Donald Trump und Kamala Harris versuchen auf den letzten Metern des Wahlkampfs noch unentschlossene Wähler zu überzeugen. Landesweit sind Zehntausende Helfer unterwegs, die Flyer verteilen und an Türen klopfen. Viel steht auf dem Spiel bei dieser Präsidentschaftswahl, die inzwischen in den USA begonnen hat.
Ein Harris-Sieg und die Folgen
Was würde es für die USA bedeuten, wenn Kamala Harris für ihren Chef Joe Biden übernehmen würde? Darauf hatte Harris selbst nicht immer eine klare Antwort. In einem Interview mit dem Fernsehsender ABC antwortete sie auf diese Frage, ob sie etwas anders gemacht hätte als Biden: "Da gibt es nichts, was mir direkt einfällt." In einem Interview mit "Fox News" nur wenige Tage später distanzierte sie sich dagegen: "Lassen Sie mich klar sein: Meine Präsidentschaft wird keine Fortsetzung von Joe Bidens Präsidentschaft sein."
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Für Harris war und ist es ein Drahtseilakt: Sie ist seit fast vier Jahren Vize-Präsidentin unter Biden und kann sich deswegen kaum glaubhaft von dessen Politik distanzieren. Auf der anderen Seite muss sie es, da Biden unbeliebt wie kaum ein Präsident vor ihm ist.
Bidens Präsidentschaft war nach wilden Trump-Jahren und der Corona-Pandemie innenpolitisch eine Phase der Konsolidierung. Harris wird diesen Kurs fortführen und versuchen, eigene Akzente zu setzen. Dazu gehört das Thema Abtreibung, auch in der Steuerpolitik plant sie Änderungen: höhere Abgaben für Unternehmen und reiche Amerikaner, Steuererleichterungen für geringe und mittlere Einkommen. Aber auch diese Forderungen sind keine gravierende Abkehr der Biden-Politik.
Das würde eine zweite Trump-Präsidentschaft bedeuten
Anders sieht das bei Trump aus. Seine Unterstützer verweisen gerne auf dessen erste Präsidentschaft: Diese habe schließlich nicht ins Chaos geführt. Noch mehr: Das Land würde heute weitaus besser und stabiler dastehen als unter Joe Biden. Dass Demokraten Trump als Gefahr für die Demokratie bezeichnen, sehen sie als haltlos. Allerdings: Eine zweite Trump-Präsidentschaft dürfte keine bloße Fortsetzung von Teil 1 werden. Und das aus vier Gründen.
Grund 1: Das Personal
Es ist belegt, dass Trump wohl 2016 selbst nicht mit einem Sieg gerechnet und deswegen auch keine Mannschaft aufgebaut hatte. Die Folge war, dass viele Minister- und Berater-Jobs an erfahrene Republikaner gingen, die das System kannten und Trump an manchen Stellen ausbremsen konnten. Das dürfte diesmal nicht passieren. Trump wird Posten in einer neuen Regierung mit getreuen Gefolgsleuten besetzen, von denen kaum Widerspruch kommen dürfte.
Grund 2: Die Rhetorik
Trump nennt Harris gerne "Genossin", bezeichnet sie als "Marxistin", "Kommunisten" oder wahlweise als "Faschistin". Politische Gegner betitelte er als "Ungeziefer". Die Rhetorik des Ex-Präsidenten ist in diesem Wahlkampf noch extremer als in den vergangenen beiden. Und immer wieder macht er Andeutungen, dass er sich an Menschen rächen will, die ihm angeblich Unrecht getan haben. Auch den Einsatz des Militärs gegen "Feinde im Inneren" hat er ins Spiel gebracht.
Grund 3: Die Politik
Es gibt den offiziellen Teil: Trump hat unter anderem die "größte Massen-Deportation" von illegalen Einwanderern in der Geschichte der USA angekündigt. Und den inoffiziellen: Die Denkfabrik "Heritage Foundation" hat ein Handbuch ("Project 2025") mit Gesetzesvorschlägen herausgegeben, die teils so extrem rechts sind, dass sich sogar Trump davon distanzierte. Allerdings griff die Trump-Administration in der ersten Amtszeit zahlreiche Ideen der "Heritage Foundation" auf und laut Recherchen von CNN waren 140 Leute am Project 2025 beteiligt, die zuvor einen Job in der Trump-Regierung hatten.
Grund 4: Der Supreme Court
Der Supreme Court, das Oberste Gericht in den USA, ist in konservativer Hand. Drei der neun Richterstellen konnte Trump in seiner ersten Amtszeit neu besetzen. Und eine Mehrheit der Richter hat dieses Jahr geurteilt, dass der Präsident für offizielle Handlungen Immunität genießt. Das werten viele als Freifahrtschein für Trump, sollte er noch mal gewählt werden. Viele Demokraten warnen deswegen, dass Trump in einer zweiten Präsidentschaft noch zügelloser agieren wird.
Droht Gefahr für die Demokratie?
Trump hat der Demokratie in seiner ersten Amtszeit schweren Schaden zugefügt. Er hat das Vertrauen in den Wahlprozess untergraben und einen friedlichen Machtwechsel verhindert. Seine Lüge von der gestohlenen Wahl mündete darin, dass Tausende seiner Anhänger das Kapitol in Washington stürmten. Ist die Demokratie in Gefahr, falls Trump gewinnt?
"Wir sind noch nicht in der Diktatur angekommen", sagt Ralph Freund, Vizepräsident der Republicans Abroad, einer Art Interessenvertretung der Partei in Deutschland. "Aber Stellschrauben wie der Supreme Court gehören definitiv dazu, die eine Präsidialherrschaft dann auch relativ schnell zu einer Autokratie werden lässt", so Freund, der Trump einst unterstützt hat, ihn nun aber kritisch sieht.
Etwas optimistischer äußert sich Michael Isikoff im BR-Gespräch mit Blick auf eine mögliche zweite Trump-Präsidentschaft. Er hat ein Buch über Trumps Versuch der Wahlfälschung geschrieben. Er glaubt "nicht an diese Untergangsszenarien, dieses 'Oh mein Gott, wir stehen kurz davor, dass unsere Demokratie stirbt'", so Isikoff. "Das tun wir nicht. Uns gibt es seit über 200 Jahren. Wir werden das durchstehen."
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