Die Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) trifft sich heute in Lausanne und will "Leitplanken" für die Rückkehr der zurzeit verbannten Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus beschließen - auch mit Blick auf die Spiele 2024 in Paris. Hauptargument für eine Zulassung ist die Charta der Vereinten Nationen. Diese lasse eine Diskriminierung von Athleten aufgrund ihrer Herkunft nicht zu, heißt es.
Möglich soll dies aber nur unter bestimmten Bedingungen sein. So müssten die Sportler unter neutraler Flagge starten, dürfen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine nicht aktiv unterstützen und müssen sich an die Anti-Doping-Regeln halten. Politik dürfe keinen Einfluss auf den Sport nehmen, betonte Präsident Thomas Bach zuletzt immer wieder.
Mehrere Außenminister klar gegen Wiederzulassung
Die Außenminister von Polen, Großbritannien sowie der baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland forderte das IOC auf, am bestehenden Ausschluss russischer und belarussischer Athleten festzuhalten. "Wir sind der festen Überzeugung, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist", heißt es in einem gemeinsamen Statement.
Demnach existiere "kein einziger Grund", von der bestehenden Exklusion abzurücken solange der Angriffskrieg unvermindert weitergehe. Die Verfasser betonen, dass es bei dem Ausschluss nicht um die Nationalität der Athleten gehe, sondern um die Tatsache, "dass sie von ihren Regierungen oder Unternehmen gesponsert werden, die das Kreml-Regime unterstützen" oder direkt mit dem russischen Militär verknüpft seien. Die Ukraine protestiert scharf gegen die IOC-Pläne und droht sogar mit einem Boykott der Olympischen Spiele 2024 in Paris.
Die Haltung des IOC wird vor allem in Deutschland stark kritisiert. Die Politik und die Sportlervertretung Athleten Deutschland sprechen sich deutlich für den weiteren Ausschluss aus. Der DOSB positioniert sich weniger offensiv, trug aber mit einem in Auftrag gegebenen Gutachten zur Frage der Diskriminierung konstruktiv zur Debatte bei. Rechtsprofessorin Patricia Wiater sieht "legitime" Gründe für einen Ausschluss - auch "friedenspolitische", indem "einer kriegspropagandistischen Instrumentalisierung von Sportereignissen" entgegengewirkt wird.
- Link zum Rechtsgutachten: "Menschenrechtliche Rahmenbedingungen des Ausschlusses russischer und belarussischer Athlet*innen von internationalen Sportwettkämpfen"
Russen und Belarussen nicht von allen Sportarten ausgeschlossen
Bereits jetzt gibt es in der Sportwelt einen "Flickenteppich": Im Tennis etwa dürfen "Neutrale" aus beiden Ländern starten, aber keine Mannschaften. Im Fechten sprach sich der Weltverband für die Rückkehr mit Fahnen und Hymnen aus, die Leichtathletik hält ihren Bann aufrecht.
Sportphilosoph: "Keine Unterscheidung zwischen Sportsystem und politischem System"
Auch der Berliner Sportphilosoph Gunter Gebauer sprach sich in der radiowelt auf Bayern 2 klar gegen eine Wiederzulassung russischer und belarussischer Sportler aus, da es keine Unterscheidung zwischen Sportsystem und politischem System gebe. Die Sportlerinnen und Sportler seien "Teil des russischen beziehungsweise belarussischen Sportsystems, das wiederum ganz eng verbunden ist mit dem politischen System. Und das wiederum ist ein Aggressor", sagte Gebauer im Interview. "Das spricht gegen die Teilnahme, weil die Friedensmission der Olympischen Spiele eigentlich bis heute eine Kernbotschaft des Internationalen Olympischen Komitees ist."
Das Argument des IOC, der sich auf die UN-Charta berufe, sei "vorgeschoben". Gebauer befürchtet bei einer Zulassung der Sportler aus Russland und Belarus zudem eine "kriegspolitische Instrumentalisierung". Außerdem verwies er unter anderem auf die Belastung für ukrainische Sportler, sollten sie bei Wettkämpfen auf russische Athleten treffen.
Gebauer erwartet Zulassung von Sportlern aus Russland und Belarus
Der Vorstoß von Thomas Bach zeige, dass er versuche, "an allen möglichen Klippen vorbeizufahren und niemandem wehzutun, vor allen Dingen nicht den Russen und den Chinesen und weiteren nationalen Vertretungen, die sich dann mit den Russen solidarisieren", so der Sportphilosoph. Er befürchte jedoch, dass die Sportler aus Russland und Belarus trotz der Kritik wieder zugelassen werden. "Bach wird alles tun im Hintergrund", so Gebauer. Er habe sich ein Exekutivkomitee "zugeschneidert, in dem die Befürworter solcher Entscheidungen in der Mehrheit" seien. "Also da gibt es Allianzen, die sehr fest geschmiedet sind und gut halten."
Mit Informationen von SID und dpa
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