Annalena Baerbock spricht während des Auftakts der Europawahlkampf-Tour der Grünen neben Robert Habeck.
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Grünen-Länderrat: Gradmesser für Habeck und Baerbock?

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Grünen-Länderrat: Gradmesser für Habeck und Baerbock?

Gut eine Woche vor der Europawahl treffen sich die Grünen derzeit zum Länderrat. Der kleine Parteitag in Potsdam soll den Endspurt im Wahlkampf einläuten. Und er könnte eine Vorahnung geben, wer die Partei in die nächste Bundestagswahl führt.

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Parteitage der Grünen sind oft für Überraschungen gut. Eine diskussionsfreudige Basis trifft auf die erfahrenen Politprofis auf der Bühne. Zuletzt ging es in der Flüchtlingspolitik hoch her. Vom Länderrat, der Grünen-Version des kleinen Parteitags, ist das heute eher nicht zu erwarten.

Eine Woche vor der Europawahl wollen die Grünen ein Ausrufezeichen setzen im Wahlkampf. Der dreht sich für sie zum einen um Klimaschutz. Beim Länderrat in Potsdam wird die Partei die Bedeutung des sogenannte "Green Deal" unterstreichen. Das Projekt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) soll die Wirtschaft in Europa bis 2050 klimaneutral machen. Nichts wofür CDU und CSU im Wahlkampf besonders offensiv werben – anders die Grünen.

Klimaschutz und Einsatz für Demokratie

Zum anderen versuchen die Grünen, als Verteidiger der Demokratie zu punkten. Keine andere Partei war im vergangenen Jahr so häufig Ziel von Übergriffen. Die Parteispitze gibt sich unbeeindruckt. Bestärkt sieht sie sich durch die Demonstrationen der vergangenen Monate für die Demokratie und gegen die AfD.

Im Antrag des Bundesvorstands für den Länderrat heißt es, die Grünen wollen das demokratische Fundament der EU schützen: "Wir treten an, es zu schützen und zu stärken – und darauf eine Politik des Mutes, der Zuversicht und des Zusammenhalts zu bauen. Eine Politik, die macht, was zählt."

Grünen wollen mit Macher-Image punkten

Auf den Wahlplakaten der Grünen zur Europawahl haben auffallend viele Menschen Schutzhelme auf dem Kopf oder Werkzeuge in der Hand. Die Grünen wollen sich als Macher präsentieren. Was man nicht sieht: Landwirte. Dabei wird kaum ein Politikbereich so sehr durch Europa geprägt. Für die Grünen nach den Bauernprotesten in den Wintermonaten offenbar immer noch vermintes Terrain.

Auch Robert Habeck und Annalena Baerbock werden von den Grünen plakatiert. Dabei stehen beide bei der Europawahl auf keinem Wahlzettel. Die beiden Realos verkörpern den ultra-pragmatischen Mittekurs der Partei. Beide werden beim Länderrat in Potsdam sprechen.

Wie die beiden ankommen, könnte ein Gradmesser sein, wer die Partei im nächsten Jahr in die Bundestagswahl führt. Wie aus der Partei zu hören ist, ist eine Entscheidung über die Spitzenkandidatur noch nicht gefallen. Einige in der Partei gehen davon aus, dass Baerbock und Habeck das unter sich ausmachen. Ihr Verhältnis gilt aktuell als entspannt. Doch auch die Parteispitze will ein Wörtchen mitreden.

Grüne-Kanzlerkandidatur: Habeck oder Baerbock?

Habeck hat zuletzt Boden gut gemacht. Nach dem verunglückten Heizungsgesetz punktet er bei Grünen-Anhängern jetzt durch den kontinuierlichen Ausbau der erneuerbaren Energien und sein Auftreten. In sorgfältig inszenierten Videobotschaften versucht er seine Rolle als Vizekanzler zu nutzen, um die Welt zu erklären – wohl auch in Abgrenzung zum eher wortkargen Kanzler. Sein Ton dabei: staatsmännisch.

Habeck wäre gerne schon bei der vergangenen Bundestagswahl Kanzlerkandidat der Grünen geworden, überließ das dann aber Annalena Baerbock. Die machte im Wahlkampf vor allem mit Vorwürfen Schlagzeilen, in einem Buch von anderen abgeschrieben zu haben. Ihr unglückliches Krisenmanagement von damals ist bei den Grünen noch nicht ganz vergessen.

Als Außenministerin ist Baerbock rastlos in der Welt unterwegs, immer wieder reist sie in die Ukraine und in den Nahen Osten. Das kostet sie allerdings Zeit, um die Kontakte in die Partei zu pflegen. Der linke Flügel nimmt ihr das Ja zur europäischen Asylreform und das Verteidigen von Waffenlieferungen an Saudi-Arabien übel. Fragen nach innenpolitischen Themen weicht Baerbock regelmäßig aus. Das könnten weitere Vorteile sein für Habeck.

Grüne wollen nach Europawahl vor AfD liegen

Die Grünen in Deutschland wollen nach der Europawahl in gut einer Woche vor der AfD liegen. Bei der Wahl gehe es um die Frage, ob es gelinge, die Rechtsextremen in die Schranken zu weisen, sagte Bundesgeschäftsführerin Emily Büning in Potsdam. Nach der Wahl am 9. Juni müsse es heißen "Demokraten vor Faschisten. Grün vor Blau", sagte Büning. Blau ist die Parteifarbe der AfD.

Entscheidet die Grünen-Basis?

Im September 2022 hatte der Parteivorstand entschieden, dass alle Grünen-Mitglieder in einer Urwahl entscheiden sollen, wer für die Partei ins Rennen geht. Jedenfalls dann, wenn es mehrere aussichtsreiche Kandidaturen gibt. Jetzt ist aus der Parteizentrale zu hören, dass ein öffentlich ausgetragener Machtkampf vermieden werden soll. Dazu kommt der große Aufwand für eine Urwahl. Eine Entscheidung, wie die Frau oder der Mann an der Spitze bestimmt wird, soll offenbar nach der Europawahl getroffen werden. Die Entscheidung, wer es wird, soll im Herbst folgen. So zumindest der Plan. Fraglich ist, ob die Grünen dafür den symbolischen Titel "Kanzlerkandidatur" wählen. Im neuen ARD-Deutschlandtrend kommen die Grünen auf 14 Prozent. Damit liegen sie etwa auf dem Niveau ihres Wahlergebnisses von 2021. Damals holten sie 14,8 Prozent der Stimmen. Für das Kanzleramt reicht das aktuell nicht.

Mit Informationen von Reuters

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