Nando Petri sitzt in seinem Büro in Regensburg. Vor ihm: drei Bildschirme. Er sucht auf der Plattform Reddit nach jungen Menschen, die Hilfe suchen oder von Problemen berichten.
Ein Beitrag weckt seine Aufmerksamkeit: Ein User schreibt, dass er Tipps braucht. Er habe das Gefühl, dass ihm alles über den Kopf wachse. Dazu kämen Ärger in der Familie und Probleme im Studium. Außerdem ziehe er sich immer mehr sozial zurück. Nando Petri antwortet auf den Post. Er bietet seine Unterstützung an, hinterlässt seine Kontaktdaten und verlinkt einen Online-Ratgeber zum Thema psychische Gesundheit. Und: Er erklärt, wer er ist - ein digitaler Streetworker des Bayerischen Jugendrings.
Rund ein Dutzend Kontakte pro Tag
Mehrere Tausend Reddit-Posts filtert ein Bot aus den unzähligen Beiträgen auf der Plattform. Das Programm erkennt Signalwörter, die auf Probleme und sich anbahnende Krisen hindeuten. Bei etwa zehn bis 15 Beiträgen am Tag werden Petri und sein Kollege Katha Röhrl aktiv und antworten mit einem Hilfsangebot. In vielen Fällen antworten die Angeschriebenen tatsächlich. Dann folgen oft Chats, Telefonate oder sogar Treffen, bei denen Auswege gesucht werden.
Die Themen sind vielfältig, sagt Katha Röhrl. Es geht um Probleme in der Schule oder Ausbildung, Schwierigkeiten in der Familie, Suchtprobleme und auch psychische Herausforderungen. Eigentlich könne man mit fast allem zu ihnen kommen, sagt Röhrl. "Nur bitte nicht mit Chemie-Hausaufgaben."
Hilfe für junge Menschen aus Bayern
Finanziert wird das Projekt "Digital Streetwork" vom bayerischen Sozialministerium. Es richtet sich an Jugendliche aus Bayern zwischen 14 und 27 Jahren. In jedem Regierungsbezirk gibt es digitale Streetworker, in der Regel zwei. Oft haben sie sich auf einzelne soziale Medien und bestimmte Themen spezialisiert. Dass man im Netz nicht sehen kann, woher ein Hilfesuchender kommt, spielt dabei im ersten Schritt keine Rolle.
1.700 Beratungs-Chats in einem Jahr
Geholfen wird grundsätzlich jedem, auch wenn Menschen außerhalb Bayerns oder der Altersgruppe dann schnell an andere Hilfsangebote verwiesen werden. Allein im ersten Halbjahr 2024 haben die digitalen Streetworker in Bayern mit 2.000 Menschen Kontakt gehabt und rund 1.700 Beratungsgespräche oder -chats geführt.
Kein Therapie-Ersatz
Man begleite die Hilfesuchenden nur, sagt Katha Röhrl, aber natürlich fiebere man mit und sei glücklich, wenn es Erfolge gibt. Was sie aber nicht ersetzen könnten, sei die professionelle Hilfe in akuten Notsituationen oder bei schweren psychischen Problemen.
Die Sozialarbeiter verstehen sich als Ersthelfer - am besten schon, bevor sich eine Krise anbahnt. Das Ziel ist eher, die jungen Menschen - wenn nötig - an geeignete Angebote in ihrer direkten Umgebung zu vermitteln. Das können Selbsthilfegruppen oder auch Therapieangebote sein.
"Könnte 27 Stunden am Tag arbeiten"
Trotzdem sind die Themen, mit denen die digitalen Streetworker konfrontiert werden, oft hart. Bei der Bewältigung hilft der stetige Austausch im Team.
Und am Feierabend müssen auch mal alle Dienstlaptops und -handys konsequent ausgeschaltet werden, sagt Katha Röhrl. Das gelinge ganz gut. Er wisse, dass er in der Arbeitszeit nur gute Hilfe anbieten kann, wenn die Work-Life-Balance stimmt. Denn: "Ich könnte 27 Stunden am Tag arbeiten und online sein und immer jemanden finden, der gerade Hilfe braucht."
💡 Telefonseelsorge: Angebot für alle
Für Menschen in Notsituationen aller Art gibt es verschiedene Hilfsangebote. Speziell für Bayern sind da etwa die Krisendienste Bayern. Erreichbar ist die Hilfe-Hotline gebührenfrei unter 0800 6553000 oder im Internet. Ein weiteres Hilfsangebot für Menschen in seelischen Notlagen mit einer langen Tradition ist die Telefonseelsorge. Getragen wird das kostenlose und anonyme Angebot seit mehr als sechs Jahrzehnten im Wesentlichen von den christlichen Kirchen. Doch die Telefonnummern 0800 1110111 und 0800 1110222 sind für alle Menschen offen.
Die digitalen Streetworker findet man hier: https://www.digital-streetwork-bayern.de/fach/
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