Bei einer Gedenkstunde des Bundestags zum 80. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz hat neben der Erinnerung an die NS-Opfer die Sorge um aktuelle Entwicklungen viel Raum eingenommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnte vor einem Rückfall Deutschlands in Diktatur und Barbarei: "Wir haben es in der Hand, das Errungene zu bewahren und unsere Demokratie zu schützen. Gehen wir nicht zurück in eine dunkle Zeit."
Sein Appell: Wir wissen es besser, machen wir es besser. "Nehmt die Feinde der Demokratie ernst", mahnte Steinmeier. "Wir leben in einer Zeit der Entscheidung. Wir haben es in der Hand, das Errungene zu bewahren und unsere Demokratie zu schützen."
Steinmeier: "Demokratie ist die Antwort auf Rassenwahn und Nationalismus"
Steinmeier betonte, dass es kein Ende der Erinnerung gebe und damit auch keinen Schlussstrich. Die Verantwortung für die deutsche Geschichte bleibe, denn die Shoah sei ein Teil der deutschen Geschichte und Identität. Nach dem Krieg hätten die Deutschen Lehren aus ihrer Geschichte gezogen und sie zur Grundlage der Verfassung gemacht. "Unsere Demokratie ist die Antwort auf Rassenwahn und Nationalismus." Diese Verantwortung bleibe.
Kürzlich hatte der US-Milliardär Elon Musk, zugeschaltet auf einer Veranstaltung der AfD für einen Schlussstrich in Deutschland unter die Vergangenheit geworben. Steinmeier bezog sich in der Rede aber nicht ausdrücklich darauf.
Steinmeier verurteilt Angriffe auf NS-Gedenkstätten
Der Bundespräsident verurteilte die in Deutschland zunehmenden antisemitischen Gewalttaten, etwa Angriffe auf NS-Gedenkstätten. Damit wollten die Täter einschüchtern und die Erinnerung diskreditieren. "Nie wieder" bedeute nicht nur, dass Juden in Deutschland, Europa und Israel sicher leben könnten. "Es bedeutet, dass sie in unserem Land Teil unseres gemeinsamen 'Wir' sind und bleiben." Dabei gehe es nicht mehr um ein "Wehret den Anfängen", sondern längst um ein "Bedenke das Ende".
"Wenn wir heute die Shoah verdrängen, verharmlosen oder vergessen, dann erschüttern wir damit doch auch das Fundament, auf dem unsere Demokratie gewachsen ist", sagte der Bundespräsident. Und umgekehrt gelte: "Wer heute die Demokratie lächerlich macht, verachtet, angreift, der ebnet eben auch den Weg zu Hass, Gewalt und Menschenfeindlichkeit."
Holocaust-Überlebender: Hitler wollte mich töten - Putin will mich töten
Der Holocaustüberlebende Roman Schwarzman erzählte in seiner Rede im Bundestag, wie er als Kind im Ghetto seiner ukrainischen Heimatstadt Berschad überlebte: "Zweieinhalb Jahre voller Erniedrigung, Schmerzen, Läuse und mit ständigem Hunger." Auch nach 80 Jahren könne er sich daran erinnern, wie das Wasser im Ghetto geschmeckt habe.
Schwarzmann stellte auch eine Verbindung zur Gegenwart her: "Damals wollte Hitler mich töten, weil ich Jude bin", sagte er und fügte mit Blick auf den russischen Präsidenten hinzu: "Jetzt versucht Putin mich zu töten, weil ich Ukrainer bin." Schwarzman warnte davor, das Böse zu überschätzen, und flehte das Plenum des deutschen Bundestages an, sein Land mit Flugabwehr und anderen Waffen zu unterstützen, damit es sich gegen die russischen Angreifer wehren kann.
Bundestagspräsidentin: Juden fühlen sich nicht mehr sicher
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas beschrieb in ihrer Rede im Bundestag, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland sich heute nicht mehr sicher fühlten. "Es ist an uns, die Überlieferungen der Zeitzeugen auch für die nachfolgenden Generationen zu bewahren." Mitmenschlichkeit zu leben, sei keine Aufgabe, die man zum Beispiel einfach an die Politik delegieren könne, so Bas. "Jede und jeder von uns sollte sich immer wieder fragen: Was bin ich bereit, für das "Nie wieder" zu tun?"
80 Jahre Befreiung von Auschwitz
Der Bundestag gedenkt traditionell rund um den Jahrestag der Befreiung von Auschwitz-Birkenau der Millionen Opfer des Nationalsozialismus. Das Lager steht symbolhaft für den Holocaust. Rund 1,1 Millionen Menschen wurden dort zwischen 1940 und 1945 erschossen, in Gaskammern ermordet oder starben an Hunger und Krankheiten - die meisten waren Juden. Am 27. Januar 1945 erreichten sowjetische Soldaten das Lager in dem von der deutschen Wehrmacht besetzten Polen und befreiten etwa 7.000 Überlebende.
Im Video: Gedenken der Holocaust-Opfer im Bundestag
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