Rentnerpärchen auf einer Bank
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Rentenpaket II: Was das Bundeskabinett beschlossen hat

Das Bundeskabinett hat heute das Rentenpaket II auf den Weg gebracht. Dadurch soll das Rentenniveau festgeschrieben und eine Aktienrente eingeführt werden. Was die Pläne im Einzelnen bedeuten - ein Überblick.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Das Rentenpaket II ist auf den Weg gebracht, das Bundeskabinett hat es heute verabschiedet. Damit gehen die Pläne voraussichtlich kommenden Monat in den Bundestag. Es geht in dem Vorhaben um zwei zentrale Maßnahmen: Das Rentenniveau soll bis zum Jahr auf 2039 auf 48 Prozent festgeschrieben werden und die Bundesregierung will ein sogenanntes Generationenkapital über eine Aktienrente einführen.

Was ist das Rentenniveau?

Der Begriff Rentenniveau beschreibt den Zusammenhang zwischen Lohn und späterer Rente. Dabei wird von einer fiktiven Person ausgegangen, die 45 Jahre Beiträge eingezahlt und stets das durchschnittliche Einkommen in Deutschland erhalten hat. Wie viel eine einzelne Person bekommt, sagt der Prozentsatz nicht aus, es handelt sich um einen Richtwert.

Hätte man in seinem Arbeitsleben stets den deutschen Durchschnittslohn verdient und wäre dieser im Schnitt bei beispielsweise 4.000 Euro gelegen, würde man aufgrund des Rentenniveaus 48 Prozent davon als monatliche Rente erhalten, also 1.920 Euro.

Rentenniveau wäre auf 45 Prozent gesunken

Laut Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung würde das Rentenniveau - ohne die Maßnahmen aus dem Rentenpaket II - bis 2040 von aktuell 48 auf 45 Prozent absinken. Denn: Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer (1955 bis 1965) gehen in Rente, es zahlen immer weniger Menschen in die Rentenkasse ein. Dadurch wäre auch das Rentenniveau gesunken. Um das zu verhindern, will die Ampel nun das Niveau von mindestens 48 Prozent bis zum Jahr 2039 festschreiben. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nannte die Pläne heute einen "wichtigen Schritt", es gehe darum, "um für soziale Sicherheit für alle Generationen zu sorgen und nicht Generationen gegeneinander auszuspielen".

Die Rentenversicherung wird im sogenannten Umlageverfahren finanziert. Heißt: Zum allergrößten Teil kommt das Geld aus laufenden Beitragseinnahmen, also die 18,6 Prozent Beitragssatz, die die arbeitende Bevölkerung aktuell einzahlt, sowie Bundeszuschüssen. Da die Zahl der Menschen, die in Rente gehen, stärker steigt als die der Beitragszahler, gibt es bisher einen sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor. Dieser dämpft den Anstieg der Renten, sie gehen langsamer hoch als die Löhne. Mit dem neuen Rentenpaket fällt dieser weg.

Woher das Geld kommen soll

Das grundsätzliche Problem in der Rentenfinanzierung ist die demografische Entwicklung: 1962 finanzierten noch sechs Arbeitnehmer einen Rentner, im Jahr 2021 war das Verhältnis 2:1. Im Jahr 2050 könnte das Verhältnis laut Prognosen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln nur noch bei 1,3:1 liegen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales prognostiziert, dass sich die Ausgaben für Rente in den nächsten 20 Jahren mehr als verdoppeln: von heute 372 Milliarden auf über 800 Milliarden im Jahr 2045.

Um das abzufedern, geht das Bundeskabinett von einer Anhebung des Satzes für Beitragszahler aus - auf über 22 Prozent in den kommenden zehn Jahren könnte er steigen. Weiteres Geld soll über das Generationenkapital kommen. Und es dürften noch zusätzliche Maßnahmen folgen (zu beidem später mehr)

Kritik an den Maßnahmen: "Kurzsichtige Reform"

An den Plänen der Ampel, das Rentenniveau auf 48 Prozent festzuschreiben, gibt es laute Kritik. "Das Rentenpaket II kündigt im Grunde die Lastenaufteilung zwischen Jung und Alt, die wir bisher hatten, für die Folgen der demografischen Alterung für das Rentensystem auf - und legt die Lasten einseitig nur noch den Jungen, den jüngeren Versicherten auf", sagte Martin Werding vom Sachverständigenrat für Wirtschaft im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Ob das gerecht sei, wisse er nicht. "Aber es ist auf jeden Fall eine kurzsichtige Reform", so Werding. "Die Bundesregierung kündigt mit ihrem Rentenpaket den Generationenvertrag auf", kritisierte CSU-Politiker Stephan Stracke im BR-Interview.

Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, sagte der "Rheinischen Post", dass die Pläne nicht generationengerecht seien und "schon gar nicht der benötigte große Wurf, um das Rentensystem langfristig zu stabilisieren". Ihre Forderung: Die Renten sollten nicht mehr an die Löhne, sondern an die Inflation gekoppelt werden. Dadurch könnten Rentenanstiege begrenzt werden.

Anders sieht es der Sozialverband Deutschland. Für dessen Chefin Michaela Engelmeier reicht die Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent nicht aus. "Um einen vernünftigen Lebensstandard im Rentenalter zu sichern, braucht es langfristig ein Rentenniveau von 53 Prozent sowie eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen", sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Lob gab es vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Deren Vorstandsmitglied Anja Piel sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa), ein stabiles Rentenniveau bedeute "Entlastung, bessere Absicherung im Alter und weniger Aufwand für private Vorsorge". Hans-Jürgen Urban vom IG-Metall-Vorstand erklärte gegenüber der dpa: "Das Rentenpaket II stoppt die programmierte Entwertung der Renten für weitere 15 Jahre."

Im Video: Ampel beschließt Rentenreform

Bundesregierung beschließt Rentenreform.
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Bundesregierung beschließt Rentenreform.

Was ist das Generationenkapital?

Die zweite große Änderung durch das Rentenpaket II ist das Generationenkapital. Dabei handelt es sich um ein Herzensprojekt der FDP. Es soll eine Stiftung ins Leben gerufen werden, in die jährlich - aus Schulden finanzierte - zwölf Milliarden Euro eingezahlt werden. Dieses Geld wird am Aktienmarkt angelegt. In zwölf Jahren erhofft man sich dadurch ein Gesamtkapital von 200 Milliarden.

Ab 2040 soll die Stiftung jährlich zehn Milliarden Euro Zinserträge in die Rentenkasse einzahlen. Diese Maßnahme könne den Anstieg des Rentenbeitrags um 0,4 Prozentpunkte senken, so die Schätzungen.

Manchen in der FDP geht dieser Plan nicht weit genug. Der stellvertretende Vorsitzende der Liberalen, Johannes Vogel, hatte beispielsweise für eine Aktienrente nach schwedischem Vorbild plädiert. Dort muss jeder Arbeitnehmer verpflichtend einen Teil seiner Beiträge in Aktien anlegen.

Die nun im Kabinett verabschiedete Stiftung ist ein Kompromiss, mit dem auch die Grünen leben können. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte in einem kurzen Pressestatement: "Das Generationenkapital wird ab jetzt aufgebaut, bis in die Mitte der 30er-Jahre, um dann einen wichtigen Beitrag zu leisten, die Beitragsentwicklung zu reduzieren." Es sei eine historische Veränderung, lobte er die Pläne bereits im Vorfeld.

Kritik an dem Vorhaben gibt es aus der Opposition. Der Staat verschulde sich, um zu spekulieren, sagte CSU-Mann Stracke dem BR. "Das Generationenkapital sei nicht dazu in der Lage, die Mehrbelastungen, die das Rentenpaket auslöst, in irgendeiner Weise aufzufangen."

Monatelanger Streit ging voraus

Um das Rentenpaket II gab es auch innerhalb der Regierung Ärger. Auf dem vergangenen Parteitag der FDP gab es einen Beschluss, in dem Nachbesserungen gefordert wurden, mit dem Hinweis, dass das Aktienpaket nicht generationengerecht sei. Lindner hatte zwischenzeitlich mit einem Veto gedroht. Besonders das Thema der sogenannten Rente mit 63 sorgte für Zündstoff in der Koalition.

Trotzdem ist das Ja der FDP-Minister zu den Plänen erwartet worden. Damit verbunden dürfte Lindners Vorhaben sein, an anderer Stelle dafür in den Haushaltsverhandlungen Wünsche der Kabinettskollegen ablehnen zu können. Darauf angesprochen meinte Lindner: "Aufgrund der außerordentlich hohen und teilweise auch abwegigen Mehrforderungen im Zuge der Haushaltsberatung 2025 musste ich mich vergewissern, ob der Bundeskanzler, der Wirtschaftsminister und ich noch auf einer Linie sind." Nun habe er keine Bedenken mehr, dass man von gleichen ökonomischen Voraussetzungen ausgehe.

Rentenpaket: Nach II kommt III

Auch wenn das Rentenpaket II von der Bundesregierung als großer Wurf gepriesen wird, so könnte das Thema auch weiter eine Dauerbaustelle bleiben. "Das Rentenpaket II ist nicht das Ende der Notwendigkeit, unsere Altersversorgung zu reformieren", sagte Lindner, die jetzt beschlossenen Pläne seien nur "der Vorläufer des Rentenpakets III und des Rentenpakets IV und des Rentenpakets V". Auch Kabinettskollege Heil sieht "nicht das Ende von Alterssicherheitspolitik, auch nicht in dieser Legislaturperiode".

Beispielsweise wird über eine Anpassung der privaten und betriebliche Altersvorsorge nachgedacht. Dadurch sollen mehr Menschen unabhängig von der gesetzlichen Rente vorsorgen können. Zudem steht weiter das Ziel, auch Selbstständige in die Rentenversicherung aufzunehmen. Doch die große Frage nach der Finanzierung - die dürfte nicht nur die aktuelle, sondern auch zukünftige Bundesregierungen weiter beschäftigen.

Aber vorher muss das Rentenpaket II erst mal durch das Parlament. Der Bundestag soll sich offenbar am 27. Juni in erster Lesung mit den Rentenplänen der Ampel beschäftigen. Bis das Gesetz in Bundestag und Bundesrat verabschiedet wird, dürfte es bis Oktober dauern.

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