Der Papst  bei der diesjährigen Ostermesse auf dem Petersplatz
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Der Papst bei der diesjährigen Ostermesse auf dem Petersplatz

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Vatikan will Papstamt downgraden um Ökumene zu fördern

Die "Unfehlbarkeit" des Papstes, beschlossen 1870, hemmt bis heute die Ökumene, die Zusammenarbeit der christlichen Konfessionen. Ein neues Vatikan-Dokument will nun das Papstamt schmälern, um als "Ehrenoberhaupt" aller Christen anerkannt zu werden.

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Der Papst will Oberhaupt aller Christen sein und seine Dogmen sind unfehlbar – das ist zumindest bis jetzt der Anspruch des Papstes. Doch der bisherige absolute Vormachtanspruch des Papstes ist das größte Hindernis für eine Annäherung zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen. Deshalb hat der Vatikan nun ein Papier vorgelegt, das dieses Selbstbild grundlegend ändern könnte.

Einheit der Christen wiederherstellen

Mit diesem neuen Vatikan-Dokument hofft Rom erreichen zu können, dass der Papst in veränderter Form als sogenanntes "Ehrenoberhaupt" auch von anderen christlichen Kirchen akzeptiert werden könnte. Ein neues Verständnis des Papstprimats und eine veränderte Ausübung sollen zur "Wiederherstellung der Einheit der Christen beitragen".

Das Erste Vatikanische Konzil hatte 1870 die Unfehlbarkeit des Papstes klargestellt und ihm alle Macht in dogmatischen und kirchenrechtlichen Fragen zugesprochen. Dieses Dogma zusammen mit der über Jahrhunderte verteidigten Vorrangstellung des Papstes ("Primat") macht die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Konfessionen bis heute schwierig.

Um die Ökumene zu verbessern stellte Papst Johannes Paul II. 1995 eine andere Art der Ausübung des Papstamtes in Aussicht und lud die anderen christlichen Kirchen dazu ein, im Dialog mit Rom nach einem gemeinsamen Amtsverständnis zu suchen. Nun schlägt der Vatikan in dem jetzt veröffentlichten Dokument eine "Neuinterpretation" bis hin zur "Neuformulierung" der Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils vor.

Es braucht Einheitsdienst für alle Christen

Das Papier ist das Ergebnis jahrzehntelanger Gespräche zwischen der katholischen Kirche und anderen christlichen Kirchen über das Papstamt. "In vielen Dialogen ist deutlich geworden, dass wir so etwas wie einen Einheitsdienst für alle Christen brauchen", sagt Kurt Koch, Kurienkardinal im Vatikan und zuständig für die Förderung der Einheit der Christen. Unter seiner Federführung ist das Dokument entstanden. "Die Frage ist nun, wie wird dieser Einheitsdienst aussehen müssen, dass er nicht mehr ein Hindernis für die Ökumene ist, sondern eine Hilfe", sagt Koch.

Ein Vorschlag lautet nun, dass der Papst künftig dazu berechtigt werden soll, ein konfessionsübergreifendes Konzil einzuberufen, dem er vorsitzen würde. Bei Konflikten könne er die Rolle des Mediators übernehmen. Auch bestehe die Notwendigkeit, "die patriarchalische und primatiale Rolle des Bischofs von Rom von seiner politischen Funktion als Staatsoberhaupt zu unterscheiden".

Unfehlbarkeit des Papstes revidieren: "Wäre mehr als revolutionär"

In dem Papier wird vorgeschlagen, die Verantwortungsbereiche des Bischofs von Rom deutlicher zu trennen – heißt: Als "Patriarch des Westens" könnte er womöglich in manchen Fragen mit den Kirchen des Ostens auf einer Stufe stehen, während er in anderen als Oberhaupt aller Kirchen spräche. Das Papier fordert auch, die Synodalität innerhalb der Katholischen Kirche selbst zu stärken – etwa die Bischöfe bei Beschlüssen mehr einzubeziehen. Auch soll sich der Papst regelmäßig mit anderen Kirchenführern weltweit treffen.

Der strittigste Punkt betrifft weiterhin den Anspruch des Papstes, Gesetzgeber und Richter in allen christlichen Kirchen zu sein – was etwa Protestanten, Orthodoxe oder Anglikaner nur schwer akzeptieren können. Die Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils 1870 könnte - so der Vorschlag - neu interpretiert und in eine neuere Theologie überführt werden, die Kirche nicht mehr als Monarchie, sondern als Gemeinschaft verstehe.

Bedford-Strohm: Papst ist medial weltweit Stimme der Christen

Wenn diese Vorschläge tatsächlich dazu führen sollten, dass der Rechtsanspruch des Papstes nicht mehr universell, sondern eben nur für die eigene, römisch-katholische Kirche gelten sollte, "dann wäre das revolutionär", sagt Achim Budde, Direktor der katholischen Akademie in Bayern mit Sitz in München. "Das würde die Tür zur Einheit der Kirchen tatsächlich öffnen. Das einzige wirklich unüberwindliche Hindernis wäre dann aus dem Weg geräumt", sagt Achim Budde. Aber: "Wie realistisch das ist, weiß ich nicht. Aber es ist neu, dass Rom solche Vorschläge selber macht. Bisher war es immer so, dass Rom gemauert hat, wenn die anderen so etwas vorgeschlagen haben", sagt Budde.

Heinrich Bedford-Strohm, ehemals evangelischer Landesbischof in Bayern und heute Vorsitzender des Zentralausschusses des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) in Genf, hält das Dokument für einen "echten ökumenischen Fortschritt mit vielen Chancen". Der ÖRK ist ein weltweiter Zusammenschluss von Kirchen ohne die Katholiken. Den Gedanken eines Papstes als Sprecher aller Christen findet Bedford-Strohm spannend, wobei klar sein müsse, was man konkret darunter verstehe – und der Papst dürfe nicht bestimmte Lehren für alle vorgeben. "Die Tatsache, dass der Papst die größte Stimme auch in der medialen Öffentlichkeit weltweit für die Kirchen ist, das kann man ja gar nicht bestreiten", sagt Bedford-Strohm. Auch Vertreter der anglikanischen und der armenischen apostolischen Kirche haben das Vatikan-Papier bereits begrüßt.

Nach den Worten des Catholica-Referenten der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Johannes Dieckow, zeigt das Papier, in welche Richtung der ökumenische Dialog weitergehen kann. "Die Frage, um die es geht, ist, inwiefern andere Kirchen den Papst als Sprecher aller Christen anerkennen können", sagte Dieckow dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn der Papst in ökumenischer Dimension handele, müsse er auf den im Ersten Vatikanischen Konzil formulierten Unfehlbarkeitsanspruch verzichten.

Kirchenhistoriker Wolf: "Revolution ist ausgeblieben"

Für die Kirche von England begrüßte der anglikanische Erzbischof Ian Ernest das Dokument als einen großen Erfolg. Der persönliche Repräsentant des Erzbischofs von Canterbury in Rom sagte, das Papier eröffne neue Perspektiven für die Beziehungen unter den Kirchen mit Blick auf den Papstprimat. Die katholische Kirche rief er auf, die Anregungen des Papiers aufmerksam wahrzunehmen. Wichtig sei dafür die "Neuformulierung" der Lehren über den Papstprimat. Bislang sei dies einer der größeren Stolpersteine zwischen den Kirchen.

Andere sind hingegen deutlich skeptischer. "Das ist eine Enttäuschung auf ganzer Linie", sagte der Theologe Hans-Joachim Sander von der Paris Lodron Universität Salzburg dem BR. Dass nicht der Papst selbst, sondern die Behörde von Kardinal Koch das Papier verantwortet habe, zeige: "Ökumene über das Amt des Papstes zu stellen, ist für den Vatikan keine Chefsache." Das Papier enthalte keine theologisch substanziellen Änderungsvorschläge etwa zur Unfehlbarkeit des Papstes, kritisiert Sander: "Der Primatsanspruch wird nicht relativiert." Auch der Kirchenhistoriker Hubert Wolf vermisst eine verbindliche Perspektive und rechtliche Vorschläge, wie das Papstamt konkret anders ausgeübt werden könne – und sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), die Revolution sei ausgeblieben.

Entscheidend ist wohl, was nun aus den Vorschlägen folgt. "Ich bin immer vorsichtig mit Zeitangaben, weil der eigentliche Hauptakteur in der Ökumene ist der heilige Geist, nicht wir. Und die Agenda, die zeitlichen Angaben des heiligen Geistes, die kenne ich nicht", sagt Kardinal Kurt Koch. Und so bleibt vieles offen, wann und ob es tatsächlich zu einer Neudefinition des Papstamtes kommen könnte.

Mit Informationen von KNA, epd und dpa.

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