Gleichmäßig dreht sich die Turbine im Krafthaus der Neuenreuther Mühle am Roten Main. Über einen meterlangen Transmissionsriemen gelangt die Wasserkraft zum Generator, wo der Strom produziert wird. Der Riemen braucht hin und wieder Pflege, damit er nicht spröde wird und reißt. Müller Stefan Weigel sprüht ihn deswegen immer mal ein, damit der Riemen elastisch bleibt und ohne Quietschen um die Wellen läuft.
Das Krafthaus ist das Herz der Mühle. 31 Kilowatt Strom produziert die Weigelsmühle, wie sie auch heißt, derzeit. Das liege mit am hohen Wasserstand, erklärt Stefan Weigel. Im Gegensatz zu den vorangegangenen sehr trockenen Jahren gebe es heuer durch die vielen Niederschläge genug Wasser im Main. "Ein gutes Jahr für uns Wasserkraftler", meint der Müller. Letztes Jahr hatten sie schon die Befürchtung, dass sie die Turbinen anhalten müssten.
Mahlen, Sägen, Strom erzeugen
Stefan Weigel ist einer von etwa 30 Wasserkraftlern, wie sie sich nennen, im Landkreis Kulmbach. Seine Wasserkraft reicht aus, um theoretisch ganz Neuenreuth, immerhin 40 Haushalte, mit Strom zu versorgen. Dazu kommt noch sein eigenes kleines Sägewerk, das mittlerweile auch von der reinen Wasserkraft auf elektrischen Antrieb umgestellt ist. Außerdem gab es noch eine Kornmühle, doch die wird nicht mehr gebraucht. Die Mühlräder wurden 1934 für die Stromerzeugung ab und die Turbine eingebaut.
So ähnlich lief es auch bei den anderen Mühlen weiter flussabwärts. Andreas Friedmann im nahen Dreschen produziert Strom und betreibt ein kleines Sägewerk. Noch ein paar Kilometer weiter in der Frischenmühle bei Unterzettlitz folgt Hartmut Kolb mit seinem Kleinkraftwerk. Alle Mühlen sind teils seit Jahrhunderten in Familienbesitz. Sie alle steuern etwas über ein Prozent zum Kulmbacher Mix aus den erneuerbaren Energien bei. Immerhin 66 Prozent der Energie im Landkreis stammt aus Wind, Sonne oder Wasser.
In Bayern liefert die Wasserkraft zehn Prozent des Stroms. Hier gibt es bundesweit die meisten Wasserkraftanlagen. Eine Million Haushalte könnten im Freistaat versorgt werden.
Flussregulierung bei Hochwasser
Neben der Energiegewinnung sind die Müller auch für die Flussregulierung beispielsweise bei Hochwasser zuständig. Dann müssen sie ihre Stauwehre öffnen, damit sich die Wassermassen in den Flussauen ausbreiten können und nicht die Ortschaften am Main überschwemmen. Außerdem haben sie alle mittlerweile Fischtreppen gebaut. Die Wasserlebewesen müssen frei durch die Flüsse wandern können. Stefan Weigel berichtet, wie er wieder einen Aal im Main gesehen habe: "Der ist mir um die Beine geschwommen, als ich im Wasser stand!"
Enge Rechen mit einer maximalen Weite von 2,5 Zentimeter sorgen dafür, dass kaum noch Fische in den Turbinen geschreddert würden. Mit den Anglern komme man mittlerweile gut aus, erklärt Hartmut Kolb. Die würden sehen, wie wir uns um die Fische bemühen. Schlimmer für den Fischbestand seien die Fischotter, die würden alle Gewässer leerfressen, da sind sich die Müller einig.
Aufgeben ist für Wasserkraftler keine Option
Dennoch fürchten die Wasserkraftler um ihre Existenz. Die Wasserrahmenrichtlinie der EU verlangt, dass sie die Flüsse weiter durchgängig machen sollen. Ihre Stauwehre, die sie für den notwendigen Wasserdruck auf ihren Turbinen brauchen, sollen sie absenken oder gar abreißen. Dann könnten die Fische über die Hindernisse springen oder frei wandern. Doch das wäre das Ende der Stromproduktion am Roten und Weißen Main sowie der Unteren Steinach im Landkreis Kulmbach.
Die Strommüller werben für ihre Kraftwerke mit ihrem größten Vorteil: der Grundlastfähigkeit. Flusskraftwerke laufen Tag und Nacht, sieben Tage die Woche. Außer es gibt kein Wasser oder die Anlage muss gewartet werden. Eine Dunkelflaute, also wenn weder Wind weht noch Sonne scheint, wie zuletzt im Dezember 2023, kennen die Wassermüller nicht. Die Wasserrahmenrichtlinie liege derzeit scheinbar auf Eis, seit zwei Jahren kam keine Hiobsbotschaft aus Brüssel, meint Hartmut Kolb. Landes- und Bundespolitik hätten stattdessen signalisiert, den Wunsch der Wassermüller auf Fortbestand ihrer Anlagen zu unterstützen.
Die Wirtschaft brauche günstige heimische Energie, erläutert Harry Weiß von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Oberfranken und da zähle auch die Wasserkraft dazu. Und auch weniger bürokratische Hürden wären wünschenswert. Kolb erzählt von einem Wasserkraftler aus der Nähe von Bad Berneck, der nach sieben Jahren Kampf um eine neue Turbine aufgab. Doch das sei die Ausnahme. Die Wasserkraftler wären bereit, in weitere Umwelt- und Naturschutzmaßnahme zu investieren.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!