Die Freien Wähler wollen auch künftig nicht mit der AfD zusammenarbeiten. Ein solches Kooperationsverbot haben sie bei ihrem Bundesparteitag in Bitburg mit großer Mehrheit (92 Prozent) beschlossen. Bisher hatte die Partei nur ausgeschlossen, frühere AfD-Mitglieder aufzunehmen bzw. deren Aufnahme ganz genau zu prüfen.
Das nun beschlossene Kooperationsverbot geht noch einmal weiter: Es soll künftig keine inhaltlichen Absprachen oder gar gemeinsame Koalitionen oder Wahllisten geben. AfD-Kandidaten für ein politisches Amt dürfen nicht unterstützt werden.
AfD-Kooperationsverbot: Kritik aus Sachsen
Einwände gegen ein Kooperationsverbot mit der AfD gab es vor Beginn des Parteitags vor allem aus den ostdeutschen Landesverbänden. Aus Sachsen etwa hieß es, man baue keine Brandmauer. Nicht alle AfD-Mitglieder seien Rechtsextreme. Auf kommunaler Ebene stimme man einem AfD-Antrag auch zu, wenn er gut sei. Beim Parteitag in Bitburg war dann allerdings kaum Kritik zu hören. Nur eine Rednerin bemängelte, ihr gehe der Antrag zu weit.
Kritik an Aiwanger
Die Initiative für ein Kooperationsverbot kam vom rheinland-pfälzischen Landeschef der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid. Er will damit Klarheit über den Standpunkt seiner Partei schaffen: in der politischen Mitte. Dabei schwingt auch Kritik an Parteichef Hubert Aiwanger mit. Von ihm hätte sich Wefelscheid in den vergangenen Wochen mehr Klarheit gewünscht. Er sei "irritiert" gewesen über die Aussage Aiwangers, dass die aktuellen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus vielfach von links unterwandert seien.
"Ich hätte mir gewünscht, dass Hubert Aiwanger sich an die Spitze der Kundgebung stellt und Seite an Seite mit allen anderen demokratischen Parteien demonstriert", sagte der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende vorab im Gespräch mit BR24 und fügte an: "Ich habe keine Lust mehr, mich immer wieder für Aussagen von Aiwanger rechtfertigen zu müssen." Der Antrag ist also auch als Aufforderung an Aiwanger zu verstehen, sich klar nach rechts abzugrenzen.
Aiwanger: FW wollen nicht in "rechte Ecke" gestellt werden
Trotz Kritik an seiner Person stellte sich der Bundesvorsitzende hinter den Antrag. Aiwanger sprach sich in Bitburg für ein Kooperationsverbot mit der AfD aus. In seiner Parteitagsrede betonte er, die FW seien gegen jede Form des Extremismus. "Wir schauen überall genau hin. Was Sinn macht, das unterstützen wir und was eben keinen Sinn mehr macht, das trauen wir uns zu benennen. Und wir verbitten uns deshalb auch, dass immer wieder versucht wird, uns in irgendeine eine Ecke zu stellen, gerne in die rechte Ecke."
Aiwanger warnte vor einer weiteren gesellschaftlichen Spaltung und gab dabei vor allem der Ampelregierung die Schuld. "Die Politik hat die Lage nicht mehr im Griff", schimpfte Aiwanger. Sie benenne die wahren Probleme nicht mehr. Der FW-Chef warf der Bundesregierung vor, die Gesellschaft zu spalten. "Niemand hat die Menschen in den vergangenen Jahren so auseinandergetrieben wie die Ampel" – mit ihrer "ideologischen Politik", so Aiwanger. Als Beispiele nannte das Heizungsgesetz und die geplante Streichung der Steuerbegünstigungen für Agrardiesel.
Aiwanger: "Die Ampel spaltet die Gesellschaft"
Die Freien Wähler hingegen bezeichnete er als "die großen Zusammenführer und Integrierer". Dinge benennen, Lösungen anbieten und die Menschen mitnehmen – das sei die Stärke seiner Partei. Hier würden die Freien Wählern von ihren kommunalen Wurzeln profitieren. Denn in den Gemeinden sei es die tagtägliche Arbeit, mit den Bürgern zu sprechen und große Mehrheiten zu organisieren.
Der Bundesregierung empfiehlt Aiwanger, mehr auf die Menschen zuzugehen und sich die Sorgen der Leute auch anzuhören. "Jeder sechsjährige Bauernbub mit dem Trettraktor hätte dem Herrn Landwirtschaftsminister Özdemir gesagt, dass es Unsinn ist, den Agrardiesel deutlich zu verteuern, eine Kfz-Steuer auf den Anhänger, den Maishäcksler und den Mist-Streuer einzuführen", so Aiwanger.
FW wollen bei Europawahl noch stärker werden
Auf die im Juni anstehende Europawahl blickt der FW-Chef zuversichtlich. Er gehe davon aus, dass die Freien Wähler zulegen werden. Inhaltlich rückte Aiwanger vor allem die Migration in den Mittelpunkt. Der EU warf er in diesem Punkt "Totalversagen" vor. Er kritisierte, dass "bei uns Menschen ohne Pass an den Grenzen ankommen". Sie hätten es geschafft, zuvor mehrere europäische Länder zu durchqueren, ohne kontrolliert zu werden. Die EU "kümmert sich um die Hygienerichtlinie für die Dorfmetzgerei in Rheinland-Pfalz, ist aber nicht in der Lage, draußen die Grenzen zu sichern", ärgerte sich Aiwanger.
Zu viel Klein-klein und zu viele Hürden statt großflächiger Unterstützung: Das bemängelte auch die Spitzenkandidatin der FW für die Europawahl, Christine Singer. Die bayerische Landesbäuerin aus Garmisch-Partenkirchen forderte: "Wir brauchen Gesetze, die ein Ziel vorgeben." Aber dieses Ziel müsse auch vor Ort umsetzbar sein.
Die EU soll weniger Einfluss haben
Auch wenn die Debatte um ein Kooperationsverbot mit der AfD auf dem Parteitag in Bitburg für viel Aufsehen sorgte, eigentlich ist die Europawahl das große Thema des Parteitags. Schließlich geht es um das Wahlprogramm, das nun verabschiedet werden soll. Darin fordern die Freien Wähler unter anderem ein "echtes Initiativrecht für das Europaparlament, um die Interessen der Bürger direkt in den europäischen Gesetzgebungsprozess einbringen zu können".
Gleichzeitig wollen die Freien Wähler die Zuständigkeiten der EU begrenzen. Sie soll nur dann zuständig sein, wenn Bund, Land oder Kommune eine Aufgabe "nicht besser meistern kann". Die EU solle sich auf Kernthemen wie die Migrations- und Sicherheitspolitik oder die Förderung des Binnenmarktes konzentrieren. Außerdem verlangen die Freien Wähler mehr Selbstbewusstsein gegenüber China. Abhängigkeiten, vor allem in der Wirtschaft, müssten deutlich reduziert werden. Im Bereich der Landwirtschaftspolitik warnt die Partei vor einer "Überreglementierung". Die FW wünschen sich daher, dass "eine Reihe von Verordnungen und Richtlinien ersatzlos gestrichen" werden.
Das eigentliche Ziel: FW in den Bundestag
Dass sich die FW aber auch nach der Europawahl keine Verschnaufpause gönnen können, macht der Europaabgeordnete Engin Eroglu aus Hessen deutlich. Schließlich steht 2025 die Bundestagswahl an. Der Einzug in den Bundestag ist das große Ziel der Freien Wähler und von Parteichef Aiwanger. Und so traute sich Eroglu eine kämpferische Ansage zu, die bei CSU-Chef Markus Söder in Bayern nicht gerade gut ankommen dürfte: "Lasst uns die CSU unter fünf Prozent drücken, damit wir über fünf Prozent landen." Dafür erntete der FW-Politiker frenetischen Applaus.
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