Ein Wolf stibitzt einem Landarbeiter dessen Schutzhelm. Ein Wolf streift rund um einen Discounter, ein anderer trabt einen Autobahnzubringer entlang. Der im Allgäu aufgewachsene Regisseur Ralf Bücheler arbeitet oft mit als "Schockmoment" bezeichneten Bildern: Bildern, die immer wieder im Internet auftauchen – in den sozialen Medien viel geklickte Handyvideos von Begegnungen zwischen Tier und Mensch.
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Auf der Spur des Wolfes
Der Wolf löst in uns Menschen immer noch Furcht und Schrecken aus. Diesen irrationalen Ängsten geht der Film nach, verfolgt das kulturhistorisch – von den Märchen vom bösen Wolf bis zu Redewendungen wie "homo homini lupus": Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf – ein Ausdruck, der immer wieder zitiert wird.
Ralf Büchelers Dokumentarfilm beginnt mit einem Tier, das auf einer Landstraße angefahren wurde und verendet ist. Der Regisseur beobachtet Vorkommnisse rund um den Wolf – er wertet nicht. So gibt es keine Kommentierungen zu den Bildern auf der Leinwand. Bücheler führt auch keine Interviews. Er schaut einfach zu. Bei Bauern-Demonstrationen gegen den Wolf, bei geführten Touren durch Wald und Flur, bei Menschen, die wissenschaftlich fundiertes Wolfsmanagement betreiben, bei politischen Hearings mit Experten.
Dem Wolf auf der Spur
Vor allem ist der Regisseur aber dem Wolf selbst auf der Spur, nutzt etwa das Material von in der Natur installierten Wildtierkameras. Visuell am spannendsten sind die mit Nachtsichtgeräten aufgenommenen Szenen: Durch Schnitt und Musik werden etwa die schwarz-weißen Bilder eines Kampfes zwischen Wolf und Hirsch zu einem experimentellen Tierdrama, das mit den bizarr unwirklichen Aufnahmen, die auch einem Horror- oder Science-Fiction-Film entstammen könnten, assoziativ raffiniert umgeht. Wer hat Angst vorm bösen Wolf?
Stundenlang könnte man dem kundigen Experten zuhören, der eine Gruppe interessierter Menschen durch den Wald führt und das Verhalten und die faszinierenden Talente des Wolfes erklärt. Merke: Vor ihm muss keiner Angst haben – der Mensch gehörte nie zu seinem Beuteschema. Der Biologe macht aber klar, wie nahe er uns immer wieder kommt, meist, ohne dass wir es bemerken.
Das 39. DOK.fest München
Der Wolf wird entmythologisiert in diesem informativen, sehenswerten Film, der so endet, wie er begonnen hat: mit Aufnahmen eines Tieres, welches seinen Platz sucht in der vom Menschen geprägten Kulturlandschaft.
Das DOK.fest München zeigt vom 1. bis 12. Mai 2024 insgesamt 109 Filme aus 51 Ländern in den Kinos, ein Großteil davon vom 6. bis 20. Mai auch per Stream. Schwerpunkte der 39. Festivalausgabe sind der Zustand der Demokratie, Online-Überwachung, KI und Kulturthemen.
Video: Trailer von "Im Land der Wölfe"
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