Wenige Tage vor der Europawahl macht sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dafür stark, Schwerstkriminelle aus Syrien und Afghanistan abzuschieben. Wörtlich sagte er im Bundestag: "Wer unseren Schutz ausnutzt, hat unseren Schutz verwirkt." Bisher sind Abschiebungen in diese beiden Länder ausgesetzt. Das Bundesinnenministerium prüft derzeit, ob und wie sich das ändern lässt.
Scholz bleibt aber vage. Er sprach im Bundestag nicht von Abschiebungen "in" diese Länder, sondern von Menschen "aus" diesen Ländern. Und sowohl Syrer, als auch Afghanen werden aktuell abgeschoben – nur nicht in ihre Heimatländer.
Am vergangenen Freitag hatte ein Afghane in Mannheim fünf Teilnehmer einer islamkritischen Kundgebung mit einem Messer verletzt und einen Polizisten getötet. Seitdem wird wieder darüber diskutiert, das Abschiebeverbot nach Afghanistan zu lockern.
Wie viele Menschen müssen Deutschland aktuell verlassen?
Zum Stichtag 31. März 2024 waren nach Zahlen der Bundesregierung insgesamt 233.712 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig. Davon hatten 187.820 eine Duldung. Das bedeutet, dass diese Personen vorübergehend in Deutschland bleiben, weil sie nicht abgeschoben werden können. Das kann unter anderem daran liegen, dass die nötigen Papiere fehlen oder die Menschen krank sind.
In Bayern sind aktuell 27.677 Menschen ausreisepflichtig. Dazu zählen 2.141 Afghaninnen und Afghanen. Das sind etwa 7,75 Prozent der Ausreisepflichtigen.
Wie viele Menschen werden aktuell abgeschoben?
In den ersten drei Monaten des Jahres sind deutschlandweit knapp 4.800 Menschen abgeschoben worden. Das ist etwa ein Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum.
Im vergangenen Jahr haben Bund und Länder insgesamt 16.430 Menschen abgeschoben. Die meisten Menschen wurden nach Georgien, Österreich und Nordmazedonien gebracht. Die Behörden schieben auch Menschen mit afghanischem Pass ab. Im Jahr 2023 waren es 1.208. Bayern registrierte im vergangenen Jahr 2.364 Abschiebungen.
Warum werden viele ausreisepflichtige Menschen nicht abgeschoben?
Die meisten ausreisepflichtigen Menschen können nicht abgeschoben werden, weil die dafür nötigen Papiere fehlen oder die Identität nicht geklärt ist. Eine Abschiebung kann außerdem aufgeschoben werden, wenn Familienmitglieder eine Duldung haben, die Menschen hier eine Ausbildung machen oder medizinische Gründe gegen eine Abschiebung sprechen.
Im vergangenen Jahr hat die Bundespolizei zudem etwa 1.050 Abschiebungen abgebrochen. Das lag unter anderem daran, dass die Menschen Widerstand geleistet haben oder Fluggesellschaften die Beförderung abgelehnt haben.
Was macht die Bundesregierung, um Abschiebungen zu erleichtern?
Abschiebungen sind in der Regel Sache der Bundesländer. Sie werden dabei unter anderem von der Bundespolizei unterstützt. Zudem gilt seit Ende Februar das sogenannte "Rückführungsverbesserungsgesetz". Es soll helfen zu verhindern, dass Menschen vor ihrer Abschiebung abtauchen können. So wurde der Ausreisegewahrsam von 10 auf 28 Tage verlängert und die Polizei darf in Gemeinschaftsunterkünften umfangreicher durchsuchen.
Dürfen Straftäter abgeschoben werden?
Die Behörden können Ausländer aus Deutschland ausweisen, wenn sie sie Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sind. Darüber entscheidet die Ausländerbehörde vor Ort. Eine Verurteilung ist dafür nicht zwingend nötig. Wer ausgewiesen ist, muss Deutschland verlassen. Wer das nicht macht, kann abgeschoben werden.
Bundeskanzler Scholz hat sich im Bundestag dafür ausgesprochen, die Regeln für Ausweisungen zu verschärfen. Wer Terror verherrlicht oder billigt, soll nach seiner Vorstellung künftig auch ausgewiesen werden können.
Warum gibt es keine Abschiebungen nach Afghanistan?
Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte im August 2021 die Abschiebungen nach Afghanistan gestoppt. Er begründete das mit der Sicherheitslage. Wenig später übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan. Seitdem gibt es keine deutsche Botschaft mehr vor Ort, die Abschiebungen koordinieren könnte. Flüge müssten über andere Länder abgewickelt werden.
Um nach Afghanistan abschieben zu können, ist eine Zusammenarbeit mit den Taliban nötig. Die Islamisten würden dadurch aufgewertet und könnten das als Propagandaerfolg verkaufen. Der Migrationsforscher Herber Brücker vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung verweist auf die europäische Menschenrechtskonvention. Diese verbiete Abschiebungen, wenn den Menschen eine Gefahr für Leib und Leben droht. Brücker kommt im Interview mit dem Sender "Phoenix" zu dem Schluss: "Abschiebungen ist eine Lösung, die im Falle von Terrorstaaten einfach ein bisschen zu kurz gegriffen ist."
Was ist ein sicheres Herkunftsland?
Stuft die Bundesregierung ein Land als sicher ein, dann geht sie davon aus, dass es dort keine politische Verfolgung und keine anderen Gefahren gibt. Menschen von dort können weiter Asylanträge stellen. Diese werden dann schneller bearbeitet. Es soll auch schneller dorthin abgeschoben werden. In Deutschland gelten alle EU-Länder als sicher. Außerdem Albanien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Ghana, Kosovo, Nordmazedonien, Moldau, Montenegro, Senegal sowie Serbien.
Im Video: Kanzler Schulz zu Abschiebungen nach Afghanistan
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