Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) hat Untersuchungen über eine mögliche Beteiligung von Mitarbeitern an den Terrorattacken vom 7. Oktober aufgenommen. Man habe entsprechende Informationen von israelischer Seite erhalten, erklärte UNRWA-Chef Philippe Lazzarini in Genf. Ein Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres teilte mit, dieser sei "entsetzt" und habe um rasche Nachforschungen gebeten.
Bei dem verheerenden Überfall am 07. Oktober ermordeten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Palästinensergruppen in Israel mehr als 1.200 Menschen. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 26.000 Menschen getötet. 250 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
UNRWA-Chef: Jeder wird zur Rechenschaft gezogen
UNRWA-Chef Lazzarini sagte, die Verträge mit den beschuldigten Mitarbeitern seien mit sofortiger Wirkung gekündigt worden. "Jeder UNRWA-Mitarbeiter, der in Terrorakte verwickelt war, wird zur Rechenschaft gezogen, auch durch strafrechtliche Verfolgung."
Die "schockierenden Anschuldigungen" kämen zu einer Zeit, in der mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen auf lebensrettende Hilfe von UNRWA angewiesen seien, so Lazzarini. Wer die grundlegenden Werte der Vereinten Nationen verrate, verrate auch die Menschen, für die sich die UN in Gaza und andernorts einsetzten.
Die Vereinigten Staaten seien äußerst beunruhigt, teilte das US-Außenministerium mit. Man habe deshalb die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für UNRWA vorübergehend ausgesetzt, hieß es. Die Vorwürfe würden zwischenzeitlich geprüft. US-Außenminister Antony Blinken habe am Donnerstag mit dem UN-Generalsekretär darüber gesprochen, dass die Angelegenheit gründlich und rasch untersucht werden müsse. In der Mitteilung des US-Außenministeriums war von Anschuldigungen gegen zwölf UNRWA-Mitarbeiter die Rede.
EU-Gesamthilfen belaufen sich auf 1,2 Milliarden Euro
Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell äußerte sich "äußerst besorgt". Er erwarte, dass das UN-Hilfswerk vollständige Transparenz bezüglich der Vorwürfe herstelle, erklärte er in Brüssel. UNRWA spiele seit vielen Jahren eine wichtige Rolle bei der Unterstützung bedürftiger palästinensischer Flüchtlinge und sei ein entscheidender Partner der EU.
Im vergangenen Jahr hatte das Hilfswerk nach eigenen Angaben 82 Millionen Euro von der Europäischen Union erhalten. Nach den Hamas-Anschlägen nahm die EU-Kommission ihre Förderungen unter die Lupe, um sicherzustellen, dass Unterstützungen weder direkt noch indirekt Terroraktivitäten zugute kämen. Die Gesamthilfen der EU an Palästinenser belaufen sich auf 1,2 Milliarden Euro für den Zeitraum 2021 bis 2024.
Die Bundesregierung unterstützte das UN-Hilfswerk eigenen Angaben nach im Jahr 2023 mit mehr als 200 Millionen Euro. Im November vergangenen Jahres hatte Außenministerin Annalena Baerbock wegen des Leids der Zivilbevölkerung im Gazastreifen eine Aufstockung der Hilfe unter anderem für UNRWA angekündigt.
Angesichts der aktuellen Vorwürfe zeigte sich das Auswärtige Amt "zutiefst besorgt". Man ewarte eine gründliche und vollständige Untersuchung, hieß es am Freitag auf X (vormals Twitter).
Israel macht UN und Hilfsorganisationen schwere Vorwürfe
Die israelische Regierung hatte UN-Organisationen und dem Roten Kreuz wiederholt vorgeworfen, sich auf die Seite der Palästinenser im Gazastreifen zu stellen und mit der Hamas zusammenzuarbeiten. Erst am Donnerstag hatte Israel die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf beschuldigt, alle "Beweise" für die "terroristische Nutzung" von Krankenhäusern durch die Hamas zu ignorieren. Die WHO zeige damit ein "geheimes Einverständnis" mit der Hamas.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte gesagt, das Emirat Katar – das die Hamas finanziere – sei "noch problematischer" als die Vereinten Nationen oder das Rote Kreuz.
Mit Informationen von KNA; AFP und dpa.
Audio: Israelische Geiseln - Große Sorgen um entführte Zwillingsbrüder (25.01.24)
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