Eine Frau als Priesterin, Bischöfin oder Kardinälin? In der katholischen Kirche bisher unvorstellbar. Dem Wunsch vieler, Weiheämter für Frauen zu öffnen, erteilte Papst Franziskus immer wieder eine Absage: "Zu den Frauenordinationen hat die Kirche Nein gesagt." Doch was heute unvorstellbar scheint, könnte sich auch schnell ändern.
Zumindest haben die Gedankenspiele seit den jüngsten Ernennungen des Papstes an Fahrt gewonnen. Innerhalb kurzer Zeit hat Papst Franziskus im Vatikan mehrere Frauen in hohe Positionen berufen. Auch in vielen Kommissionen, Behörden und Gremien sitzen immer mehr Frauen.
Ordensschwestern in hohen Kirchenämtern
Seit Anfang Januar leitet die Ordensfrau Simona Brambilla die vatikanische Ordnungsbehörde. Ab März wird die 56-jährige Raffaela Petrini "Regierungschefin" im Vatikan - auch sie eine Ordensschwester. "Die Arbeit der Frauen in der Kurie ist langsam angelaufen und hat sich gut konsolidiert", sagte Franziskus nach der Ernennung.
Die neue Regierungschefin Raffaela Petrini hat in ihrer Heimatstadt Rom an der Wirtschaftsuniversität Politik studiert und ihr Doktorat in Sozialwissenschaften gemacht, in den USA legte sie ein Masterdiplom ab. Simona Brambilla, 59 Jahre alt, die Leiterin der Ordensbehörde, die mit einem Ministerium vergleichbar ist, hat zunächst den Beruf einer Krankenpflegerin ergriffen, später studiert und danach in Mosambik gearbeitet.
Kritik an der Entscheidung des Papstes
Doch nicht alle sind von der Entscheidung des Papstes begeistert. "Es gibt große Widerstände", sagt Kirchenrechtler Thomas Schüller. "Wenn Sie sich im konservativen US-amerikanischen Katholizismus umschauen. Wenn Sie sich auch im südeuropäischen Kontext italienische und spanische Stimmen anschauen. Es ist beileibe nicht so, dass die größte Gruppe der Kardinäle dem zustimmt. Die sehen ihre Pfründe schwinden. Und die Vorstellung, plötzlich in einem Konsistorium mit rot gewandeten Frauen im Kardinals Habitus zusammenzuarbeiten – das ist, so glaube ich, für manche eine Horrorvorstellung."
2023 erstmals Frauen mit Stimmrecht bei Weltsynode
Auch ohne die Frauenweihe fördert Franziskus ihre Teilhabe, wo es schon jetzt möglich ist. Anfang 2021 veröffentlichte er ein Schreiben, Frauen dürften künftig als Messdienerinnen die Kommunion austeilen und Lesungen im Gottesdienst halten. Das ist für Frauen in Deutschland und anderen Ländern schon seit etwa 50 Jahren möglich - mit der Erlaubnis ihres Ortsbischofs.
2023 bei der Weltsynode waren erstmals 54 Frauen mit Stimmrecht bei der Versammlung der Bischöfe in Rom dabei. Eine von ihnen war Helena Jeppesen-Spuhler, langjährige Führungskraft bei einem kirchlichen Schweizer Hilfswerk. Sie sagt: "Er hat immerhin die Diskussion zugelassen. Er hätte auch sagen können, die Synodenversammlung darf gar nicht über diesen Zugang zu allen Ämtern sprechen. Es war ein inspirierender Moment."
ZdK-Präsidentin wirft Franziskus "Zick-Zack-Kurs" vor
Ganz anders sieht das Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Sie wirft dem Papst einen Zick-Zack-Kurs vor. Einerseits berufe er eine Regierungschefin. Andererseits bleibe er bei der grundsätzlichen Diskriminierung von Frauen bei den Weiheämtern, schreibt sie in einem Gastkommentar der "Welt".
Es stelle sich die Frage, ob Franziskus dadurch Feigenblätter für den andauernden Ausschluss von Frauen vom Diakonen- und Priesteramt suche. Stetter-Karp forderte vom Kirchenoberhaupt echte Geschlechtergerechtigkeit.
Für Kardinalsamt braucht es keine Weihe
Seit Sommer 2022 sitzen auch drei Frauen in der Kommission für die Ernennung von Bischöfen. Wäre es damit möglich, dass Frauen in der katholischen Kirche auch zu Kardinälinnen ernannt werden? Während es für das Priester- und Bischofsamt eine Weihe braucht, ist das nämlich beim Kardinal nicht nötig.
"Das hat sich erst im Laufe der kirchlichen Rechtsgeschichte so entwickelt, dass die engsten, in dem Fall geweihte Männer, Mitarbeiter des Papstes, auch Kardinäle sind. Aber theologisch spricht überhaupt nichts dagegen, auch Frauen zu Kardinälinnen zu machen, selbst wenn sie nicht geweiht sind", sagt Kirchenrechtler Thomas Schüller. Der Papst gehe aktuell an die Grenze des zurzeit Möglichen, ohne die Dogmen zu ändern. Auch damit hat Franziskus einiges in Bewegung gebracht.
Mit Informationen der dpa
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