Der Begriff "Remigration" steht bei der Bekanntgabe des "Unwort des Jahres" 2023 auf einem Bildschirm und wird mit einem Smartphone fotografiert.
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Der Begriff "Remigration" steht bei der Bekanntgabe des "Unwort des Jahres" 2023 auf einem Bildschirm und wird mit einem Smartphone fotografiert.

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"Remigration": Was ist damit gemeint? Und was noch?

"Remigration": Was ist damit gemeint? Und was noch?

Früher ein neutraler Fachbegriff in der Sozialforschung, inzwischen ein Schlagwort der extremistischen Neuen Rechten: "Remigration" steht als Ziel auch im neuen AfD-Wahlprogramm. Was es damit auf sich hat und warum es viel Kritik daran gibt.

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Wenn ohne Kontext von einer "Bank" die Rede ist, meinen die einen ein Geldhaus und die anderen eine Sitzgelegenheit. Nicht ganz so verschieden sind die Definitionen beim Wort "Remigration". Aber auch dieser Begriff wird unterschiedlich verwendet – mal neutral einen Sachverhalt schildernd, mal geplante Deportationen und ethnische Säuberungen verschleiernd. Und mal irgendwas dazwischen.

Wörtlich übersetzt geht es um "Zurückkehren"

In der Sozialwissenschaft, im Feld der Migrationsforschung, gibt es den Begriff schon länger. Er kommt vom lateinischen Verb "remigrare": zurückkehren, zurückwandern. Gemeint war damit in der Regel die freiwillige Rückkehr von Migrantinnen und Migranten in ihr Herkunftsland.

"Man konnte zumindest früher von Remigration sprechen, ohne dass das eine Wertung hatte", sagt Philipp Adorf. Er arbeitet am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn. Richtig öffentlich aufgekommen sei der Begriff aber erst im Kontext der Neuen Rechten, betont Adorf. "Und da beinhaltet das Sprechen von Remigration eine grundsätzliche ideologische Wende: Die negativen Seiten von Migration sollen sich in den Köpfen der Menschen festsetzen." Dazu diene als Basis häufig die Verschwörungserzählung von einem "Bevölkerungsaustausch".

Remigration: Geht es "nur" um konsequenteres Abschieben?

Der Begriff Remigration wird rechtsaußen unterschiedlich genutzt. Manchmal ist die Rede davon, dass ausreisepflichtige Ausländer konsequenter abgeschoben werden sollen – das wäre nur die Umsetzung geltenden Rechts und wird auch von demokratischen Parteien gefordert.

Manchmal ist aber auch die Rede davon, dass Asylbewerber generell außer Landes gebracht werden sollen. Oder sogar, dass deutsche Staatsbürger mit Migrationsgeschichte das Land verlassen müssen – mit viel Druck oder gar Zwang. Das wäre ein klarer Bruch des Grundgesetzes. Der Österreicher Martin Sellner, Vordenker der Neuen Rechten, fordert sogenannte Heimkehrzentren. Darin sollen deutsche Staatsangehörige zur Aufgabe ihrer Staatsbürgerschaft und zur Ausreise gebracht werden.

"Remigrationsagenda" schon im AfD-Wahlprogramm 2021

Bei ihrem Parteitag am Wochenende hat die AfD beschlossen, das Ziel Remigration in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl zu verankern. Spitzenkandidatin Alice Weidel forderte "Rückführungen in großem Stil". Politologe Adorf überrascht das nicht: "Das ist keine wirkliche Veränderung in der Rhetorik. Schon zur Wahl 2021 forderte die AfD eine 'Remigrationsagenda'. Auch den Begriff nutzt sie schon länger." Das gelte auch für die FPÖ in Österreich.

Dabei muss die AfD-Parteispitze laut Adorf immer beachten, einem möglichen Verbotsverfahren keine Argumente zu liefern. "Deshalb wird man die Forderung, dass 'nicht assimilierte' deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund das Land verlassen müssen, nicht niedergeschrieben finden in einem Programm oder bei Social Media." Der Begriff bleibt bei der AfD also vage.

Das gilt auch für einen anderen Aspekt von Remigration, der in rechtsextremen Kreisen beliebt ist: Bestimmten Menschen mit deutschem Pass und Migrationshintergrund das Leben in Deutschland durch Gesetzesänderungen schwerer machen, um sie zur Ausreise zu drängen. "Staatsbürger zweiter Klasse schließt das Grundgesetz ebenfalls aus", betont Adorf.

Remigration: Forderung basiert oft auf ethnisch-kulturellem Volksverständnis

Der Politikwissenschaftler erläutert, warum das Reden von Remigration grundsätzlich verändern soll, wie die Gesellschaft über Zuwanderung denkt. Migration solle von vielen als Problem verstanden werden, nicht als Vorteil für den Arbeitsmarkt oder kulturelle Bereicherung. Langfristig sei das Ziel, "die Veränderungen bei der ethnischen Zusammensetzung der Gesellschaft zumindest aufzuhalten."

Weite Teile der extremistischen Rechten vertreten ein ethnisch-kulturelles Volksverständnis, das zugewanderte Deutsche abwertet. Für den Identitären Sellner ist zum Beispiel die Identifikation "mit einem fremden Land und seiner Kultur" ein Ausschlusskriterium für die deutsche Staatsbürgerschaft, wie er in seinem Buch "Remigration" schreibt.

2023 wurde "Remigration" zum "Unwort des Jahres" gewählt. Die damalige Begründung der Jury: "Das Wort ist in der Identitären Bewegung, in rechten Parteien sowie weiteren rechten bis rechtsextremen Gruppierungen zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden."

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