"Für mich bitte ohne Alkohol" – diesen Satz hört man auch in Bayern immer wieder. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, doch erst kürzlich veröffentlichte die Deutschen Gesellschaft für Ernährung ein Positionspapier. Inhalt: Alkoholkonsum ist immer schädlich.
Es ist also selbstverständlich, dass sich der Getränkemarkt dem alkoholfreien Trend anpasst. Alkoholfreies Bier ist mittlerweile keine Neuigkeit mehr. Beim Wein ist die Entwicklung zwar noch nicht ganz so fortgeschritten. Doch die Nachfrage nach alkoholfreiem Wein oder auch Secco steigt.
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Geschäftsfelder, die es mit klassischem Wein nicht gäbe
"Es ist kein Ende in Sicht", berichtet Luca Dahms, Mitgründer der Firma Senzowine aus Sennfeld im Landkreis Schweinfurt. Das Unternehmen bietet ausschließlich alkoholfreie Weine an. Vor drei Jahren hat Dahms sein Unternehmen gestartet, in den letzten zwölf Monaten hat er rund 50.000 Flaschen an Privatkunden verkauft.
Dazu kommen immer mehr Geschäftskunden. "Mit alkoholfreiem Wein tun sich Geschäftsfelder auf, die es mit klassischem Wein niemals gäbe", erklärt Dahms. So exportiert sein Unternehmen beispielsweise in den Oman, weil die alkoholfreien Weine als halal gelten.
Nachfrage nicht kontinuierlich – und oft aus Großstädten
Auch in Verbindung mit Mobilität funktionieren sie: Immer mehr Autohäuser werden zu Kunden und schenken zum neuen Wagen eine Flasche alkoholfreien Wein. Dazu kommen noch Gastronomie, Hotellerie oder Flughäfen. Generell kommen die Anfragen laut Dahms vor allem aus Großstädten wie München, Düsseldorf, Hamburg oder Stuttgart.
Allerdings ist die Nachfrage nach alkoholfreiem Wein übers Jahr gesehen noch nicht kontinuierlich. "Mit dem 'Dry January' und dem 'Sober October' gibt es zwei richtige Peaks", sagt Dahms. Doch die alkoholfreien Weine würden sich immer mehr etablieren, auch weil die Jugend immer weniger Alkohol konsumiert: "Wir haben Anfragen von Influencern, die sagen für Alkohol würden wir nie Werbung machen, aber für eure Produkte schon."
Wein ohne gesundheitliche Bedenken genießen
Auch sei es immer weniger in Mode, Alkohol zu verschenken. Die Folge: Weingüter müssten sich überlegen, wie sie mit der neuen Situation umgehen. So hat auch die Winzergruppe "Frank & Frei", ein Zusammenschluss von 13 Weingütern, vor drei Jahren mit dem Verkauf alkoholfreier Weine begonnen.
Laut Gerald Baldauf vom dazugehörigen Weingut Baldauf aus Ramsthal im Landkreis Bad Kissingen steigt die Nachfrage danach stetig. "Leider gab es in der Vergangenheit viele unglückliche Versuche alkoholfreier Weine am Markt", räumt der Winzer ein. "Das können wir heute aber beseitigen, und ernten für unseren 'KOMMA NIX' nur extreme Begeisterung".
Er geht davon aus, künftig noch mehr alkoholfreie Weine anzubieten, da immer mehr Menschen Wein unbekümmert genießen wollen – ohne Einschränkungen in der Mobilität oder gesundheitliche Bedenken. Besonders bei Festivitäten im familiären Bereich stellt Baldauf eine hohe Nachfrage fest. Er vergleicht den Trend und den Wandel in der Branche mit dem zunehmenden Konsum veganer Lebensmittel.
Alkoholfreier Wein oder Secco von 50 Weingütern
Die zunehmende Nachfrage nach alkoholfreiem Wein bemerken auch der Weinbauverband und der Bezirk Unterfranken. "Immer mehr Kunden wünschen sich leichte und alkoholfreie Weine", sagt Weinbaupräsident Artur Steinmann auf Anfrage von BR24. Inzwischen hätten über 50 Weingüter in Franken ihr Sortiment um alkoholfreie Weine und Seccos erweitert. Insgesamt gibt es rund 650 Weingüter in Franken, die ihre Weine ab Hof verkaufen. Rund 2.900 Winzerfamilien sind in drei fränkischen Winzergenossenschaften organisiert.
Auch Ralf Schwarz, Weinfachberater des Bezirks, sagt: "Es ist eine rasante Entwicklung, viele Winzer, Weingüter und Genossenschaften springen auf diesen Trend auf und beginnen mit alkoholfreiem Wein." Wie groß das Angebot mittlerweile wirklich ist, sei aber schwer zu beziffern, da es keine validen Daten dazu gebe.
Weinbranche profitiert von Know-How der Bierbranche
Und wie schmeckt ein alkoholfreier Wein? Artur Steinmann sagt: "Weinkenner dürfen ihre gewohnten Geschmackserwartungen aktuell noch nicht komplett auf alkoholfreie Weine übertragen. Da der Geschmacksträger Alkohol entzogen wird, werden Aromen und vertraute Geschmackskomponenten nicht mehr so stark wahrgenommen."
Der Weinbaupräsident geht davon aus, dass sich in diesem Bereich in den kommenden zwei oder drei Jahren noch viel entwickeln wird. Als Vergleich nennt Weinfachberater Ralf Schwarz die Bierbranche. Hier habe es etwa 50 Jahre gedauert, bis alkoholfreies Bier marktkonform war. Die Weinbranche könne nun aber von diesem vorhandenen Know-How profitieren.
Erstes alkoholfreies Weinfest Deutschlands
Passend zu dem Trend fand in Unterfranken im Mai 2024 auch das deutschlandweit erste alkoholfreie Weinfest statt – an der Petersstirn in Schweinfurt, auf dem Weingut der Winzerfamilie Dahms, zu der auch Luca Dahms gehört. Laut dem 32-Jährigen war es ein voller Erfolg.
Auch 2025 soll das alkoholfreie Weinfest wieder an einem Tag stattfinden. Unterdessen gibt es bereits Anfragen aus anderen Städten, die das Konzept übernehmen wollen. Dahms ist aktuell mit zwei größeren Städten dazu im Gespräch. Eine davon ist in Bayern – mehr verrät der Jungunternehmer vorerst noch nicht.
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