Donald Trump hat derzeit gute Chancen, im November wieder zum US-Präsidenten gewählt zu werden. Während er bei Wahlkampfveranstaltungen und Debatten um die Gunst der Wähler buhlt, haben andere sich bereits eindeutige Gedanken dazu gemacht, wie die ersten 180 Tage im Amt von ihm aussehen sollen.
Als "Project 2025" erregt der Plan derzeit Aufmerksamkeit: Auf insgesamt 922 Seiten beschreiben 34 Autoren unter der Federführung der konservativen Denkfabrik "Heritage Foundation" die USA der Zukunft unter einem republikanischen Präsidenten mit für Teile der USA aufschreckenden Ideen.
"Project 2025": Fundamente der USA bleiben nicht verschont
Das "Project 2025" plant ausgesprochen detailliert, derzeitige politische und soziale Systeme in den USA zu stürzen oder umzubauen, und beschreibt, wie diese Ziele erreicht werden sollen.
Konkret sollen zum Beispiel Tausende Mitarbeiter im öffentlichen Dienst entlassen und durch Trump-Loyalisten ersetzt werden, Abtreibungen in jeder Form sollen langfristig vollständig verboten und unter Strafe gestellt werden. Zudem soll die Gewaltenteilung aufgehoben werden, was der Macht und Willkür des Präsidenten noch mehr Spielraum einräumen würde. Staatlich verfolgter und subventionierter Klimaschutz soll beendet werden. Minderheiten sollen Rechte abgesprochen werden. Die Forschung soll eingeschränkt werden. Künftig sollen in den USA nur noch heterosexuelle Beziehungen zwischen Mann und Frau offiziell erlaubt sein.
"Es geht um die Seele der USA"
Um diese Ziele zu erreichen, scheinen den Autoren viele Mittel recht. Der Präsident der Heritage Foundation, Kevin Roberts, sagte gar, man befände sich in der zweiten Amerikanischen Revolution, die "blutlos" bleibe, wenn "die Linken", gemeint sind die derzeit regierenden Demokraten, das zuließen.
Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln, schätzt, dass Donald Trump dieses Mal eine Niederlage nicht hinnehmen werde. Dass gar Gewalt als probates Mittel thematisiert wird, wie Trump es sehe: "Nämlich, dass es am Ende um den Kampf um die USA geht, um die Seele Amerikas, wenn man das so pathetisch sagen will. Und da sind alle Mittel erlaubt."
Im Video: Donald Trump als US-Präsident: Revolution in Amerika?
Donald Trump weist auf seiner mitgegründeten Plattform "Truth Social" jegliche Verbindung zurück: Er wisse nichts über das Project 2025.
Von den 34 Autoren, die am Manifest Project 2025 schrieben, waren 25 während Trumps Präsidentschaft jedoch Teil seiner Regierung. Für Julian Müller-Kaler von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ist im BR24-Interview für das neue "Possoch klärt" klar: Trump "ist natürlich in der Hinsicht ein Meisterkommunikator, der kein Problem hat, Lügen zu erzählen, die ihn in ein positiveres Licht rücken."
Indes hat Trump im Interview mit dem TIME Magazine [externer Link, möglicher Bezahlinhalt] klargemacht, dass auch er tiefgreifende Visionen für eine potenzielle zweite Präsidentschaft hat.
Trumps Vision für die USA
So würde Trump eigenen Aussagen zufolge elf Millionen Menschen aus den USA zwangsabschieben und zu diesem Zwecke Internierungslager errichten und das US-Militär gegen sie einsetzen, obwohl der Einsatz der US-Streitkräfte gegen Zivilisten im eigenen Land derzeit verboten ist. Die meisten dieser Menschen arbeiten in den USA und zahlen Steuern. Republikanisch dominierten Staaten will er ermöglichen, die Schwangerschaften von Frauen zu überwachen und als Präsident würde Trump nach eigenem Ermessen vom US-Kongress bewilligte Gelder zurückhalten, etwa bei der Ukraine-Unterstützung.
Darüber hinaus plant er weitere massive Änderungen: offizielle Staatsanwälte will er feuern lassen, sollten sie sich weigern, Menschen entgegen Trumps Wünschen strafrechtlich zu verfolgen. Er würde, ähnlich wie es im Project 2025 auch skizziert ist, Mitarbeiter im öffentlichen Dienst der USA durch eigene Gefolgsleute ersetzen. Trump würde darüber hinaus die Nationalgarde nach eigenem Ermessen in amerikanische Städte entsenden wollen und plant jeden seiner Unterstützer zu begnadigen, der am Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen, beteiligt war.
"Trump ist die Abrissbirne in Washington"
Laut der Analyse des Politikwissenschaftlers Thomas Jäger dienen viele dieser Veränderungen vor allem dazu, das Amt des Präsidenten zu stärken und ihm deutlich mehr Handlungsmöglichkeiten einzuräumen, indem unter anderem die Gewaltenteilung ausgehoben wird.
"Was Trump machen will, ist revolutionär: Aus den Vereinigten Staaten einen anderen Staat zu machen. Das muss man sehr ernst nehmen, weil es ihm gelingt, seine Anhänger genau dafür zu begeistern und er ihnen alles verkaufen kann. Was immer er tut." Thomas Jäger, Universität Köln
"Eine totale Paralyse des gesellschaftlichen und politischen Systems" ist laut Julian Müller-Kaler unter anderem dafür verantwortlich, dass Trumps Chancen auf einen Sieg im November gutstehen: Viele Wähler hätten das "Vertrauen in den politischen Prozess verloren". Jegliche Veränderungen zum Status quo - selbst solche, die das Project 2025 und Donald Trump wünschen - führe zu wachsendem Zuspruch seitens der Anhänger.
Präsident Trump 2.0: Europa unter Druck
Sollte Trump tatsächlich zum 47. Präsidenten der USA gewählt und vereidigt werden, würden seine politischen Maßnahmen sich bis nach Europa und Deutschland auswirken. Für Thomas Jäger und Julian Müller-Kaler ist klar: Europa ist mit Blick auf Wirtschaft sowie Sicherheit besonders abhängig.
"Die größte Herausforderung für Europa wäre, wenn Trump sicherheitspolitische Garantien für Europa mit handelspolitischen Erwartungen verbindet. Das heißt, dass sich Europa und gerade Deutschland effektiv zwischen China und Amerika entscheiden muss, und wenn sie sich für China entscheiden, die sicherheitspolitischen Garantien der Amerikaner wegfallen. Das ist das absolute Horrorszenario, das in einer zweiten Trump-Präsidentschaft durchaus Realität werden könnte." Julian Müller-Kaler, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Ähnlich könnte Trump in seinen Ankündigungen hinsichtlich des Krieges in der Ukraine verfahren. Mehrfach hatte der amerikanische Präsidentschaftskandidat angekündigt, er würde den Krieg binnen kürzester Zeit lösen wollen. Sollte es ihm jedoch nicht gelingen, befürchtet Müller-Kaler, dass Trump die Verantwortung an die Europäer überträgt und ihnen amerikanische Militärhilfen und Geheiminformationen entzieht.
"Trump ist kein Kriegspräsident"
Die Unberechenbarkeit, die häufig mit Donald Trump verbunden wird, biete gleichzeitig das Potenzial andere Elemente in diplomatischen Verhandlungen festgefahrener Konflikte einbringen zu können, glaubt Müller-Kaler.
Das jedoch geschehe dann "auf Kosten kleinerer Staaten, die die ihre Interessen weniger gewahrt sehen würden als unter einer demokratischen Regierung", wie etwa übriger NATO-Mitgliedsstaaten. Denn militärische Unterstützung würde Trump nur dann in Erwägung ziehen, wenn er den Eindruck hätte, die Länder hätten selbst genug in ihre Verteidigung investiert.
Trumps Desinteresse an amerikanischer Kriegsteilnahme könnte in der Konsequenz aber auch dazu führen, dass sich ein Präsident Trump unwahrscheinlicher als ein Präsident Biden an Taiwans Verteidigung beteiligen und mit China in einen Krieg geraten würde, glaubt Müller-Kaler: "Ich glaube, dass ein Dritter Weltkrieg unter Trump unwahrscheinlicher ist als unter Biden."
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