Das Jobcenter Nürnberg ist mit fünfzehn zusätzlichen, befristet eingestellten Arbeitskräften in die "Turbovermittlung" gegangen. Der von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Oktober 2023 versprochene "Jobturbo" sei allerdings nicht so schnell angelaufen, wie der Name suggeriere, sagt Geschäftsführerin Renata Häublein. Ursache dafür war, dass der Bundeshaushalt für 2024 erst Mitte Januar verabschiedet worden sei und vorher kaum Geld ausgegeben werden durfte.
Gemeinsamer Kraftakt aller Beteiligten
Der "Job-Turbo" versteht sich laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) als "gemeinsame Anstrengung der Bundesregierung, der Arbeitsagenturen und Jobcenter, der Kommunen und Länder, der Unternehmen und Verbände, der Gewerkschaften, der Beratungseinrichtungen und der Migrationsorganisationen". Das Ziel: Geflüchtete schnell und nachhaltig in den nationalen Arbeitsmarkt zu integrieren.
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Jobcenter Nürnberg: Deutlich mehr Vermittlungen
Seit Februar ist man in Nürnberg nun so richtig "im flow", sagt Jobcenter-Chefin Renata Häublein. Die Vermittlung von Geflüchteten aus der Ukraine habe sich im ersten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum fast verdreifacht, so Häublein. Der öffentlichkeitswirksame Appell der Politik auch an die Arbeitgeber, hier mitzuwirken und einzustellen, habe die Arbeit erleichtert. Allerdings könnten Ukrainer, die in ihrer Heimat etwa im mittleren Management gearbeitet hatten, nicht davon ausgehen, mit wenig Deutschkenntnissen auch hier gleich ins mittlere Management einzusteigen, so Häublein weiter.
Einfache und qualifizierte Jobs im Verhältnis 60:40
Die Qualität der Einstiegsjobs für Ukraineflüchtlinge sei ganz unterschiedlich, sagt Häublein. Immerhin 40 Prozent konnten in Arbeitsplätze vermittelt werden, für die man auch in Deutschland eine Ausbildung oder einen Abschluss brauche. Der mit 60 Prozent überwiegende Teil sei allerdings in Helferjobs vermittelt worden. Gesucht waren etwa unterstützende Tätigkeiten in Küche, Hauswirtschaft oder in der Pflege, so die Jobcenter-Chefin.
Seniorenheim beschäftigt geflüchtete Ukrainerinnen
Ein Beispiel ist Svitlana Marulova. Sie hat im Adolf-Hamburger-Heim für Senioren in Nürnberg eine Lücke im Dienstplan geschlossen: Seit einigen Monaten arbeitet sie dort als Hauswirtschafts-Helferin. Sie lebt noch immer in einem Vierbett-Zimmer eines Übergangsheims. Eine eigene Wohnung hat sie bislang vergebens gesucht. Die 60-Jährige ist froh, hier Arbeit gefunden zu haben. Sie braucht nun kein Bürgergeld mehr vom Nürnberger Jobcenter. Einen Deutschkurs habe sie noch nicht gemacht. "Ich lerne Deutsch jeden Abend selber", sagt Svitlana Marulova und lacht. "Wann sonst, ich arbeite doch, ich habe keine Zeit."
Seit zwei Wochen arbeitet auch Halyna Trotskovets aus der ukrainischen Stadt Sarny im Adolf-Hamburger-Heim als Pflegehelferin in Teilzeit. Sie besucht gerade noch einen Sprachkurs und möchte das auch beibehalten. Die 51-Jährige will ihr Deutsch weiter verbessern und eine Ausbildung in der Pflege machen. In der Ukraine hat sie als Betriebstechnikerin bei der Bahn gearbeitet. Zwanzig Jahre lang, erzählt sie.
"Jobturbo": Mehr geförderte Arbeit auf Probe
Im Jobcenter Nürnberg zeigt sich: Ganz ohne finanzielle Unterstützung läuft die von der Bundesregierung gewünschte "Turbovermittlung" der Menschen aus der Ukraine nicht. Es sei Aufgabe des Jobcenters, bei der Arbeitsvermittlung die Risiken für Arbeitgeber und Geflüchtete zu minimieren, sagt Geschäftsführerin Häublein. "Wir haben durch unsere Förderleistungen und unsere Unterstützungsmöglichkeiten ja wirklich ein schönes Portfolio, dass der Arbeitgeber sagen kann: Ich probier's mal", so Häublein weiter. Sie meine damit Geldleistungen, aber auch begleitende Qualifizierungsmaßnahmen oder Deutschkurse.
Bis zu sechs Monate, also während der Probezeit, übernehme das Jobcenter ein Drittel der Lohnkosten und zahle neu eingestellten Geflüchteten ein monatliches Einstiegsgeld von wenigstens 300 Euro, je nach Größe der Familie. Natürlich bleibe trotzdem das Restrisiko, dass das Arbeitsverhältnis nach der Probezeit nicht fortgeführt wird. In einigen Jobcentern sei das auch schon der Fall gewesen, so Häublein.
Mehrere Tausend Ukraineflüchtlinge in Arbeit
Die Richtung stimme, sagte der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Daniel Terzenbach, der sich als Sonderbeauftragter der Bundesregierung um den "Jobturbo" kümmert. Bundesweit hatten im April knapp 6.800 Geflüchtete aus der Ukraine einen Job im ersten Arbeitsmarkt. Das sind mehr als doppelt so viele wie im April des Vorjahres. Damals waren rund 2.850 Ukrainerinnen und Ukrainer in Arbeit. In Bayern zeigt sich der selbe Trend. Auch hier hatten im April dieses Jahres rund 1.200 Ukraineflüchtlinge einen Arbeitsplatz, im Vorjahresmonat waren es 500.
Heimleiter sieht "Win-win-Situation"
Die Einstellung von Geflüchteten aus der Ukraine betrachtet der Leiter des Adolf-Hamburger-Heims in Nürnberg, Wolfgang Brockhaus, als einen Gewinn für beide Seiten. Etwa fünfzig Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenwohn- und Pflegeheims der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg sprächen Russisch oder Ukrainisch, so Brockhaus. Außerdem könne man die deutschen Sprachkompetenzen der Ukrainerinnen entwickeln und fördern, dafür sei man hier sehr offen. Der Heimleiter gehört zu den Arbeitgebern, die den "Jobturbo" von Anfang an unterstützt haben.
BAMF startet bundesweit Berufssprachkurse
Aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge heißt es, die sogenannten Job-Berufssprachkurse würden Ende April flächendeckend in ganz Deutschland starten. Gemeint sind Deutschkurse, die in den Betriebsalltag integriert werden können und sich genau an dem orientieren, was am Arbeitsplatz gebraucht wird. Die bundesweite, systematische Bedarfsmeldung durch die Arbeitsverwaltung laufe gerade an, so Christoph Sander aus der Pressestelle des BAMF. Diese Kurse sollen die Vereinbarkeit von Arbeit und Spracherwerb perfektionieren und konkret auf die Erfordernisse des Unternehmens zugeschnitten sein. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil des "Jobturbos".
- Zur Übersicht: "Aktuelle Artikel und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine"
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