Hebertshausen ist nur wenige Kilometer entfernt von Dachau. Hier wächst Maria Seidenberger in der NS-Zeit auf und sieht, wie die ersten KZ-Häftlinge an ihrem Fenster vorbeigetrieben werden. Bilder, die dazu führen, dass sie mit 17 Jahren in den Widerstand geht. Die junge Fotolaborantin habe damals Aufnahmen von Häftlingen gemacht, was streng verboten war, erzählt Pfarrer Björn Mensing von der Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau.
18 Frauen des politischen Widerstands im Porträt
Dort porträtiert eine neue Ausstellung das Engagement von Frauen wie Maria Seidenberger. Mit ihren Fotos hat Seidenberger den Familien der Häftlinge, die sie fotografiert hatte, ein Lebenszeichen geschickt. Kurz vor Kriegsende fotografierte sie auch den Todesmarsch, mit dem die SS die noch lebenden Häftlinge buchstäblich in den Tod treiben wollte.
Es gab mehr als 100 Vorschläge: Lebensgeschichten von Frauen, die sich in der NS-Zeit gegen das Regime gestellt haben. 18 herausragende Beispiele davon werden nun in der Ausstellung "Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus" gezeigt. Ausgewählt hat sie Rieke Harmsen vom Evangelischen Presseverband Bayern. Sie ist eine Großnichte der vom NS-Regime ermordeten Brüder und Widerstandskämpfer Hans-Bernd und Werner von Haeften, von denen Letzterer mit Stauffenberg am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler verübten.
"Die Hauptidee war, die Vielfalt zu zeigen, die es im Widerstand gab", sagt Harmsen. Entsprechend kommen die Frauen, die in der Schau zu sehen sind, aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus, haben verschiedene soziale Herkünfte und leisteten auf ganz unterschiedliche Art und Weise Widerstand.
Von der Spionin zur Heiligen
So ist dort etwa auch die Geschichte von Noor-un-Nisa Inayat Khan zu sehen. Als Tochter eines indisch-muslimischen Sufi-Meisters wächst sie pazifistisch in England und Frankreich auf. Angesichts der Nazi-Gräuel lässt sie sich bei der britischen Luftwaffe zur Spionin ausbilden, greift aber bis zu ihrer Ermordung 1944 in Dachau nie selbst zur Waffe.
Sie gelte deshalb als Heilige, sagt Tanja Mancinelli von der internationalen Sufi-Gemeinschaft Inayatiyya: "Noor-un-Nisa hat sehr stark nach den Idealen gelebt, die ihr Vater ihr beigebracht hat, die Ideale der Liebe, der Opferung und sie ist für diese Ideale letztlich gestorben und hat ihr Leben gegeben. Und deswegen wird sie dann als Heilige in unserem Orden verehrt."
Als sanftes, geradezu zartes Wesen, das aber dann nicht tatenlos zusehen wollte: So kennt Tara Dundas-Harper ihre Großtante Noor-un-Nisa Inayat Khan aus den Erzählungen ihrer Großmutter. "Ich finde, dass all diese Geschichten zeigen, dass wahrer Mut, wahre Kraft keine Frage des Geschlechts sind", sagt Dundas-Harper und ist überzeugt: "Jeder von uns hat die Macht, gegen Ungerechtigkeit aufzustehen."
Selbsternannte "Polit-Putze" entfernt rechtsextreme Parolen
Das zeigt auch das Engagement von Irmela Mensah-Schramm, deren Porträt ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist. 1945 geboren, entfernt sie seit Jahrzehnten rechtsextreme Sprüche von Wänden und Türen. Sie selbst nennt sich augenzwinkernd "Polit-Putze" – und knüpft an ihr Engagement auch eine politische Botschaft: "Nicht weggucken. Jeder kann etwas tun. Man muss einfach den Mut aufbringen, zu sagen: Ich bin gegen den Aufkleber und weil ich dagegen bin, kommt der ab."
Ein Einsatz, der augenscheinlich notwendig ist: Selbst auf dem Hinweg zur Ausstellungseröffnung hat Mensah-Schramm zwei Aufkleber mit Nazi-Parolen abgekratzt – und zwar auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.