Es kommt nicht oft vor, dass die AfD bei einer Rede von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze applaudiert – doch bei diesem Satz tat sie es: "Gestern ist im Bundestag die Brandmauer durch die Union zerstört worden", sagte Schulze.
Die Debatte am Donnerstag im bayerischen Landtag war hitzig, die gegenseitigen Angriffe scharf. Es ging um Konsequenzen aus der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg – und um den Unions-Antrag zu einer verschärften Migrationspolitik, der am Vortag mit den Stimmen der AfD vom Bundestag verabschiedet wurde.
Schulze: Gewissheit mit Blick auf CSU erschüttert
"Die Union hat damit der AfD die Tür zur Macht aufgemacht", so Schulze, das sei falsch, brandgefährlich und geschichtsvergessen. "Der gestrige Tag begann mit einem Gedenken an die Opfer des Völkermords der Nazis. Und der Tag endete mit jubelnden Rassisten im Parlament." Es sei eine Zäsur für die Bundesrepublik Deutschland.
Sie sei immer sicher gewesen, dass die CSU, wenn es hart auf hart komme, "sich nicht Mehrheiten mit Rechtsextremen beschaffen" werde, so Schulze. Diese Gewissheit sei seit Mittwoch erschüttert. "Wir brauchen stabile Konservative in unserem Land", sagte die Fraktionschefin der Grünen. Und direkt an die CSU gerichtet: "Wir brauchen Sie als Stabilitätsanker, mit uns zusammen in der Mitte der Gesellschaft."
SPD: "Kehren Sie an den Tisch der Demokraten zurück"
Der Angriff auf eine Kindergartengruppe sei "an Grausamkeit und Kaltblütigkeit nicht zu überbieten", sagte SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer: "Man neigt unter diesen besonderen Umständen auch zu Kurzschlüssen und Affektreaktionen." Doch genau das dürfe verantwortliche Politik nicht tun. Es brauche eine Reform der gemeinsamen Asylpolitik: "Ein Durchwinken von Asylbewerbern nach Deutschland darf es nicht weiter geben."
Allerdings: Dass der Unions-Antrag im Bundestag mit Stimmen der AfD verabschiedet wurde, sei "ein Dammbruch, der an die finstere Zeit in unserem Land erinnert", so Grießhammer. Man müsse das Thema Migrations- und Flüchtlingspolitik gemeinsam lösen: "Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, kehren Sie an den Tisch der Demokraten zurück."
Holetschek: "Jetzt ist es Zeit, Farbe zu bekennen"
Dieser Appell regte CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek besonders auf. Die Behauptung, die CSU habe den Tisch der Demokratie verlassen, sei unglaublich und ein Skandal. "Herr Kollege, wenn Sie das nicht revidieren, werden wir hier nicht mehr gut zusammenarbeiten." Natürlich mache das, was im Bundestag passiert ist, "nachdenklich". Es sei aber keine Frage von rechts oder links, sondern von richtig oder falsch. "Jetzt ist es Zeit, Farbe zu bekennen", so Holetschek. "Wir haben das gestern gemacht, unter schwierigsten Bedingungen."
"Wir werden nie mit der AfD zusammenarbeiten, kooperieren, koalieren oder sonstiges", sagte der CSU-Fraktionschef. "Wir sind lupenreine Demokraten. Da können Sie davon ausgehen." Den Grünen warf Holetschek "Doppelmoral" vor. Man werde Radikale nur zurückdrängen, wenn man die Probleme der Menschen löse. "Friedrich Merz hat gehandelt, Markus Söder hat gehandelt – und wir werden diesen Weg weitergehen."
AfD nennt Migrationspläne der Union "abgekupfert"
Die Union spiele sich als "Retter Deutschlands" auf, sagte der stellvertretende AfD-Fraktionschef Richard Graupner. Der Fünf-Punkte-Plan zur Migration sei von der AfD abgekupfert. Er sei gut für Deutschland, deswegen habe seine Partei mitgestimmt. "Im Bundestag wurde gestern Geschichte geschrieben: Der Abbruch der Brandmauer wurde eingeläutet", so Graupner.
Er forderte die Staatsregierung auf, "umgehend Abschiebehaftplätze in ausreichender Zahl" zu schaffen. Zudem brauche es ein kommunales Meldesystem bezüglich der Unterbringung psychisch kranker Asylbewerber. Die Menschen in Bayern hätten die Nase voll von leeren Versprechungen, so Graupner.
FW: "Links-grüne Wokeness" zu Ende – Mehring kritisiert Merz
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler, Felix Locke, sagte, die "links-grüne Wokeness" in der Debattenkultur sei zu Ende und fügte direkt an die Grünen gerichtet an: "Es gab Zeiten, da hat man sich nicht mal mehr getraut, etwas, das konträr zu eurer Position war, zu sagen, denn man wurde gleich in die rechte Ecke gesteckt." Auch das sei ein Grund für eine erstarkte AfD. Er habe vollstes Vertrauen, dass die Brandmauer der CSU weiterhin stehen bleibe, so Locke.
FW-Fraktionschef Florian Streibl hatte im Vorfeld der Bundestagsabstimmung gesagt: "Wenn die Union die Brandmauer gegen Rechts eigenständig infrage stellt oder sogar einreißt, wäre dies der brutalstmögliche Sündenfall nach 1945." Streibl saß bei der Landtagsdebatte am Donnerstag im Plenum, trat aber nicht ans Rednerpult. Digitalminister Fabian Mehring (FW) schrieb auf Instagram: "Friedrich Merz hat einen historischen Fehler gemacht."
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