Bei der Lufthansa hat in der Nacht der angekündigte Warnstreik des Bodenpersonals begonnen. Laut Verdi wird das Drehkreuz in Frankfurt am Main zusammen mit München am härtesten von dem für 27 Stunden geplanten Ausstand getroffen. Die Airline hat für Mittwoch rund 90 Prozent ihrer circa 1.000 geplanten Flüge abgesagt.
400 Flüge fallen alleine in München aus
In München waren heute eigentlich 730 Starts- und Landungen geplant. Davon fallen streikbedingt 400 Flüge aus, wie ein Airport-Sprecher dem Bayerischen Rundfunk bestätigte. Viele Abfertigungsschalter sind nicht besetzt. Vereinzelt sieht man Streikposten in gelben Warnjacken mit rotem Verdi-Logo. Am Terminal 2 sei es recht ruhig. Am Terminal 1, wo andere Airlines fliegen, herrsche dagegen normaler Flugbetrieb. Dort werden Passagiere abgefertigt, von langen Schlangen ist derzeit nichts zu sehen. In Nürnberg sind vier Flüge von und nach Frankfurt gestrichen worden.
Außer in Frankfurt und München hat Verdi die Beschäftigten verschiedener Lufthansa-Firmen auch an den Standorten Hamburg, Berlin und Düsseldorf zum Arbeitskampf aufgerufen. Dort fallen fast alle innerdeutschen Lufthansa-Flüge nach Frankfurt und München aus. Von Berlin fliegen am Mittwoch überhaupt keine Lufthansa-Flugzeuge, in Düsseldorf fand ein Flug nach München am Morgen statt und auch Hamburg plant mit einem einzigen Abflug in die bayerische Landeshauptstadt am Abend. Mehr als 100.000 Passagiere mussten nach Angaben des Unternehmens umplanen.
Verdi wertet Warnstreik als großen Erfolg
An den Aktionen hätten im Laufe des Tages bereits rund 7.000 Menschen teilgenommen, berichtete Verdi-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky. Die Beteiligung sei höher gewesen als beim vorangegangenen Warnstreik im Jahr 2022. Noch für den Donnerstagmorgen, an dem der Warnstreik um 07.10 Uhr enden soll, hat Lufthansa erneut rund 30 Abflüge in München und Frankfurt annulliert.
Kunden können mit Flugticket auf Bahn ausweichen
Bei ausfallenden innerdeutschen Flügen können die Kunden mit ihrem Flugticket auf die Bahn ausweichen. Auf keinen Fall sollten Passagiere abgesagter Flüge zum Flughafen kommen, warnte Lufthansa. Dort könnten sie keine Hilfe erwarten. "Aufgrund des Streiks sind die Umbuchungsschalter leider nicht besetzt", stand auf der Webseite der Fluggesellschaft. Kostenlose Umbuchungsmöglichkeiten stünden über lufthansa.com, die Kunden-App und über das Service-Center zur Verfügung.
Nicht oder kaum betroffen sind hingegen die Passagiere der Lufthansa-Töchter und externe Airlines. So plant beispielsweise die Direktflugtochter Eurowings ihr komplettes Programm abzufliegen. An den Drehkreuzen München und Frankfurt sollen die Rumpfmannschaften die Flüge der ausländischen Lufthansa-Schwestern Swiss, Austrian und Brussels Airlines bevorzugt abfertigen, um deren Netzwerke funktionsfähig zu halten. Auf diese Flüge werden dann auch Lufthansa-Kunden umgebucht.
Normalbetrieb ab Freitag erwartet
Streikversammlungen sind am Mittwoch in Berlin und Frankfurt geplant. Enden soll der Ausstand am Donnerstag um 07.10 Uhr. Die Lufthansa rechnet für den Donnerstag noch mit einem ruckeligen Betriebsanlauf mit einigen Ausfällen und Verspätungen. Bis zum Freitag soll sich der Betrieb wieder vollständig normalisiert haben.
Streit um mehr Geld und Laufzeiten
Im laufenden Tarifkonflikt fordert Verdi 12,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Außerdem soll es eine konzernweit einheitliche Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro geben. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 12. Februar in Frankfurt am Main geplant. Lufthansa verweist auf zurückliegende Lohnsteigerungen und hat für einen Zeitraum von drei Jahren 13 Prozent mehr Geld sowie eine Inflationsausgleichsprämie angeboten.
Verdi: "Wir können auch länger"
Lufthansa-Personalverstand Michael Niggemann bedauert die nach seinen Worten frühe Eskalation nach nur zwei Verhandlungsrunden. Die Lufthansa hätte während des vergangenen Treffens ein aus seiner Sicht gutes Angebot vorgelegt. Vertreter der Gewerkschaft Verdi zeigten sich jedoch nicht begeistert. "Die Lufthansa hat zwar in der letzten Runde ein Angebot vorgelegt, das ist aber nicht nur unzureichend, es ist auch spalterisch", sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende, Christine Behle, in Berlin. "Wir setzen jetzt mal darauf, dass dieser erstmalige Warnschuss, den wir setzen, bei der Lufthansa auch Eindruck bringt und dass wir in den nächsten Verhandlungen mehr Bewegung in die Tarifverhandlungen bringen."
Zugleich warnte Verdi-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky bei einer Protestversammlung mit mehreren hundert Teilnehmern vor der Lufthansa-Verwaltung am Frankfurter Flughafen: "Wir können auch länger, wenn ihr uns dazu auffordert." Die Streikbereitschaft am Boden sei in den vergangenen 20 Jahren noch nie so hoch gewesen wie jetzt.
Kritik von der Union
Mit Kritik und Unverständnis reagierte die Union auf den Streik. "Natürlich ist der Arbeitskampf ein legitimes Mittel in Tarifkonflikten", sagte Unionsfraktionsvize Ulrich Lange (CSU) der Nachrichtenagentur AFP. "Aber vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen zu solch drastischen Maßnahmen zu greifen, ist für mich schwer nachvollziehbar." Er erwarte, "dass sich die Tarifparteien lösungsorientiert verhalten und ernsthafte Gespräche miteinander führen".
Mit Informationen von dpa, AFP, Reuters
Im Video: Gespräch mit BR-Reporter Andreas Herz am Münchner Flughafen
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