Ein Reinigungsfahrzeug fährt am Freitagmorgen durch die Kuppel des Reichstagsgebäudes.
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Fragen, die in der BR24-Community nach dem Ampel-Aus aufkamen

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Community-FAQ: Warum nicht sofort Neuwahlen?

Community-FAQ: Warum nicht sofort Neuwahlen?

Wieso will Kanzler Scholz die Vertrauensfrage nicht sofort stellen? Was ist mit einem konstruktiven Misstrauensvotum? Und lässt sich so schnell eine Wahl organisieren? Diese und weitere Fragen stellen BR24-User. Was sich bislang dazu sagen lässt.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Seit dem Ampel-Aus sind in der BR24-Community viele Fragen aufgekommen. Das Team von "Dein Argument" hat einige ausgewählt und gibt Antworten.

Vertrauensfrage und Auflösung des Bundestages

💬 Die wohl am häufigsten gestellte Frage, hier beispielhaft von "Sodenknetnuri": Warum gibt's die Vertrauensfrage erst im Januar??? (...)

SPD-Kanzler Olaf Scholz erklärte in seiner Rede Mittwochabend, sein Plan sei es, in den verbleibenden Sitzungswochen bis Weihnachten "alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung zu stellen, die keinerlei Aufschub dulden". Was wirklich beschlossen wird, ist ungewiss. Daran gab es Kritik.

Am Freitag sagte Scholz nun: "Über den Termin (für Neuwahlen) sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren." Eine Einigung der Fraktionen im Bundestag zu vor der Wahl noch nötigen Gesetzesvorhaben könne auch die Frage beantworten, "welcher Zeitpunkt dann der richtige ist, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen". Es kommt also Bewegung rein, nun heißt es abwarten.

Laut Scholz' Plänen vom Mittwoch sollte der Bundestag am 15. Januar über die Vertrauensfrage abstimmen. Wenn der Kanzler dann keine Mehrheit bekommt, wird er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bitten, den Bundestag aufzulösen. Dafür hat dieser maximal 21 Tage Zeit. Kommt es dazu, dann muss laut Grundgesetz innerhalb von 60 Tagen ein neuer Bundestag gewählt werden. Neuwahlen kann es also erst nach gewissen Fristen geben.

💬 Denn es braucht Vorbereitungszeit. Während manche User sich zwar Neuwahlen noch vor Weihnachten wünschen, fragt "FürMenschlichkeit": Nächste Woche die Vertrauensfrage stellen, würde Wahl spätestens Anfang Februar bedeuten, Briefwahl ab Anfang Januar. Aufstellungen von Kandidierenden braucht Zeit, inkl. sammeln von Unterschriften für kleine Parteien. Dazwischen Weihnachten. Wie soll das funktionieren?

Genauso formulierte es der Wahlforscher Thorsten Faas auf X. Später kommentierte er: "Adventszeit und Weihnachten haben offenkundig für die C-Parteien an Bedeutung verloren. ;)" Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sprach sich laut Angaben von "Stern" und RTL am Freitag für eine Wahl am 19. Januar aus, noch vor dem Amtsantritt des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Die Union versuchte, aufs Tempo zu drücken. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese verteidigte Scholz' bisherigen Plan: Niemand wolle, dass an Weihnachten oder Neujahr Wahlkämpfende an der Tür klingelten. Außerdem müssten Wahlen "ordentlich vorbereitet" werden.

Wahlen brauchen Vorbereitung

💬 Dazu passt User "Lindners" Wunsch: "Kann der BR mal recherchieren, wie viel Vorlaufzeit für eine vernünftige Wahlvorbereitung notwendig ist. Es muss ja auch gewährleistet sein, dass nichts einfach anfechtbar ist. Wenn jetzt Scholz nicht mehr Bundeskanzler ist und die gesamte Regierung zurücktritt, wer organisiert das dann alles? Macht das dann der Bundespräsident?

Nicht die gesamte Regierung ist zurückgetreten, sondern FDP-Minister wurden entlassen. Es bleibt eine Minderheitsregierung, die verwaltungstechnisch arbeitsfähig ist. Grundsätzlich organisiert und überwacht der Bundeswahlleiter die Wahlen auf Bundesebene. Die Bundeswahlleiterin warnte am Freitag in einem Brief an den Bundeskanzler, der BR24 vorliegt: Aufgrund des begrenzten zeitlichen Rahmens bei einer vorgezogenen Wahl gebe es eine "große organisatorische Herausforderung". Es sei wichtig, den Zeitraum der 60 Tage ab Auflösung des Bundestages voll ausschöpfen zu können, "um alle erforderlichen Maßnahmen rechtssicher und fristgemäß treffen zu können".

💬 Ein User fragte auf dem BR24-TikTok-Kanal wiederum skeptisch: "Und das Volk hat nichts zu sagen?"

Die Bürger wählen die Abgeordneten des Bundestags. Diese wiederum wählen über Mehrheiten den Kanzler oder können ihm das Misstrauen aussprechen. Deshalb ist Deutschland eine repräsentative Demokratie. Doch da Politiker gern mit Umfragen argumentieren: Ein ARD-DeutschlandTrend extra ergab, dass eine Mehrheit schnell Neuwahlen wolle.

Im Video: BR24live mit Fragen und Antworten zum Ampel-Aus

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), geht nach einem Krisentreffen des Koalitionsausschusses der Ampelkoalition.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch

Kann nicht das Parlament handeln?

💬 "Moritz" überlegt, ob nicht ein anderer Weg gangbar wäre: "Was hindert eigentlich die Union daran, statt der Vertrauensfrage durch den Bundeskanzler von der im Grundgesetz vorgesehenen Möglichkeit des konstruktiven Misstrauensvotums Gebrauch zu machen? (...)"

Ja, die Abgeordneten können dem Bundeskanzler das Misstrauen aussprechen und damit verknüpft – "konstruktiv" – direkt einen neuen Regierungschef wählen. Zwischen dem Antrag und dem Votum müssen 48 Stunden vergehen.

Für die Neuwahl braucht es eine Mehrheit im Parlament. Wenn sich Unionsfraktionschef Merz wählen lassen wollte, bräuchte er also Partner. Im ARD-Brennpunkt (externer Link) am Donnerstag erklärte Merz, dass ein konstruktives Misstrauensvotum derzeit keine Option sei, da er nicht sehe, dass "die Grünen und die FDP das gemeinsam wollten". Eine Zusammenarbeit mit AfD, Linke und BSW wird abgelehnt.

Doppelminister – noch mehr Aufgaben?

💬 BR24-User "Auge" kommentierte zur aktuellen Lage: "Ich frage mich, wie können Minister zwei Ämter ausüben, haben diese mit ihrem Ressort nicht genug zu tun oder haben sie bisher nur halbe Kraft geleistet?"

Verkehrsminister Volker Wissing, der aus der FDP austrat, übernahm nach der Entlassung von Marco Buschmann zusätzlich das Justizressort. Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) ist nun auch Bundesbildungsminister. Das bedeutet mehr Arbeit für beide. Sogenannte Doppelminister gibt es gelegentlich in Übergangszeiten. Doch die Neustrukturierung ist eben nur vorübergehend, wie Barbara Kostolnik aus dem BR-Hauptstadtstudio im BR24live erklärte.

Minister behalten ihr Amt grundsätzlich bis zur Ernennung neuer Minister. Je nach der weiteren Entwicklung wird der Zuschnitt wohl also einige Monate so bleiben. Wie viele Gesetzesvorhaben die neue Minderheitsregierung überhaupt noch durchbekommt, ist offen.

Was ist mit dem Haushalt?

💬 "AndiSeidl": "Soweit ich es mitbekommen habe, gibt es für 2025 noch immer keinen Haushalt. Was würde das ab dem 1. Januar 2025 bedeuten?"

Der Bundestag bleibt auch ohne Haushalt 2025 handlungsfähig. Ein "Shutdown" wie in den USA ist in Deutschland nicht möglich. Auch in der Vergangenheit ist es vorgekommen, dass eine Regierung ohne neuen Etat ins Jahr startete – meist, wenn im Herbst Bundestagswahl war. In dem Fall greift die vorläufige Haushaltsführung. Gehälter werden weitergezahlt, eingegangene Verpflichtungen und Verträge der Regierung erfüllt. Ansonsten hat der Finanzminister weitgehende Kontrolle über zusätzliche Ausgaben.

💬 Was die Frage von "FranzJosef" anschließt: "Der neue Finanzminister da, kann der was, muss man den kennen? (...)"

Neuer Finanzminister ist der wirtschaftspolitische Berater des Kanzlers, Jörg Kukies (SPD). Er verhandelte für Scholz zum Beispiel die Abschlussdokumente der G7- und G20-Gipfel. Früher war er lange Zeit Investmentbanker bei Goldman Sachs, bis ihn Scholz 2018 als Staatssekretär ins Finanzministerium holte. Mehr über Kukies bei tagesschau.de.

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