Statt Bargeld sollen Geflüchtete künftig eine Bezahlkarte erhalten: Der Bundestag hat am Vormittag eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die Einführung der Karte beschlossen.
Die überwiegende Zahl der Abgeordneten der Ampel-Fraktionen, vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der AfD stimmten am Freitag für das Gesetz, wie Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) bekannt gab. Dagegen stimmten demnach die Unionsfraktion, die Gruppe der Linken sowie eine Grünen-Abgeordnete.
Karte soll elektronische Bezahlung mittels Guthaben ermöglichen
Ende Februar hatte das Bundeskabinett den Gesetzentwurf für eine bundesweite Regelung gebilligt. Anschließend meldeten die Grünen Klärungsbedarf zu Details an. Sie verwiesen zudem darauf, dass die Bundesländer die Karte auch ohne Bundesregelung einführen könnten. Diese wiederum drängten auf solch eine Gesetzesgrundlage.
Mit der Bezahlkarte können Geflüchtete Waren und Dienstleistungen des täglichen Lebens wie Lebensmittel bezahlen. Die Möglichkeit, Bargeld abzuheben, wird aber eingeschränkt. Überweisungen ins Ausland sollen ebenfalls nicht mehr möglich sein.
Faeser sieht Karte als Mittel gegen Schleuser
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigte die Karte in ihrer Parlamentsrede als Maßnahme im Kampf gegen die Schleuserkriminalität. Man setze dem menschenverachtenden Geschäftsmodell von Schleppern und Schleusern zusätzliche Schranken, sagte Faeser im Bundestag. Die Karte sei "ein klares Nein, Sozialleistungen an Schleuser und Schlepper im Ausland zu überweisen".
Der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae betonte, mit der Karte müssten Asylbewerber nicht mehr Schlange stehen, um am letzten Werktag des Monats Geld zu erhalten und auch keine hohen Summen mehr mitnehmen in Gemeinschaftsunterkünfte.
Kritik von Union und Linken
Der CDU-Abgeordnete Detlef Seif erklärte, die Karte sei kein Allheilmittel, könne aber dazu beitragen, dass weniger Asylbewerber innerhalb Europas nach Deutschland weiterzögen. Sein Parteikollege Kai Whittaker verurteilte das Vorhaben als unzureichend, da die Bargeld-Auszahlung nicht wie von der Union gefordert auf 50 Euro im Monat begrenzt werde.
Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger kritisierte hingegen eine "Entrechtung von Flüchtlingen" durch die Karte, zudem gehe Rechtssicherheit verloren.
Im Video: Asylbewerber sollen künftig eine Bezahlkarte erhalten
Bayern testet Bezahlkarte in vier Regionen
Bei der Abstimmung im Bundestag ging es um eine Rechtsgrundlage für die Bezahlkarte, damit die Länder sie flächendeckend einführen können. 14 Bundesländer haben sich auf ein gemeinsames Vergabeverfahren verständigt. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen eigene Wege gehen. In Bayern wird die Bezahlkarte derzeit schon in vier Regionen getestet. Auch in anderen Bundesländern gibt es Modellprojekte.
Eine erste Zwischenbilanz fällt unterschiedlich aus: Verantwortliche Politiker sind zufrieden, es gibt aber auch Kritik. So bemängelt der Paritätische Gesamtverband: Die Karte sei ein Instrument zur Gängelung, Kontrolle und Diskriminierung Geflüchteter im Asylbewerberleistungsbezug.
Polizei befürchtet Anstieg der Kriminalität
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte davor, den Anteil des Bargelds für Geflüchtete zu gering zu halten. Geflüchtete stünden nicht selten unter dem Druck, Krankheitskosten der Familien im Herkunftsland mitzutragen oder schuldeten Schleusern Geld. Diese Drucksituation verschwinde nicht mit der Bezahlkarte und könne sich auch auf die Sicherheit der verbliebenen Familien in den Heimatländern auswirken, erklärte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. Betroffene dürften nicht in die Kriminalität gedrängt werden.
Der derzeitige Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration der Bundesregierung, Hans Vorländer, erklärte, er glaube nicht, dass die Karte Flüchtlinge davon abhält, nach Deutschland zu kommen. Untersuchungen hätten gezeigt, dass Sozialleistungen keinen entscheidenden Pull-Faktor darstellten.
Mit Informationen von AFP, KNA und dpa.
Im Video: Bezahlkarte für Asylbewerber beschlossen
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