des Ereignisortes! Beides kann Leben retten.
Sind bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand Wiederbelegungsmaßnahmen erforderlich, unterstützt der Leitstellen-Disponent bei Bedarf Laien, die Erste Hilfe leisten, durch eine telefonische Anleitung zur Wiederbelebung.
Quelle: Bayerisches Innenministerium
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