Die Herz-Installation des Künstler Michael Pendry steht ab heute an zentraler Stelle im Münchner Frauendom.
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Die Herz-Installation des Künstler Michael Pendry steht ab heute an zentraler Stelle im Münchner Frauendom.

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Münchner Frauendom bekommt Mahnmal zu Missbrauch

Münchner Frauendom bekommt Mahnmal zu Missbrauch

Betroffene und Kleriker bringen in der Münchner Frauenkirche gemeinsam ein durchlöchertes Herz an, es soll an sexualisierte Gewalt im Erzbistum erinnern. Ein Symbol, in dem sich viele Betroffene wiederfinden. Doch nicht alle begrüßen die Aktion.

"Es ist ein schwerer Gang hier vor zum Altar, denn wenige von uns gehen noch in Kirchen", sagt Richard Kick. Der Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum München und Freising steht mitten im Münchner Frauendom, bei den Vorbereitungen zum Gottesdienst am Sonntagabend. Dort werden mehr als 50 Menschen, die Missbrauch in der Kirche erlebt haben, erwartet. Bei einem abendlichen Gottesdienst mit Musik, Lichtinstallation, einer eigens entwickelten Liturgie, wird ein symbolträchtiges Kunstwerk am Altar angebracht. Ein filigranes Herz, löchrig, aus Metall: Es soll an die Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche erinnern.

Das Herz war schon beim Papst

Das Herz hat der Münchner Künstler Michael Pendry gestaltet. Eher zufällig haben es Missbrauchsbetroffene für sich entdeckt. Michael Pendry war einverstanden, es nun den ganzen Missbrauchsgeschichten zu widmen. "Meine Intention ist, dass ich Kunst nicht mache, um zu schockieren. Ich möchte den Leuten etwas mitgeben, was die Leute im positiven Sinn berührt", sagt der Künstler.

Eine andere Version des durchlöcherten Herzens hat eine Gruppe von Missbrauchsbetroffenen im Mai vor zwei Jahren dem Papst nach Rom gebracht. Mit dem Rad pilgerten sie damals nach Rom und hatten unterwegs Kontakt zu italienischen Kirchengemeinden, um auch dort auf das Thema sexueller Missbrauch aufmerksam zu machen.

Betroffenenbeirats-Sprecher: Viele finden sich in Skulptur wieder

Nun kommt eine weitere Version des durchlöcherten Herzens ins Herz von München: an den Altar der Frauenkirche. Die vielen Kleriker, die kommen, sollen vor allem zuhören. Man wolle all das, was passiert ist, nicht ausklammern, sondern noch mal an den Ort des Geschehens bringen - in die Kirche, sagt Andrea-Elisabeth Lutz, Kulturmanagerin im Erzbistum München und Freising im BR-Interview.

Mit dem Mahnmal in der Frauenkirche geht ein langer Weg zu Ende, so empfindet es Richard Kick. Seit er mit dieser Herzskulptur beim Papst war, konnten offenbar viele Betroffene sich mit ihren Erfahrungen in dieser Skulptur wiederfinden. "Wir haben es nicht fassen können, dass dieses Herz so viel Resonanz bekommen hat. Viele Betroffene erkennen sich selbst in diesem Herzen, das zerklüftet ist, zerbrechlich wirkt." Es mache ihn ein Stück weit glücklich, weil sich die Erzdiözese München und Freising öffentlich in diesem Mahnmal zu den Verbrechen aus den eigenen Reihen bekenne.

Kritikerin bemängelt Aktion als "Ablenkungsmanöver"

Doch es gibt auch kritische Stimmen: Die ehemalige Sprecherin des Münchner Betroffenenbeirats, Agnes Wich, sprach etwa von einem "Ablenkungsmanöver".

"Prinzipiell begrüße ich eine Erinnerungskultur für die Vielzahl der sexuellen Missbräuche in der katholischen Kirche", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. "Ein Mahnmal sollte jedoch erst, wie allgemein üblich, installiert werden, wenn die Verantwortlichen dieser Kirche sich den nach wie vor immer noch zu bewältigenden Themen und Anliegen der vielen Missbrauchsopfer wie angemessene Entschädigungszahlungen, schonungslose Aufarbeitung, Aufhebung der Verjährungsfristen bedingungslos stellen."

Auch die Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch" sieht die Aktion kritisch. Ein Mahnmal gegen Missbrauch solle "die Verantwortung der Institution für das Leid der Betroffenen benennen", sagte Sprecher Matthias Katsch. "Das sehe ich in dem konkreten Kunstwerk nicht repräsentiert." Außerdem bemängelt er, dass über den Beirat hinaus keine weiteren Betroffenen in die Aktion einbezogen worden seien.

Herz bleibt bis Ostern am Altar stehen

Einige Wochen lang, bis Ostern, soll das Herz am Altar der Münchner Frauenkirche bleiben, dann bekommt es einen dauerhaften Platz in der Krypta.

Kardinal Reinhard Marx sagte am Sonntag bei einem Gottesdienst, Erinnerung bedeute nicht, man schließe etwas ab, sondern mache es lebendig. Die Erzdiözese betonte in einer Stellungnahme, bei dem Mahnmal handle es sich um ein vom unabhängigen Betroffenenbeirat initiiertes Projekt, das die Erzdiözese finanziell und organisatorisch unterstützt habe. Die Betroffenen hätten sich den Liebfrauendom als Ort des Erinnerns explizit gewünscht.

Mit Informationen von dpa

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