Handwerker montiert Solarmodul auf Hausdach
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Photovoltaik in Bayern boomt. Der Bau von Stromnetzen und -speichern kommt kaum hinterher.

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Zu viel Strom? Wo der Photovoltaik-Boom hinführt

Bayern erlebt sonnige Tage – und auch die Herstellung von Strom aus Sonne boomt. Und zwar so stark, dass es teils Probleme bereitet, all den Photovoltaik-Strom sinnvoll zu verwenden. Da wird sich etwas ändern müssen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Nirgendwo in Deutschland gibt es mehr Photovoltaik-Anlagen als in Bayern. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der anschließenden Energiekrise boomt der Bau von Solaranlagen – gerade auch auf privaten Hausdächern. Die Grafik zeigt, wie sehr die Anzahl dieser kleinen Anlagen in Bayern explodiert ist.

Grafik: Entwicklung der Anzahl an PV-Anlagen in Bayern

Der Erfolg ist sichtbar, immer größere Anteile des in Deutschland verbrauchten Stroms stammen aus erneuerbaren Quellen. Es gibt aber auch einen eher unangenehmen Nebeneffekt: An sonnigen Sommertagen wird immer häufiger mehr Sonnenstrom produziert, als Bayern und Deutschland überhaupt verbrauchen.

Das Ergebnis sind negative Strompreise – die heuer schon seit April an sonnigen Wochenenden, Feiertagen oder Brückentagen regelmäßig vorkommen. Jeweils für ein paar Stunden um die Mittagszeit. Diese gelten für Energiemengen, die kurzfristig zwischen Stromhändlern an der Börse gehandelt werden und sind das Ergebnis von Angebot und Nachfrage zur jeweiligen Stunde. Für den Strompreis, der bei Verbrauchern ankommt, sind dagegen vor allem längerfristig ausgehandelte Kontrakte maßgeblich.

Grafik: Börsenstrompreis in Deutschland im Jahr 2024

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Inzwischen treten im Intraday-Stromhandel an der Börse häufig negative Strompreise auf. Meist an sonnigen Wochenenden.

Wenn Strom entsorgt werden muss, ist das suboptimal

Unter dem Strich bleibt: Es wird regelmäßig Geld bezahlt, um überschüssigen Strom sozusagen zu entsorgen. "Das ist suboptimal und erzeugt auf lange Sicht volkswirtschaftliche Kosten", sagt der Energieexperte Christoph Maurer. Er lehrt an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen zu elektrischen Energiesystemen und hat mit seiner Beratungsfirma Consentec unter anderem als Sachverständiger für Parlamente und die Bundesnetzagentur gearbeitet.

Photovoltaik-Ausbau nicht übertrieben

Dass derzeit so schnell so viele Photovoltaikanlagen ins Netz kommen, sei sinnvoll, stellt Christoph Maurer klar, die Geschwindigkeit passe zum geplanten Ausbaupfad: "Es ist gut, dass wir die Photovoltaik stark ausbauen. Wir müssen nur darauf achten, dass sich die Photovoltaik auch systemdienlich verhält." Schon um das Stromnetz langfristig stabil zu halten, müssen auch kleine Photovoltaikanlagen künftig intelligent gesteuert werden, ist Maurer überzeugt.

Bisher ignorieren Besitzer kleiner Anlagen den Strommarkt

Noch ist das nicht der Fall. Im Gegenteil: Bisher haben Hausbesitzer mit Solarzellen kaum Anreize dafür, sich so zu verhalten, wie es zur Situation im Stromnetz passt. Sie bekommen bei Neuanlagen rund acht Cent für jede eingespeiste Kilowattstunde – egal, was die am Markt zu diesem Zeitpunkt wert ist. Und so lädt am Morgen, wenn der Strom im Netz eigentlich gebraucht würde, praktisch jede Haushalts-PV-Anlage stattdessen damit ihre Batterie. Am Mittag dagegen, wenn mehr als genug Strom im Netz ist, speisen all die Einfamilienhaus-Anlagen trotzdem zusätzlich ein – weil ihre Batterie dann schon voll ist.

Große Solarparks verhalten sich so nicht mehr, weil sie ihren Strom selbst vermarkten müssen. Für kleine Dachanlagen wäre das künftig auch vonnöten, so Energieexperte Maurer – weil es mittlerweile so viele sind. Es müsse Anreize geben, den Strom zu den Zeiten produzieren, wenn er am meisten wert ist – und auf keinen Fall dann, wenn er sogar Kosten verursacht.

Das Ende der Einspeisevergütung naht

So könnte es tatsächlich kommen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat Anfang August ein Papier zum Strommarktdesign der Zukunft (externer Link) veröffentlicht. Das ist noch kein Beschluss, es werden noch Diskussionen folgen. Aber es macht die künftige Richtung klar: Weg von der Einspeisevergütung pro Kilowattstunde erneuerbarem Strom hin zu einer Basis-Investitionsförderung. Gekoppelt mit dem Zwang, den Strom dann selbst am Markt zu verkaufen – oder von einem Dienstleister verkaufen zu lassen.

Mehr Stromspeicher – weil sie sich lohnen

Das wird dazu führen, dass mehr Photovoltaikanlagen in Ost-West-Richtung gebaut werden – um wertvolleren Strom in den Morgen- und Abendstunden zu produzieren. Und dass sich Speicher noch mehr lohnen als bisher.

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hat in einer aktuellen Studie (externer Link) ausgerechnet, um wie viel Solarstrom teurer wird, wenn man die Kosten eines Stromspeichers einrechnet. Ein Solarpark inklusive großer Batterien produziert demnach Strom für höchstens zehn Cent pro Kilowattstunde. In den Abendstunden, wenn Kohle- und Gaskraftwerke laufen, liegen die Börsenpreise für Strom bei 20 bis 30 Cent, betont Studienautor Christoph Kost: "Es ist also total sinnvoll, über Speicher den Strom in diese Abendstunden zu verschieben."

Auch die durch die Photovoltaik niedrigen oder sogar negativen Börsenstrompreise in Mittagsstunden tragen dazu bei, dass mehr Batteriespeicher gebaut werden – weil sich ihr Betrieb dadurch wirtschaftlich lohnt. Schon jetzt ist die Leistung der installierten Batteriespeicher in Deutschland größer als die sämtlicher alten Pumpspeicher – und sie wächst schnell weiter.

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