Was denken Polizistinnen und Polizisten über Asylbewerber, Muslime oder Wohnungslose? Dieser und anderen Fragen sind Forscherinnen und Forscher der Deutschen Hochschule der Polizei seit gut zwei Jahren nachgegangen. Heute erscheint ein erster Zwischenbericht. BR24 liegt er schon vor.
Einstellungen widersprechen Leitbild der Polizei
Das Forscherteam der Hochschule für Polizei in Münster hat versucht durch verschiedene Fragen zum Beispiel herauszufinden, wie sexistisch, fremdenfeindlich oder antisemitisch Polizistinnen und Polizisten denken.
So sind bei fast 30 Prozent der Befragten Tendenzen zu erkennen, Asylsuchende abzuwerten. Knapp zehn Prozent lassen in ihren Antworten Muslimfeindlichkeit erkennen. Fast jeder Fünfte unterstützt chauvinistische Einstellungen oder äußert sich nicht eindeutig ablehnend.
Das Zwischenfazit der Forscher: In jedem untersuchten Bereich gibt es mehr als nur Einzelfälle, bei denen die Einstellung nicht in Einklang zu bringen ist mit den Leitbildern der Polizei. Zudem gebe es einen klar erkennbaren Personenkreis, der nicht eindeutig oder zögerlich auf Fragen zu Demokratie und Vielfalt antwortet.
Meist denken Polizistinnen und Polizisten nicht anders als der Querschnitt der Gesellschaft. Doch gegenüber Muslimen und Wohnungslosen sind die Vorurteile der Beamten und Beschäftigten ausgeprägter als im Rest der Bevölkerung. Woran das liegt, wollen die Forscherinnen und Forscher jetzt genauer analysieren. Das Projekt läuft noch mehr als ein Jahr.
"Racial Profiling" wurde nicht untersucht
Ob die individuellen Einstellungen auch das Handeln der Polizistinnen und Polizisten in ihrem Alltag bestimmt, lässt sich durch die Studie bisher nicht eindeutig beantworten. Ob etwa bestimmte Personengruppen häufiger kontrolliert werden als andere – Fachleute sprechen von "Racial Profiling" – haben die Forscher nicht untersucht. Fehlverhalten wie sexistische oder rassistische Äußerungen seien zwar kein Alltag bei der Polizei, aber auch keine absolute Ausnahme.
Für die Studie werten die Forscherinnen und Forscher knapp 51.000 Fragebögen aus, fahren mit auf Streife und befragen Fachleute. Bis auf Hamburg und Baden-Württemberg machen alle Bundesländer mit. Es ist eine der umfassendsten Polizeistudien. Gefördert wird sie vom Bundesinnenministerium.
Seehofer hatte sich lange gegen Studie gesperrt
Ins Rollen gekommen war die Studie nach Rassismusvorwürfen gegen die Polizei im Sommer 2020. Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich jedoch dagegen gewehrt, eine Rassismus-Studie zu starten. Er wollte die Beamtinnen und Beamten mit so einer Untersuchung nicht unter Generalverdacht stellen. Deshalb entschied sich Seehofers Ministerium eine umfassendere Befragung zu Einstellungen und Motivationen zu fördern. Das Projekt läuft noch bis zum Ende August 2024.
Bis dahin wollen die Autorinnen und Autoren der Studie die Ergebnisse nicht nur genauer analysieren, sondern auch Handlungsempfehlungen für Polizei und Politik geben. Erst dann wird es wohl auch eine Einschätzung des Bundesinnenministeriums geben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will sich jedenfalls bisher nicht zu den Zwischenergebnissen äußern.
Hohe Motivation bei Polizistinnen und Polizisten
Schon jetzt lässt sich sagen, dass knapp 60 Prozent der Polizistinnen und Polizisten zufrieden sind mit ihrem Job. Knapp 15 Prozent äußern sich unzufrieden. Dreiviertel der Befragten identifizieren sich stark mit ihrer Arbeit.
Demotivierend wirken allerdings Personalmangel, zu viel Bürokratie und Enttäuschungen über das Justizsystem. Auch Konflikte mit Vorgesetzten und Kollegen oder Beleidigungen und Angriffe im Arbeitsalltag drücken die Zufriedenheit.
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