Friedrich Merz steht mit seiner Mailbox-Nachricht durchaus in einer politischen Tradition - auch wenn das Medium Mailbox am Aussterben ist.
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Friedrich Merz steht mit seiner Mailbox-Nachricht in einer politischen Tradition - auch wenn das Medium Mailbox am Aussterben ist.

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Merz und die Grünen: Wenn die Verhandlung am Piep-Ton zerbricht

Merz und die Grünen: Wenn die Verhandlung am Piep-Ton zerbricht

Friedrich Merz wollte die Grünen per Anrufbeantworter für sein Finanzpaket gewinnen und scheiterte. Die Episode markiert nicht nur ein politisches Missverständnis, sondern auch den Niedergang einer Kommunikationsform, die einst Geschichte schrieb.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Ich habe Frau Haßelmann unmittelbar nach Ende unserer Sondierungsgespräche informiert, ihr eine Nachricht hinterlassen", berichtete Friedrich Merz nach dem Sondierungsgespräch mit der SPD. Was der CDU-Chef als gewöhnlichen Kommunikationsversuch betrachtete, geriet zum Politikum. Denn nach Darstellung der Grünen bot Merz statt einer ernsthaften Verhandlung lediglich an, "irgendwo das Wort Klima vielleicht noch in einer Begründung" zu erwähnen, wie die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner süffisant aus der Nachricht zitierte.

Dabei waren telefonische Nachrichten einst sowas wie das digitale Epizentrum politischer Kommunikation. Helmut Kohl steuerte seine Partei einst bis in ihre kleinsten Details aus dem Kanzleramt – mit berüchtigten Telefonanrufen. Und die berühmte rote Leitung zwischen Washington und Moskau war zwar keine Mailbox im eigentlichen Sinne, verkörperte aber die gleiche Idee: Wichtige Nachrichten dürfen nicht verloren gehen, selbst wenn der Empfänger gerade wandern ist – wie im Falle Britta Haßelmanns.

Merz' Mailboxnachricht steht in einer langen Tradition

Folgenschwere Mailbox-Nachrichten haben eine gewisse politische Tradition. Im Dezember 2011 hinterließ der damalige Bundespräsident Christian Wulff BILD-Chef Kai Diekmann eine folgenreiche Nachricht: "Ich rufe Sie an aus Kuwait. Bin grad auf dem Weg zum Emir", begann Wulff, um dann zu warnen: Eine Veröffentlichung der Details seines Eigenheimkredits "würde zum endgültigen Bruch mit dem Springer-Verlag führen." Wulffs emotionale Botschaft gelangte an die Öffentlichkeit und wurde zum Meilenstein auf seinem Weg zum Rücktritt als Bundespräsident.

Noch dramatischer wirkte 1870 die Emser Depesche – gewissermaßen die Mailbox-Nachricht des 19. Jahrhunderts. Bismarck kürzte ein Telegramm über ein Gespräch zwischen König Wilhelm I. und dem französischen Botschafter ein und machte es öffentlich – wohl wissend, welchen Affront er damit produzierte. Die manipulierte asynchrone Kommunikation führte zum Deutsch-Französischen Krieg und letztlich zur Reichsgründung – ein mahnendes Beispiel für die Macht verkürzter Botschaften.

Der digitale Niedergang einer revolutionären Erfindung

Was einst als revolutionäre Erfindung galt – Nachrichten asynchron zu empfangen – ist heute ein digitales Auslaufmodell. Laut o2 Telefónica ist die Anzahl hinterlassener Voicemails im o2-Mobilfunknetz 2024 um rund zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Zwar landet noch immer etwa jeder zehnte Anruf insgesamt auf der Mailbox, und täglich werden eine "mittlere zweistellige Millionenzahl" von Nachrichten hinterlassen. Doch der Abwärtstrend ist unaufhaltsam.

"Hat Friedrich Merz echt gedacht, er kann mit uns Verhandlungen per Mailbox führen?", spottete die Grünen-Bundestagsabgeordnete Lisa Badum auf "X." Die Antwort lautet vermutlich: Ja, das hat er tatsächlich gedacht. Und das ist kein individueller Fehlgriff – eher ein Generationenkonflikt der digitalen Kommunikation.

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Der Anrufbeantworter war einst ein Statussymbol. In den 1980er Jahren signalisierte das Gerät: Hier ist jemand so wichtig, dass man selbst bei Abwesenheit eine Chance bekommt, Kontakt aufzunehmen. Manche Menschen führten regelrechte Beziehungen über den Anrufbeantworter.

Während die klassische Mailbox ausstirbt, feiern Sprachnachrichten in neuer Form ein Comeback. Auf WhatsApp und anderen Messengern sind die gesprochenen Botschaften beliebter denn je. Der entscheidende Unterschied: Hier sieht man, ob und wann die Nachricht gehört wurde. Die digitale Lesebestätigung schafft Gewissheit.

Die WhatsApp-Sprachnachricht ist ein bewusster Akt – der Sender entscheidet sich aktiv für diese Kommunikationsform. Die Mailbox hingegen ist das passive Auffangbecken für gescheiterte Anrufversuche, eine digitale Sackgasse. Merz' Situation zeigt das Dilemma: Eine wichtige Botschaft, aber der falsche Kanal.

Die Mailbox - Sinnbild der politischen Kommunikation?

Was als politische Annäherung gedacht war, wurde unfreiwillig zur Metapher für die kommunikativen Gräben zwischen den Parteien. Der Vorfall unterstreicht, wie schwer es geworden ist, politische Botschaften so zu übermitteln, dass sie beim Empfänger wie beabsichtigt ankommen.

Das Schicksal des 500-Milliarden-Euro-Pakets mag noch ungewiss sein. Das Schicksal der Mailbox als relevantes Kommunikationsmedium scheint hingegen besiegelt. Friedrich Merz' Anrufbeantworter-Diplomatie wird vielleicht als eine der letzten großen Mailbox-Episoden in die politische Geschichte eingehen – als Sinnbild für die Herausforderungen politischer Kommunikation in einer Zeit, in der jeder spricht, aber nicht alle einander zuhören.

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