FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai
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Haushaltskrise: FDP pocht auf Schuldenbremse und Sparkurs

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds herrscht in der Ampel-Koalition Uneinigkeit über den Umgang mit der Schuldenbremse. Die FDP besteht auf Haushaltsdisziplin, SPD und Grüne plädieren für Flexibilität.

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Für das laufende Jahr will die Ampel-Koalition die Schuldenbremse erstmal aussetzen. Möglich soll das eine Ausnahmeregelung der Schuldenbremse machen: Die Bundesregierung werde dem Bundestag vorschlagen, eine außergewöhnliche Notlage zu erklären, verkündete Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) betont wortkarg am Donnerstag – ohne den Begriff "Schuldenbremse" in den Mund zu nehmen.

FDP-Generalsekretär fordert "solide Finanzpolitik"

Die Schuldenbremse längerfristig zu lockern oder sich gar ganz von ihr zu verabschieden, lehnt die FDP bislang jedoch entschieden ab – und positioniert sich damit gegen entsprechende Vorschläge aus den Reihen von SPD und Grünen.

Stattdessen pochen die Liberalen auf einen klaren Sparkurs zur Bewältigung der Haushaltskrise. Ohne Schuldenbremse würde sich die Bundesregierung nur die "eigene Handlungsfähigkeit in der Politik wegnehmen", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im "Morgenmagazin" von ARD und ZDF. "Eine solide Finanzpolitik ist in der derzeitigen Situation eines der wichtigsten Instrumente in der Politik insgesamt", erklärte er. Von Steuererhöhungen hält der FDP-Politiker nichts, Deutschland sei jetzt schon ein Hochsteuerland, die Menschen müssten entlastet werden.

Liberale gegen Steuererhöhungen

Auch der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Fricke, sagte zu Steuererhöhungen: "Die lehne ich ab." Es gehe darum, die Einnahmen auf andere Weise zu stärken. "Wir müssen Wirtschaftswachstum verstärken, wir müssen dafür sorgen, dass dieses Land interessant und attraktiv für Kapital wird", erklärte er im Deutschlandfunk.

Auch Privatisierungen müssten in Erwägung gezogen werden, so Fricke: "Was können wir noch verkaufen? Was können wir privatisieren? Wie viele Dinge hat der Bund (...) sich angeeignet, die er gar nicht braucht?" Die Antworten darauf sollten im Laufe der Woche konkretisiert werden. Die klare Konsequenz sei, dass Deutschland sparen müsse, betonten Fricke und Djir-Sarai.

SPD-Fraktionschef: Schuldenbremse auch 2024 aussetzen

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hingegen erklärte, dass er auch für 2024 Jahr Gründe sehe, eine Notlage auszurufen und die Schuldenbremse damit außer Kraft zu setzen. Er wolle "schon mit den politisch Verantwortlichen darüber reden, ob wir in normalen Zeiten leben. Und ich glaube nicht, dass wir in normalen Zeiten leben. Deswegen ist es auch kein normaler Haushalt", sagte Mützenich am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".

Auf die Frage, wie er die Notlage für 2024 begründen wolle, nannte Mützenich den Krieg in der Ukraine und die Lage in Nahost, von der unklar sei, ob sie sich zu einem Regionalkrieg entwickeln werde. "Und diese auch gesamten Dinge, denen sich der Staat stellen muss, aber wo er sozusagen auch nicht die alleinige Kontrolle hat – das gibt schon eine Chance, auch diese Ausnahmeregelung in Artikel 115 noch mal zu ziehen."

Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat sich indes dafür ausgesprochen, die Schuldenbremse im kommenden Jahr auszusetzen. Die Regelung zur Schuldenbremse beinhalte ja die Möglichkeit zur Ausnahme, sagte Kühnert dem rbb24 Inforadio. Voraussetzung sei, dass "äußere Umstände […] enorme Kosten verursachen, und das nicht langfristig absehbar war. Das sind die drei Faktoren, die zutreffen müssen, und das ist ja genau das, was die Situation seit Beginn des Ukraine-Krieges qualifiziert." Deswegen sei das für 2023 eine vollkommen richtige Feststellung. "Und, oh Wunder, meine Einschätzung ist, für das nächste Jahr wird das natürlich genauso gelten", so Kühnert weiter.

Özdemir: Bremse vielleicht – aber nur mit Investitionsklausel

Bei den Grünen trifft diese Ansicht auf eine vorsichtige bis etwas verklausulierte Zustimmung. Auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe forderte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, die Schuldenbremse müsse zumindest um eine Investitionsklausel ergänzt werden. "Wir bekennen uns zur Schuldenbremse, aber zu einer guten Schuldenbremse", sagte der Grünen-Politiker.

Dabei müsse nicht nur das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt werden, sondern auch das vorherige Urteil desselben Gerichts, wonach Maßnahmen gegen die Klimakrise nicht aufgeschoben werden dürfen. "Beide Urteile gelten", hier dürfe es "nicht nur Rosinenpickerei geben", sagte Özdemir.

Bundesländer fürchten um Zuschüsse aus Berlin

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klafft eine große Lücke in den Finanzen des Bundes. Das Gericht hatte eine Umwidmung von Corona-Krediten von 60 Milliarden Euro aus dem Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Seit der Entscheidung der Richter herrscht Unsicherheit – auch über die Folgen für die Länder. Schleswig-Holstein etwa hatte nach dem Urteil eine Haushaltsnotlage für 2023 und 2024 festgestellt, denn das Bundesland arbeitet seit der Corona-Pandemie auch mit Notkrediten.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) berät am Montag in Berlin mit den Wirtschafts- und Energieministern der Bundesländer über die Lage. In den Ländern gibt es Befürchtungen, dass finanzielle Unterstützungsleistungen des Bundes wegfallen könnten und klima- und industriepolitische Milliardenprojekte, wie die mit Subventionen unterstützte Ansiedlung von Intel in Magdeburg, TSMC in Dresden oder Northvolt in Heide nun auf der Kippe stehen.

Unions-Länderchefs pochen auf "Zukunftsinvestitionen"

Auch die CDU-Länderchefs in Berlin, Sachsen-Anhalt und Sachsen hatten sich aufgrund solcher Perspektiven zuletzt offen für eine Reform der Schuldenbremse gezeigt. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff etwa sagte dem "Stern", die Schuldenbremse müsse bleiben. Für "sehr wichtige Zukunftsinvestitionen in Wirtschaft, Technologie und Wissenschaft" müssten aber "verfassungskonforme Möglichkeiten gefunden werden, diese zu realisieren".

Der CSU-Vorsitzende Markus Söder erteilte dem Vorhaben, zur Lösung der entstandenen Haushaltsprobleme die Schuldenbremse zu lockern, eine entschiedene Absage. "Die Schuldenbremse hat uns erst stark gemacht, nur so sind Hilfen in Krisensituationen möglich", schrieb Söder auf der Online-Plattform X.

Mit Informationen von dpa und AFP

Im Video: Milliardenloch, Schuldenbremse, Ampel-Zoff – Ist Deutschland pleite? Possoch klärt!

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