Landtagswahlen im Osten: Die AfD gibt sich als bürgernahe Partei und setzt auf Emotionen.
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Landtagswahlen im Osten: Woher der Aufwind für die AfD kommt

Landtagswahlen im Osten: Woher der Aufwind für die AfD kommt

Die AfD hat ein Ziel: im Osten regieren. Im Wahlkampf ist die Partei auf Marktplätzen präsent, gibt sich als bürgernahe Partei und setzt auf Emotionen. Doch auch im Osten polarisiert die AfD. Teil drei der BR24-Serie zu den Wahlkämpfen im Osten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der AfD-Wahlkampfstand im sächsischen Löbau lockt – sogar aus Bayern reisen AfD-Politiker an, um zu verstehen: Warum erhält die Partei gerade im Osten so viel Zuspruch? Wer die Gründe erfahren will, muss mit den Menschen vor Ort sprechen. Denn sie haben Redebedarf, viel Frust ist spürbar, der sich über die Jahre angesammelt hat.

Rente und Regierung: Menschen im Osten sind frustriert

So auch bei Rentnerin Gerlinde Adler: Sie klagt über hohe Steuern, niedrige Renten, zu viele Flüchtlinge und lehnt Unterstützung für die Ukraine ab. Neben ihr steht Andrea Schnoor, die auf die Regierung und wegen der Ungleichheit schimpft: "Wir haben immer noch geringere Löhne als im Westen." Die kollektive Umbruchserfahrung mit der Wende scheint noch heute das Denken vieler Menschen zu prägen. Ein älterer Mann, Jahrgang 1939, sagt: "Wenn in den Wahlversprechen die Wörter 'Frieden‘ und 'Rentner‘ vorkommen, sprechen sie die Hälfte der DDR-Bürger an."

Die Unzufriedenheit scheint die Menschen zu vereinen – viele, die sich am Löbauer Marktplatz tummeln, setzen deshalb auf die AfD. Dabei spielt es für AfD-Anhänger kaum eine Rolle, dass die AfD in Sachsen und Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft ist – das zeigten Umfragen zuletzt immer wieder. Doch auf die Frage, was die Partei konkret ändern würde, bleiben die Antworten der potenziellen Wähler oft vage: "Generell das System", meint ein Mann. Eine andere Frau findet keine Worte: "Wie soll ich das sagen…?"

Im Video: Manès Weisskircher, Politikwissenschaftler, zum Erfolg der AfD im Osten

Manès Weisskircher, Politikwissenschaftler, zum Erfolg der AfD im Osten
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Manès Weisskircher, Politikwissenschaftler, zum Erfolg der AfD im Osten

Chrupalla: "Was der Ostdeutsche nicht möchte: neue Mauern"

Die AfD greift dieses Gefühl der Leere auf und füllt die Lücke mit Themen wie Bürgergeld, Krieg und Migration. Andreas Förster, Löbauer Stadtrat von der Bürgerliste, macht sich Sorgen und kritisiert: "Egal was die AfD propagiert und spricht – letztlich sind es viele Themen, die auch die AfD in der Landespolitik überhaupt nicht beeinflussen kann. Das wird wo ganz woanders entschieden."

Dennoch wirbt die Partei im Landtagswahlkampf damit, setzt auf Emotionen und füllt damit Marktplätze. In Löbau unterstützt auch Tino Chrupalla, Co-Bundesvorsitzender der AfD, den Wahlkampf. Er, selbst Sachse, hat ein Ziel: die AfD soll im Osten regieren. Doch dafür bräuchte es Koalitionspartner – und die gibt es derzeit nicht, Stichwort Brandmauer: "Was der Ostdeutsche nicht möchte, und was er auch nicht mehr hören will, sind neue Mauern, die aufgebaut werden. Wir werden sie einreißen – ohne uns wird keine Politik mehr möglich sein“, so Chrupalla.

Institut der Deutschen Wirtschaft: AfD ist "Gift für unsere Wirtschaft"

Eigene Mauern errichtet die AfD in ihrem Wahlprogramm: gegen die Regierung, gegen Klimaschutz, gegen Flüchtlinge. Das bereitet vor allem der Wirtschaft Sorgen. Kurz vor den Landtagswahlen im Osten warnte der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther: Die AfD sei vor allem wegen ihrer europakritischen Haltung "Gift für unsere Wirtschaft".

Auch im ländlichen Löbau tun sich auf dem Marktplatz Risse auf: Laute AfD-Unterstützer dominieren zwar das Bild. Doch es gibt auch viele, die andere Parteien unterstützen; leiser zwar, aber aus Überzeugung. Wie Theresa Hennings: "Weil ich die Werte der AfD nicht teile, sondern ein demokratisches Deutschland behalten möchte."

Widerstand in den größeren Städten

Der Widerstand vor allem in größeren Städten wie Dresden, Leipzig oder Erfurt sichtbar: Menschen gehen auf die Straße und demonstrieren gegen Rechtsextremismus. Den verkörpert vor allem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, der in Thüringen Ministerpräsident werden will. Höcke setzt vor allem auch auf soziale Medien im Wahlkampf – ein weiterer, digitaler Marktplatz für die AfD. Als einer der ersten Politiker hat Höcke über soziale Medien das Messerattentat von Solingen für seine Ziele genutzt.

Mit Stimmung Stimmen erhalten – diese Taktik scheint für die AfD erfolgversprechend. Laut den letzten Umfragewerten könnte die Partei in Thüringen und Sachsen stärkste bzw. zweitstärkste Kraft werden.

Die Umfragen wurden aber vor den aktuellen Ereignissen in dieser Woche erhoben: dem mutmaßlichen IS-Messerattentat in Solingen, dem bevorstehenden Sicherheitspaket der Ampel-Koalition, mit Messerverboten und Leistungskürzungen bei bestimmten Asylbewerbern, und einem Abschiebeflug nach Afghanistan. Die Lage: dynamisch. Die Menschen: bewegt. Sie entscheiden, wohin der Osten steuert.

Im Video: Spannung vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen

Spannung vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen
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Spannung vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen

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