Pierre Kaiser ist drahtig, richtig durchtrainiert und überall bunt tätowiert. Das fällt in der Umkleidekabine sofort auf. Mindestens einmal pro Woche trainiert der 35-Jährige bei seinem Verein, dem TSV Brand in Eckental im Landkreis Erlangen-Höchstadt. Pierre Kaiser schnürt sich den Fußballschuh. Nur einen, denn das andere Bein des Sozialpädagogen fehlt seit einem Zugunfall.
Pierre Kaiser: Einziger Beinamputierter mit Liga-Pass
Pierre Kaiser war damals 18 Jahre alt. Lange gehadert hat er mit seinem Schicksal nicht. Im Gegenteil. Nach dem Unfall fängt er mit dem Fußballspielen an, denn gut kicken lasse sich auch mit nur einem Bein. "Du nimmst die Krücken, läufst los und schießt, ganz einfach", so Kaiser, dessen zweite Mannschaft eine Spielgemeinschaft mit dem oberfränkischen FC Dormitz betreibt: die "SG DormitzBrand 2".
Das beinamputierte Fußballspielen macht Kaisers Geschichte noch nicht zur außergewöhnlichen, denn Spieler mit ähnlichem Schicksal gibt es viele. Pierre Kaiser aus Eckental ist bisher aber der einzige in Bayern, der einen Spielerpass bekommen hat für den offiziellen Regelbetrieb. Pierre läuft in der A-Klasse mit seiner Mannschaft regelmäßig bei Pflichtspielen auf. Gleich bei seinem ersten Einsatz bringt er dem Team Glück. Nach seiner Einwechslung gegen den TSV Behringersdorf erzielt sein Teamkollege den 2:1-Siegtreffer. Ein gelungenes Debüt für Kaiser. "Hier mitzuspielen, ist nochmal eine ganz andere Motivation."
Spiel-Antrag beim BFV reibungslos
Einfach nur mittrainieren in Eckental, das war Pierre Kaiser nicht genug. Match-Erfahrung sammelte er bereits umfassend als Spieler in der Amputierten-Mannschaft "Anpfiff Hoffenheim" und in der Amputierten-Nationalmannschaft. Warum eigentlich nicht auch auflaufen im regulären Spielbetrieb nicht beeinträchtigter Spieler. Dieser Gedanke lässt den ehrgeizigen Sportler nicht mehr los. Gemeinsam mit Uwe Mauckner wird der Antrag beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV) gestellt. Mauckner ist Vorsitzender für den Bezirk Mittelfranken und ein Pragmatiker. "Wir haben uns nicht die Frage gestellt, warum das nicht gehen soll, sondern einfach gemacht."
Binnen weniger Tage ist der Antrag durch. Pierre Kaiser bekommt seinen Pass, darf auflaufen und ist damit Bayerns erster beinamputierter Fußballspieler im regulären Spielbetrieb des BFV. Ein riesiger Erfolg. 90 Minuten durchspielen kann Pierre Kaiser zwar nicht, da ist er Realist, aber im Sturm kann er durchaus zum Erfolg einer Partie über gewisse Strecken beitragen.
Pierre Kaiser: Botschafter der Inklusion
Die Krücken dürfen dabei den Ball nicht berühren, sonst werde das wie ein Handspiel gewertet. Anfangs hatte der ein oder andere Gegenspieler vielleicht noch etwas Berührungsängste, lacht Kaiser, aber das hätte sich schnell gelegt. Er wolle nicht mit Samthandschuhen angepackt werden. Im Gegenteil. Ein ehrlicher Zweikampf sei das Ziel und wenn er umgegrätscht werde, sei das eben ein Foul wie bei allen andern auch.
Pierre Kaiser ist inzwischen so etwas wie ein Botschafter für Inklusion im Amateurfußball geworden. Diese Aufmerksamkeit will er nutzen für seinen Aufruf. "Auch wenn euch ein Bein fehlt, kommt zu uns, spielt mit uns!" Pierre Kaiser plant derzeit zusätzlich den Aufbau einer Amputierten-Fußballmannschaft in Eckental. Einen Mitstreiter aus seinem Heimatort hat er bereits gefunden. Lars Förster hat sein Bein bei einem Motorradunfall verloren. Fußballspielen blieb dennoch seine große Leidenschaft. Pierre Kaiser hat den 24-Jährigen im Eckentaler Supermarkt kennengelernt und ihn zum Verein geholt.
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