Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hat den massiven Anstieg des Antisemitismus als "Zäsur" bezeichnet. Der Judenhass auf deutschen Straßen erinnere "an die schlimmsten Zeiten der deutschen Geschichte", sagte Haldenwang der neuen Ausgabe des Magazins "Spiegel". Seit dem Überfall der Hamas auf Israel habe es in Deutschland bereits rund 1.800 Straftaten in diesem Zusammenhang gegeben.
Verfassungsschutz rechnet mit Zunahme antisemitischer Gewalt
"Ich befürchte, dass uns diese neue Welle des Antisemitismus noch länger beschäftigen wird", sagte der Verfassungsschutzchef. Es gebe bereits jetzt "Alarmsignale, dass sich die Situation weiter zuspitzen könnte". So seien manche Wohnhäuser von Jüdinnen und Juden mit einem Davidstern "regelrecht markiert" worden. "Wir müssen damit rechnen, dass gezielt Gewalt gegen Jüdinnen und Juden verübt werden könnte", sagte Haldenwang.
"Lange stand insbesondere der rechtsextremistische Antisemitismus im Fokus des Verfassungsschutzes." Nun steige die Gefahr durch weitere Akteure, "nicht zuletzt aufgrund des islamistischen Antisemitismus", erklärte Haldenwang. Tiefer Israelhass zeige sich auch bei palästinensischen Extremisten oder antiimperialistisch eingestellten Linksextremisten.
"Wir sprechen von einer deutlich erhöhten abstrakten Gefährdung. Das heißt, wir müssen damit rechnen, dass gezielt Gewalt gegen Jüdinnen und Juden verübt werden könnte", so Haldenwang. Sollte sich der Krieg in Israel und im Gazastreifen weiter zuspitzen und es "zu aufwühlenden Bildern" kommen, könne dies "zu einer weiteren Radikalisierung auch hier in Deutschland" führen, sagte er weiter. Aufgabe von Polizei und Verfassungsschutz sei es, "intensiv zu ermitteln, ob Islamisten oder andere Extremisten mögliche Tatpläne aushecken."
Haldenwang: Größte Gefahr nach wie vor durch Rechtsextremismus
Die sozialen Netzwerke würden beobachtet, dort seien auch undercover sogenannte virtuelle Agenten unterwegs. "Falls zu Gewalt aufgerufen oder gar über Anschlagspläne diskutiert wird, wollen wir das mitbekommen", sagte Haldenwang.
Auf die Frage, ob Antisemitismus unter Migranten und radikalen Muslimen bislang unterschätzt worden sei, sagte Haldenwang, dass der Verfassungsschutz dies in seinen Lagebildern regelmäßig beleuchtet habe. "Dort finden sich auch umfangreiche Angaben zum Antisemitismus unter Anhängern von islamistischen Organisationen wie der Hamas in Deutschland, zu deren hartem Kern wir etwa 450 Personen zählen. Oder der Hisbollah mit rund 1.250 Anhängern in Deutschland." Die größte Gefahr gehe nach wie vor vom Rechtsextremismus aus.
Im Video: Bedrohung durch Terrorismus, Extremismus und Spionage wächst (16.10.23)
Mit Informationen von KNA, AFP
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!