12.06.2024, Katar, Doha: Antony Blinken, Außenminister der USA, spricht bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Premierminister von Katar
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Nahostkonflikt - Doha

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Waffenruhe in Gaza? Wie stehen Israel und Hamas zum UN-Plan?

Waffenruhe in Gaza? Wie stehen Israel und Hamas zum UN-Plan?

Die US-Regierung übt massiven Druck auf Israel und die Hamas aus, den Gaza-Krieg zu beenden. Der Weltsicherheitsrat stimmte Washingtons Plan zu. Dabei eskaliert die Sicherheitslage im Norden Israels. Gibt es eine Chance für eine Waffenruhe in Gaza?

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"Wir bewerten das alles jetzt." Mit diesen Worten bestätigte John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, dass die US-Regierung die Antwort der radikalislamischen Hamas erhalten hat. Über den Inhalt könne man noch nichts sagen. Es dürfte kein Wunder sein, dass sich das Weiße Haus bedeckt hält. Denn US-Außenminister Anthony Blinken reiste bereits Montag erneut die Region, um für die Annahme des dreistufigen Plans zur Beendigung des Gaza-Kriegs zu werben.

Das sind die Positionen von Israel und der Hamas

Eines Plans, den Washington vorab mit der israelischen Regierung abgesprochen und den Präsident Biden Ende Mai öffentlich präsentiert hat. Es galt, zwei sehr widersprüchliche Positionen zu überbrücken: Die Forderung der israelischen Regierung, die militärischen Fähigkeiten der Hamas vollständig zu zerstören, die Geiseln zu befreien und sicherzustellen, dass vom Gazastreifen nie wieder eine Gefahr für Israel ausgehen kann.

Die Hamas wiederum verlangte einen dauerhaften Waffenstillstand, den Abzug aller israelischen Truppen aus dem Gazastreifen, die Rückkehr der vertriebenen Palästinenser in den Norden des Küstenstreifens sowie die Freilassung der palästinensischen Gefangenen aus israelischer Haft. Als Lösungsvorschlag offerierte US-Präsident Biden in Absprache mit Premierminister Netanjahu den sogenannten Drei-Stufen-Plan.

Was sieht der Drei-Stufen-Plan vor?

Der Drei-Stufen-Plan Washingtons, den der UN-Sicherheitsrat am Montag mit 14 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung Russlands angenommen hat, sieht in der ersten Phase eine sofortige Waffenruhe vor. Diese soll sechs Wochen andauern. In diesem Zeitraum werden israelische Geiseln freigelassen, die älteren und verwundeten Geiseln sowie die weiblichen Geiseln. Im Gegenzug werden palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freigelassen. Die israelischen Streitkräfte ziehen sich aus den Städten und Bevölkerungszentren im Gazastreifen zurück. Palästinensische Vertriebene können wieder in ihre – weitgehend zerstörten - Wohnorte im Norden des Gazastreifens zurückkehren, was ihnen bislang von der israelischen Armee verwehrt wird.

Und schließlich: Die Hilfslieferungen in den Gazastreifen werden massiv erhöht. Während dieser ersten sechs Wochen einer Waffenruhe verhandeln beide Seiten weiter über einen dauerhaften Waffenstillstand, um Phase zwei zu erreichen: Den vollständigen Abzug der israelischen Truppen, die Rückkehr aller Geiseln nach Israel und die Freilassung von weiteren palästinensischen Häftlingen aus israelischen Gefängnissen. Phase drei sieht die Übergabe der getöteten Geiseln sowie den Beginn des Wiederaufbaus des weitgehend zerstörten Gazastreifens vor.

Wie hat die Regierung Netanjahu reagiert?

Eine offizielle Stellungnahme des Premierministers liegt derzeit nicht vor. US-Außenminister Anthony Blinken war mit Netanjahu am Montagabend zusammengetroffen, sowie mit Verteidigungsminister Gallant und Außenminister Katz. Im Anschluss an sein Gespräch mit dem israelischen Regierungschef sagte Blinken, Israel stimme dem Drei-Stufen-Plan zu. Es bestehe ein "breiter Konsens darüber, den Vorschlag voranzutreiben." Aber, so fügte Blinken mit Blick auf den Hamas-Anführer im Gazastreifen, Jahja Sinwar hinzu: Es bleibe abzuwarten, was von der Hamas und "von ihm" kommt. Netanjahu habe sein "Engagement für das Abkommen" bekräftigt.

Öffentlich hat sich Benjamin Netanjahu allerdings nicht dazu geäußert. Wie in vergleichbaren Fällen auch, äußerte sich nur ein israelischer Offizieller ohne Namensnennung, um die Haltung der Netanjahu-Regierung zu skizzieren: Die Hamas habe "alle wichtigen und bedeutungsvollen Parameter geändert" und "den von Präsident Biden vorgelegten Vorschlag für eine Geiselbefreiung abgelehnt". Es gebe, so schreibt das israelische Nachrichtenportal "Ynet", der Online-Ableger der Tageszeitung "Yedioth Achronoth", trotz aller Bekundungen Washingtons, wonach die Hamas zustimmen müsse, innerhalb der US-Regierung große Zweifel daran, ob Netanjahu den Plan nicht "letztlich ablehnen könnte".

Netanjahus rechtsextreme Koalitions- und Kabinettsmitglieder Smotrich und Ben Gvir drohen seit Wochen und Monaten mit zunehmender Schärfe davor, die Regierung Netanjahu zu verlassen, sollte der Premier einen "Deal" mit der Hamas eingehen. Dies würde das Ende der Amtszeit Netanjahus bedeuten.

Welche Reaktionen kommen von der Hamas?

Am Dienstag übermittelte die politische Führung der Hamas eine kurze Erklärung an die Vermittlerstaaten Katar und Ägypten: Man habe auf den Drei-Stufen-Plan geantwortet. Der Wortlaut ist nicht bekannt. In dem Antwortschreiben habe die Hamas erneut "einen vollständigen Stopp der anhaltenden Aggressionen gegen den Gazastreifen" gefordert, wie die britische "BBC" berichtet.

Konkret würde die Hamas eine Garantie verlangen, dass es zu einem vollständigen Ende der Kriegshandlungen kommen müsse. Ein Mitglied des sogenannten "Politbüros" der Hamas, Izzat al-Rishq, wird mit den Worten zitiert: Die Reaktion der Hamas sei "verantwortungsvoll, ernsthaft und positiv". Sie eröffne "einen breiten Weg" zur Einigung. Das ausschlaggebende Wort hat allerdings nicht die politische Führung der Hamas, die in Katar residiert. Vielmehr ist es Jahja Sinwar im Gazastreifen, der das Terror-Massaker vom 7. Oktober befehligt hat und, so sagte US-Außenminister Blinken Anfang dieser Woche wörtlich, "zehn Stockwerke tief unter dem Gazastreifen" sei.

Amerikanische Geheimdienste seien zu der Einschätzung gekommen, dass Sinwar derzeit kein gesteigertes Interesse an einer Einigung habe. Dessen mutmaßliches Motiv: Die außenpolitische Isolierung Israels nehme angesichts der verheerenden Zerstörung im Gazastreifen mit jedem Tag zu. Man habe Israel jetzt dort, wo er – Sinwar – es haben wolle.

Eskalation an Israels Nordgrenze

Derweil droht an der Nordgrenze Israels ein Szenario, das die US-Regierung seit Monaten zu vermeiden versucht: Während das Weiße Haus in mühseliger diplomatischer Kleinarbeit auf eine Beendigung des Gaza-Kriegs drängt und den UN-Sicherheitsrat zur nahezu einstimmigen Annahme seines Gaza-Plans bewegen konnte, eskaliert die angespannte Lage zwischen der Hisbollah-Miliz im Libanon und Israel seit den Morgenstunden und hat das Potenzial, außer Kontrolle zu geraten.

In der vergangenen Nacht hatte die israelische Luftwaffe einen der hochrangigsten Kommandeure der pro-iranischen Hisbollah-Miliz sowie drei weitere Mitglieder im Süden des Libanons getötet. Nahezu postwendend reagierte die vom Iran seit Jahrzehnten hochgerüstete Hisbollah mit einem bislang beispiellos heftigen Raketenbeschuss auf den gesamten Norden Israels. Bis zu den Mittagsstunden seien über 170 Raketen abgeschossen worden, so viele, wie seit Kriegsbeginn vor acht Monaten nicht, wie israelische Medien unter Berufung auf Angaben der Armee meldeten.

Israelische Kampfflugzeuge hätten daraufhin mutmaßliche Hisbollah-Ziele im Süden des Libanons bombardiert. Genau dieses Szenario wollte US-Präsident Joe Biden mit seinen Bemühungen, den Gaza-Krieg zu beenden, verhindern: Eine erhebliche Eskalation zwischen der Hisbollah und Israels Streitkräften an der Nordgrenze.

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