13.01.2025, Hessen, Mainz-Kastel: Briefwahl-Dummys werden in einem Briefzentrum der Deutschen Post bei einem Testlauf von Teamleiterin Romina Viniguerra kontrolliert. Die Post hat die automatische Sortierung und Versendung von Wahlbriefumschlägen für die Bundestagswahl in Hessen längst getestet.
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Die Wahlbeteiligung der Auslandsdeutschen bei der Bundestagswahl kann nicht berechnet werden, dafür fehlen Zahlen. (Symbolbild)

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#Faktenfuchs: Wahlbeteiligung der Auslandsdeutschen ist unklar

#Faktenfuchs: Wahlbeteiligung der Auslandsdeutschen ist unklar

Einige Auslandsdeutsche klagen, dass sie bei der vorgezogenen Bundestagswahl nicht wählen konnten. Das BSW prüft deshalb juristische Schritte. Doch das Ausmaß des Problems ist unklar – denn wie viele dieser Personen gewählt haben, wird nicht erhoben.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Darum geht's:

  • 213.255 Deutsche im Ausland ließen sich ins Wählerverzeichnis eintragen. Bei einigen gab es Probleme mit den Wahlunterlagen.
  • Nun wird behauptet, dass nur wenige Auslandsdeutsche ihre Stimme abgeben konnten.
  • Allerdings: Wie viele Auslandsdeutsche am Ende ihre Stimme abgeben konnten und wie viele nicht, wird in keiner Statistik erfasst.

Kurze Frist für Briefwahl

Einige wahlberechtigte Deutsche im Ausland konnten bei der Bundestagswahl am 23. Februar nicht wählen. Denn die Frist für die Briefwahl bei dieser vorgezogenen Neuwahl betrug nur zwei bis drei Wochen. Innerhalb dieser Zeit mussten die Briefwahlunterlagen zu den deutschen Wahlberechtigten im Ausland geschickt werden – und dann wieder rechtzeitig zurück.

Die Wahlbriefe mussten am Wahltag um 18 Uhr in den Wahlbüros vorliegen. Bei Wählern in Ländern mit langen Postwegen von und nach Deutschland konnte es also vorkommen, dass diese Frist nicht einzuhalten war.

Wahlunterlagen kamen bei manchen nicht an

Es sei denn, die Wähler bekamen externe Hilfe, wie von Werner Froer, einem deutschen Konsul in Neu-Dehli. Er flog persönlich mit achtzig Wahlbriefen aus Indien nach München.

Die Stiftung "Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland" schreibt zum Beispiel auf #Faktenfuchs-Anfrage: Es hätten sich mehr als 150 Personen gemeldet, die ihre Wahlunterlagen gar nicht oder erst knapp vor der Wahl erhalten hätten. Auch auf Social Media meldeten sich Deutsche aus dem Ausland und schrieben, sie hätten die Unterlagen nicht rechtzeitig oder gar nicht erhalten.

Unbelegte Behauptungen über Anzahl der abgegebenen Stimmen

Wie viele Deutsche im Ausland ihre Stimme nicht abgeben konnten – das lässt sich nicht genau sagen. Nach der Bundestagswahl kursierten jedoch Behauptungen und konkrete Zahlen dazu.

In einem Post auf Telegram heißt es beispielsweise: "Nur ca. 4,5 aller Auslandsdeutschen haben es geschafft, ihre Briefwahlunterlagen rechtzeitig zurückzusenden. Von über 200.000 nur knapp 8.600 bisher eingegangen." Auch die BSW-Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht sagte auf einer Pressekonferenz: "Offenbar nur ein Bruchteil" der registrierten Wähler aus dem Ausland habe an der Wahl teilnehmen können.

Doch diese Behauptungen sind nicht belegt. Denn es wird nicht erhoben, wie viele Stimmzettel von Auslandsdeutschen am Ende angekommen und ausgezählt worden sind.

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Die Wahlbeteiligung der Auslandsdeutschen bei der Bundestagswahl kann nicht berechnet werden, dafür fehlen Zahlen. (Symbolbild)

Mehr als 200.000 Auslandsdeutsche im Wählerverzeichnis

Richtig ist: Bis zum 21. Februar 2025, also kurz vor der Wahl, ließen sich 213.255 Auslandsdeutsche ins Wählerverzeichnis eintragen. Das teilte die Bundeswahlleiterin (externer Link) mit, die von den Gemeindebehörden darüber unterrichtet wurde, wie viele Auslandsdeutsche sich eintragen ließen.

Deutsche im Ausland wählen in der Regel in der Kommune (externer Link), in der sie zuletzt vor ihrer Auswanderung gelebt hatten. Es sei denn, sie haben in den letzten 25 Jahren nie mindestens drei Monate in der Bundesrepublik gewohnt: Dann können sie sich bei der Gemeinde eintragen lassen, mit der sie am engsten verbunden sind. Die Kommunen sind also auch zuständig für den Versand der Wahlbenachrichtigungen und der Wahlunterlagen für die Briefwahl.

Laut einer Abfrage von SZ und NDR (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) gab es zum Beispiel bei den 80 größten deutschen Städten Unterschiede in der Geschwindigkeit. Während München am 04. Februar die Unterlagen an die Auslandsdeutschen verschickte, versandten manche Städte erst elf Tage später.

Keine Zahlen zu eingegangenen Stimmzetteln aus dem Ausland

Wie viele dieser 213.255 Personen, die im Wählerverzeichnis stehen, nun aber bei der Bundestagswahl 2025 abgestimmt haben – das wird nicht erfasst. Die Bundeswahlleiterin schreibt dem #Faktenfuchs: Die Stimmzettel der Auslandsdeutschen werden in den jeweiligen Kommunen ausgezählt.

"Es wird nicht vermerkt, ob der Wahlschein von einem im Ausland lebenden Wahlberechtigten stammt", so die Bundeswahlleiter. Demzufolge gibt es auch keine Zahlen, wie hoch die relative Wahlbeteiligung war.

Anzahl der Deutschen im Ausland wird nicht erfasst

Auslandsdeutsche unterliegen keiner Meldepflicht bei deutschen Behörden – daher wird auch nicht zentral erfasst, wie viele wahlberechtigte Auslandsdeutsche es gibt. Allerdings gibt es Schätzungen. So sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts der Deutschen Welle (externer Link): "Wir gehen insgesamt von drei bis vier Millionen aus."

Es gibt zumindest ein paar Hinweise. Für viele Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gibt es Zahlen der deutschen Staatsbürger, die jeweils 2023 dort lebten. Das teilt die OECD auf #Faktenfuchs-Anfrage mit. Die meisten Auslandsdeutschen, 318.000, lebten in der Schweiz. 225.000 lebten in Österreich, 137.000 in den Vereinigten Staaten, 135.000 im Vereinigten Königreich, 126.000 in Spanien und 114.000 in der Türkei.

Ein Drittel der Auslandsdeutschen in OECD-Ländern lebte 2023 in der Schweiz oder Österreich, schreibt Thomas Liebig, leitender Ökonom bei der OECD, dem #Faktenfuchs. Wenn man die übrigen Nachbarländer dazu nehme, seien es fast 40 Prozent.

BSW prüft Anfechtung der Wahl

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) prüft derweil, ob es die Wahl aufgrund der Auslandsdeutschen, die nicht wählen konnten, anficht. In einem #Faktenfuchs-Interview noch vor der Wahl sagte Alexander Thiele, Professor für Staatstheorie und Öffentliches Recht: "Das Verfassungsgericht wird nicht wegen ein paar Stimmen von Auslandsdeutschen sagen, dass die Wahl ungültig ist."

Auch andere Staatsrechtler (externer Link, möglicherweie Bezahl-Inhalt) halten es für sehr unwahrscheinlich, dass das BSW Recht bekommt. Unter anderem argumentieren sie, dass die Zahl der 213.000 Auslandsdeutschen zu gering sei, um an der Mandatsverteilung etwas zu ändern. Falls die Rechtmäßigkeit der Wahl tatsächlich aufgrund von Auslandsdeutschen, die nicht wählen konnten, geprüft wird, muss am Ende womöglich das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Fazit

Es wird nicht erfasst, welche Stimmzettel bei der Bundestagswahl von Auslandsdeutschen kommen. Auch die Gesamtanzahl der wahlberechtigten Deutschen mit Wohnsitz im Ausland ist nicht genau bekannt. Behauptungen dazu, wie viele Auslandsdeutsche gewählt haben, haben deshalb keine Grundlage.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Quellen

Gespräche/Anfragen

Presseanfrage bei der Bundeswahlleiterin

Presseanfrage bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

Presseanfrage bei der Stiftung "Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland"

Veröffentlichungen

Bundeswahlleiterin: "Bundestagswahl 2025: Wahlteilnahme von Auslandsdeutschen", 21.02.2025

Bundeswahlleiterin: "Bundestagswahl 2025: Antragsformular für Deutsche im Ausland", 08.11.2024

dw.com: "Die Zeit drängt: Deutsche im Ausland und die Bundestagswahl", 15.01.2025

handelsblatt.de: "Was Staatsrechtler zur Wahlanfechtung sagen", 25.02.2025

süddeutsche.de: "Behördenfehler und langsamer Postweg: Warum viele Auslandsdeutsche nicht wählen konnten", 27.02.2025

Disclaimer, 28.02.2025 16.30: In einer früheren Version des Texts stand versehentlich, die Zahlen für deutsche Staatsbürger in einzelnen OECD-Ländern seien von 2015. Die Zahlen sind jedoch von 2023. Das haben wir geändert.

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