Am 10. Februar 1970 hatten palästinensische Terroristen am ehemaligen Flughafen München-Riem einen Anschlag auf Passagiere einer israelischen Fluglinie verübt. Heute wurde dort ein Erinnerungsort eingeweiht.
Schon von weitem sieht man die goldenen Uhren in der Sonne glänzen: Die Künstlerin Alicja Kwade hat für das Denkmal drei Ziffernblätter geschaffen, die die Zeiten der Detonationen des Anschlags zeigen. Denn in Bruchteilen von Sekunden hatten zwei Männer Entscheidungen getroffen, die Schlimmeres verhinderten: Flugkapitän Uriel Cohen stürzte sich auf einen der drei bewaffneten Terroristen und wurde schwer verletzt. Wenig später warf sich der Passagier Arie Katzenstein auf eine explodierende Handgranate und schützte mit seinem Tod andere vor der Detonation. Insgesamt wurden 11 Menschen teils schwer verletzt.
Arie Katzensteins Kinder erzählen von ihrem Vater
Bei der heutigen Einweihung des Erinnerungsortes am ehemaligen Flughafen München-Riem sprachen die drei Kinder von Arie Katzenstein. Sichtlich bewegt erzählten sie von ihrem lebensfrohen Vater, den sie selbst kaum kennenlernen durften.
Der feierliche Gendenkakt fand in der Firmenzentrale des Medizinunternehmens Brainlab statt, das das Projekt wesentlich unterstützte; direkt neben dem Ort des Geschehens steht das Denkmal auf dem Firmengelände. Firmengründer Stefan Vilsmeier betonte, dass er, obwohl er kaum 10 Kilometer entfernt aufgewachsen ist, von dem Anschlag nichts gewusst habe. Als er das erste Mal davon erfahren habe, sei er fassungslos gewesen, "dass ein solches Ereignis in München geschehen konnte, ohne einen festen Platz in München zu finden".
Beginn einer ganzen Serie von Anschlägen
Als Unternehmer sehe er sich als Teil der Zivilgesellschaft und fühle sich verpflichtet, einen positiven Beitrag zu leisten. Für die Stadt München ist es die erste Privat-Public-Partnership überhaupt. Oberbürgermeister Dieter Reiter erinnerte in seiner Rede daran, dass der Anschlag der Beginn einer ganzen Serie terroristischer Anschläge auf Juden und jüdische Einrichtungen war: Wenige Tage später gab es einen Brandanschlag auf ein Altenheim der israelitischen Kultusgemeinde in der Reichenbachstraße. Auch ein von München aus ausgeführter Paketbomben-Anschlag auf ein Flugzeug geht auf das Konto palästinensischer Terroristen zurück, die Bombe explodiert am 21. Februar 1970 an Bord einer Swiss Air Maschine und riss 47 Menschen in den Tod.
Den Terroranschlag in Riem habe man "in seiner Bedeutung und Tragweite damals eklatant unterschätzt", sagte Dieter Reiter und stellte die naheliegende Frage: Ob man sich angesichts dieser Reihe von Terroranschlägen für die Olympischen Spiele 1972 nicht hätte besser vorbereitet sein können?
Ein klares, weithin sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus
Reiter hob die Bedeutung des Ortes hervor, weil der Anschlag vielfach in Vergessenheit geraten sei. Mit dem Erinnerungsort setze die Landeshauptstadt München "ein weiteres wichtiges und klares Zeichen gegen antisemitischen Terror", so der Münchner Oberbürgermeister. Er empfinde es als "beschämend", dass es so lange gedauert habe, bis endlich öffentlich an das "furchtbare Attentat vom 10. Februar 1970" erinnert werde. "Dafür bitte ich um Entschuldigung."
Die Präsidentin des Bayerischen Landtags Ilse Aigner erinnerte daran, dass mit Arie Katzenstein das erste Terroropfer auf deutschem Boden nach 1945 ein Jude war und mahnte vor dem heute wieder grassierenden Antisemitismus.
Dokumenten und Interviews der Hinterbliebenen
Die Familien der Hinterbliebenen dankten der deutschen Regierung aber auch für ihre Unterstützung in Zusammenhang Israels mit der Geiselnahme durch die Hamas im am 7. Oktober. "Sie können sich nicht vorstellen, wie wichtig es ist, die israelische Flagge am Münchner Rathaus wehen zu sehen", sagte Arie Katzensteins Tochter sichtlich bewegt.
Ein klares, weithin sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus und Gewalt setzt nun der Erinnerungsort München-Riem 1970: Neben der über acht Meter hohen Metallskulptur erinnert auch eine Tafel an das Geschehene, über einen QR-Code gelangt man zudem zu einer digitalen Ausstellung mit Filmen, Dokumenten und Interviews der Hinterbliebenen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!