Ein Archäologe legt die menschlichen Überreste in einem der bisher größten in Deutschland entdeckten Pestgräber frei. Die Skelette vieler Hundert Pestopfer wurden im Februar 2024 bei Bauarbeiten für ein neues Altenheim in Nürnberg entdeckt.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Karmann

Grabungen bei den Pestgräbern in Nürnberg

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Nürnberger Pestfriedhof birgt wissenschaftliche Schätze

Seit Monaten graben Fachleute in Nürnberg jahrhundertealte Knochen aus - von Opfern einer großen Pestwelle. Forscher wollen dem größten Pestfriedhof in Deutschland seine Geheimnisse entlocken. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Die Grabungen auf einem riesigen Pestfriedhof aus dem 17. Jahrhundert in Nürnberg nähern sich langsam dem Ende. Die Überreste von mehr als 2.000 Toten aus dem 17. Jahrhundert sind nach Angaben von Stadtarchäologin Melanie Langbein bereits freigelegt. Einige hundert Pestopfer sind noch unter der Erde.

Fest steht der Archäologin zufolge aber jetzt schon: Bei dem Fund in Nürnberg handelt sich um den größten Pestfriedhof, der bisher in Deutschland entdeckt wurde. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse könnten vielfältig sein.

Bis zu 3.000 Pesttote aus dem 17. Jahrhundert

Dass es sich um eine große Entdeckung handelt, war Langbein und ihrem Team bereits Anfang des Jahres klar. Damals hatte sie laut Hochrechnungen mit mehr als tausend Toten gerechnet, die nach Ansicht der Fachleute in den Jahren 1632 und 1633 während einer großen Pestwelle gestorben waren. Am Ende könnten es nun 2.800 bis 3.000 Tote sein. 

Diese Zahl sei schon sehr überraschend, sagt Langbein. Die Toten liegen ihr zufolge in vielen Schichten übereinander. Bis zu eineinhalb Meter tief müssen sich die Fachleute in die Erde graben, um die Knochen vorsichtig freizulegen. Diese sind grün verfärbt, weil eine Kupfermühle in früheren Zeiten auf dem Grundstück Abfälle entsorgt hatte.

Knochen erzählen vom Leben der Menschen

Aus den Knochen können die Archäologen jede Menge über das Leben der Menschen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ablesen. "Wir haben wirklich von den Altersklassen alles mit dabei: Alte, Junge, Männer, Frauen, kleine Kinder, Säuglinge. Da ist der komplette Bevölkerungsquerschnitt vorhanden und das macht die Sache dann auch so spannend, wenn es an die anthropologische Auswertung geht."

Anhand der Knochen können Forscher herausfinden, wie es den Menschen von damals ging, welche Krankheiten sie plagten, wie hart sie arbeiten mussten und ob sie Mangelerscheinungen hatten.

Wichtige Erkenntnisse erhoffen sich Melanie Langbein und ihre Kollegen auch über die Entwicklung der Pest, denn aus den Zähnen der Toten könnte DNA des Erregers extrahierbar sein. Eine andere Forschungsarbeit rücke Darmparasiten in den Fokus, für die die Fachleute bereits Proben aus den Becken der Toten nahmen.

Zudem interessiere sich ein Forensiker für Insektenreste aus den Massengräbern und will dadurch präzise Angaben über die Todeszeit bekommen, wie die Grabungsfirma "In Terra Veritas" in einem Video erläutert. 

Wertvolle Erkenntnisse zur Alltagskleidung

Spannend sei auch, dass in dem Sandboden Kleidungsreste erhalten geblieben seien, berichtet Archäologin Melanie Langbein. Leder, Wolle und Textilien würden üblicherweise schnell verrotten im Boden. Die im Nürnberger Pestgrab gefundenen Kleidungsreste ermöglichen Rückschlüsse auf die Alltagskleidung, weil die Toten in den Massengräbern nicht wie sonst üblich im Leichenhemd bestatten worden seien, erläuterte die Stadtarchäologin. Und genau über diese alltägliche Mode sei weniger bekannt als über Festtagskleidung und Prachtgewänder, die zum Teil über Jahrhunderte erhalten geblieben seien.

Die Forschung stehe aber noch am Anfang, sagt Melanie Langbein. "Das ist ein Projekt, das sich sicherlich über mehrere Jahre ziehen wird." Jetzt stehe vor allem die Ausgrabung im Vordergrund, damit das Gelände möglichst bald für Bauarbeiten freigegeben werden kann. Auf dem rund 5.900 Quadratmeter großen Grundstück sollen dann ein Pflegeheim und Wohnungen für Seniorinnen und Senioren entstehen. 

Mit Informationen von dpa.

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