Bilder und Kerzen sowie ein Foto erinnern an den verstorbenen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny
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Die Leiche des prominenten Kreml-Kritikers Nawalny wurde noch immer nicht freigegeben - und konnte deshalb nicht unabhängig untersucht werden.

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Nawalnys Mutter klagt auf Herausgabe ihres toten Sohnes

Nach dem Tod des prominenten Putin-Kritikers Alexej Nawalny sind viele Fragen offen. Seine Familie durfte den Leichnam noch nicht sehen. Nawalnys Mutter hat nun Klage eingereicht. Die USA kündigen weitere Schritte an.

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Unmittelbar nach Bekanntgabe der Nachricht vom Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny machte sich seine Mutter auf den Weg: Sie reiste nach Charp am Polarkreis, wo ihr Sohn in der Strafkolonie IK-3 inhaftiert war. Ihr Ziel: Den Leichnam ihres Sohnes sehen und beerdigen. Doch Ljudmila Nawalnaja darf es nicht. Nach Angaben von Nawalnys Mitarbeitern wird sie hingehalten: Die Behörden hätten erklärt, die Untersuchungen des Leichnams würden noch zwei Wochen in Anspruch nehmen.

Gericht will sich Anfang März mit Klage befassen

Am Dienstag bat Nawalnaja in einem Video Russlands Präsidenten Wladimir Putin persönlich darum, ihren Sohn schnellstmöglich zu sehen und beerdigen zu können. Dem Aufruf schloss sich auch Nawalnys Witwe Julia Nawalnaja an. Sie forderte die Behörden auf, ihrem verstorbenen Mann ein "würdiges Begräbnis" zu ermöglichen. Bislang gab es darauf noch keine Reaktion aus dem Kreml.

Nun will die Mutter von Alexej Nawalny mit einer Klage die Herausgabe des Leichnams erreichen. Doch das zuständige Gericht in der sibirischen Stadt Salechard teilte mit, man werde sich mit dem Fall in rund anderthalb Wochen beschäftigten. Die Verhandlung sei für den 4. März angesetzt worden, teilte Nawalnys Organisation mit. Die Anhörung wird laut staatlicher russischer Nachrichtenagentur Tass hinter verschlossenen Türen stattfinden.

Nawalnys Team wirft Behörden Vertuschung vor

Nach Angaben der russischen Strafvollzugsbehörden war Nawalny am vergangenen Freitag nach einem Hofgang im Straflager nördlich des Polarkreises zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche der Strafvollzugsbeamten seien vergebens gewesen, heißt es. Nawalny war zum Zeitpunkt des Todes erst 47 Jahre alt, aber durch einen Giftanschlag im Jahr 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächt.

Sein Team wirft dem russischen Machtapparat Mord vor und sieht in der Blockadehaltung einen Vertuschungsversuch. In Russland haben bereits mehr als 70.000 Menschen einen Aufruf zur Herausgabe des Leichnams an die Angehörigen unterzeichnet.

USA kündigen weitere Sanktionen gegen Russland an

Auch die Europäische Union forderte, der Leichnam Nawalnys solle unverzüglich seiner Familie übergeben werden. Das teilte der diplomatische Dienst der EU mit. Außerdem müsse es eine unabhängige, internationale Untersuchung von Nawalnys Tod geben. Man habe den russischen Vertreter bei der Europäischen Union vorgeladen und die Empörung der EU übermittelt.

Die ist auch in den USA groß: "Welche Geschichte die russische Regierung der Welt auch immer erzählen will, es ist klar, dass Präsident Putin und seine Regierung für den Tod von Herrn Nawalny verantwortlich sind", sagte der Sprecher für nationale Sicherheit im Weißen Haus, John Kirby. Die US-Botschaft in Moskau habe sich um weitere Informationen bemüht, aber es sei schwierig, "einen Punkt zu erreichen, an dem man sich darauf verlassen kann, was die Russen über seinen Tod sagen würden".

Bundestag befasst sich mit Nawalnys Tod

Die USA wollen daher in Kürze ein umfangreiches Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg bringen – wegen des Todes des Oppositionsführers und wegen des zweijährigen Ukraine-Krieges. Am Freitag sollen die geplanten Strafmaßnahmen laut Kirby verkündet werden. Die USA drängten Russland zu "vollständiger Transparenz" darüber, wie Nawalny in der Strafkolonie starb, sagte Kirby.

Über den Fall und mögliche Konsequenzen berät am Mittwochnachmittag außerdem der Bundestag in Berlin. Auf Antrag der Ampel-Fraktionen wurde eine Aktuelle Stunde angesetzt, in der es um den Tod des 47-jährigen Oppositionellen und um die Lage in Russland unter Putin gehen soll.

Im Audio: 11KM: Nawalny ist tot - Lebt der Widerstand weiter?

Foto von Alexej Nawalny mit Kerzen, Blumen und Karten davor
Bildrechte: picture alliance/dpa/ZUMA Press Wire | Vuk Valcic
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Wie geht’s in Russland weiter nach dem Tod Nawalnys? Mehr dazu im Podcast "11KM"

Schwere Zeiten für die russische Opposition

Für die russische Opposition ist Nawalnys Tod ein schwerer Verlust - so sieht es etwa der frühere Oligarch Michail Chodorkowski, der selbst in Russland zehn Jahre im Gefängnis saß, nachdem er Putin politisch herausgefordert hatte. "Alexej Nawalny war ein sehr intelligenter und charismatischer Anführer. Er hatte das Talent, Menschen mitzureißen und sie davon zu überzeugen, dass ein Wandel notwendig sei", betonte er.

Die Witwe des Kreml-Kritikers hat zwar angekündigt, die Arbeit ihres Mannes fortzusetzen. Wie erfolgreich sie damit sein wird, bleibt jedoch abzuwarten. Ihr Mann hatte mit Enthüllungen über die herrschende Elite oft auch innerhalb Russlands viele Menschen erreicht und damit die Kreml-Propaganda infrage gestellt.

Putin bei Wahl im März ohne ernsthafte Gegner

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine geht der Kreml allerdings noch härter als zuvor gegen jegliche Form von Kritik vor. Die meisten Oppositionellen sind inzwischen tot, inhaftiert oder im Exil. Die noch verbliebenen oppositionellen Gruppen sind nicht wirklich geeint. Bei der Wahl im März wird Putin daher keinen ernsthaften Gegenkandidaten haben.

Deshalb sei es jetzt wichtiger denn je, an einem Strang zu ziehen, forderte Chodorkowski. Bei der Wahl im März gehe es auch darum, ein Zeichen zu setzen. Er rief dazu auf, einfach Nawalnys Namen auf die Wahlzettel zu schreiben. Gemeinsam mit anderen Oppositionspolitikern unterstützt er außerdem eine Anfang Februar noch von Nawalny selbst verbreitete Idee, sich in großer Zahl am 17. März um 12 Uhr mittags vor den Wahllokalen anzustellen. Putin müsse "verstehen, dass er zwar seinen politischen Gegner töten kann, aber nicht die grundsätzliche Vorstellung einer demokratischen Opposition."

Mit Informationen von AFP, AP, dpa und Reuters.

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