Die Versorgung mit sauberem Wasser ist ein Thema für Abermillionen von Menschen, viele Gebiete weltweit leiden unter Trinkwassermangel oder unzureichender Sanitärversorgung. Dass der Magistrat von Augsburg schon im 15. Jahrhundert eine penible Trennung von Trink- und Brauchwasser beschlossen hat und überall in der Stadt kostenlose Brunnen zugänglich machte, das war aus heutiger Sicht geradezu visionär. Denn damit wurden Seuchen verhindert und die Voraussetzung für die Nutzung der Wasserkraft geschaffen. Mit der Wasserversorgung, über die ein gut dotierter Brunnenmeister zu wachen hatte, wurde auch in technischer Hinsicht etwas völlig Neues umgesetzt.
Augsburgs Wasserversorgung überzeugt Welterbe-Kommission
Die komplizierten Hebevorrichtungen und imposanten Wassertürme sind bis heute erhalten. Augsburg hat sich damit als Unesco-Welterbe beworben – und war erfolgreich. Vor mittlerweile fünf Jahren war das. "Adopted as amendend" – ohne Änderungen angenommen, mit diesem Satz und einem Hammerschlag hat die Unesco-Kommission der Augsburger Bewerbung als Welterbe den Zuschlag gegeben. Die Freude bei der Augsburger Delegation im aserbaidschanischen Baku war riesengroß. Der damalige Oberbürgermeister Kurt Gribl, sonst ein eher bedachter Mensch, führte daheim im Garten seines Hauses einen Jubeltanz vor im Regen des Gartenschlauchs und zeigte das auf Social Media.
Hochwasser verhindert Feierlichkeiten in Augsburg
An diesem Wochenende, fünf Jahre später, sollte gefeiert werden. Doch: Das Jubiläum fiel sprichwörtlich ins Wasser. Für Anfang Juni hatte die Stadt einen Welterbe-Lauf geplant. Hunderte von Läufern sollten entlang der einzelnen Sehenswürdigkeiten unterwegs sein, aber das Ganze wurde abgesagt, weil im Landkreis wegen des Hochwassers Katastrophenalarm ausgelöst wurde.
Stadträte fordern Weiterentwicklung
Auch bei der Weiterentwicklung der Konzeption knirscht es: Die neue Leiterin des Welterbe-Büros war nur wenige Monate im Amt und hat dann hingeworfen, noch gibt es keinen Nachfolger. Die SPD im Stadtrat würde sich wünschen, dass es bei der Präsentation des Augsburger Wassermanagements vorwärtsgeht. Da sei Luft nach oben, hört man aus der Fraktion. Ein Schritt in diese Richtung ist das neue Infozentrum direkt am Rathausplatz. Es ist die erste Anlaufstelle für Besucher, die sich für ihren Aufenthalt in der Stadt Tipps zum Thema Wassererbe holen wollen.
Hoher Aufwand für Bewerbung des Welterbes
Auch sonst war viel zu stemmen seit der Titelverleihung: Allein die Ausschilderung der 22 Türme, Wasserwerke, Prachtbrunnen und Kanäle war aufwendig und teuer. Unter anderem braucht es Broschüren und Marketingaktionen, um auf Reiseportalen präsentiert zu werden. Auch die Pressearbeit, um überregional bekannt zu werden, ist aufwendig. Viel Kleinarbeit – nicht sexy, aber notwendig, sagt Kulturreferent Jürgen Enninger. Ihm ist auch wichtig, dass das Thema Welterbe in die Schulen kommt, dafür wurden jetzt Lernmaterialien erarbeitet, die Lehrer kostenlos herunterladen und verwenden dürfen. Enninger verweist außerdem auf das Kulturfestival "Water and Sound" Ende Juli, das sich auf musikalischer Ebene mit dem Thema Wasser beschäftigt.
Verschiedenste Ideen für stärkere Nutzung
Kritiker sagen dennoch, es müssten neue Ideen her. Eine Augsburgerin nennt im Gespräch mit dem BR "vielleicht so was wie ein Welterbe-Wasserspielplatz in der Innenstadt, wo die Sehenswürdigkeiten in klein nachgebaut sind, das wäre bestimmt ein Renner". Andere fänden es auch schön, wenn sich die Cafés und Restaurants in der Innenstadt mehr mit dem Thema Welterbe identifizieren würden. Denn einen Herkulesbrunnen-Eisbecher oder einen Augsburger Brunnenmeister-Aperitivo gibt es nirgends, keine Werbung in der Innenstadt mit Wassererbe-Bezug. Dabei sind viele Augsburger durchaus stolz auf "ihr" Welterbe: "Die Wassertürme waren damals einmalig in Europa, da kamen viele nach Augsburg, um die zu sehen", weiß eine Passantin. Auch ein Besucher würdigt die Idee, sich so umfangreich dem Thema Wasser und Nachhaltigkeit zu widmen, als "inspirierend".
Weltkulturerbe hält Touristen in der Stadt
Das Interesse ist auch außerhalb von Augsburg groß. Laut Götz Beck, dem Chef der Regio Touristik GmbH, ist die Zahl der Anfragen deutlich gestiegen, dank des Unesco-Siegels. Die Region hat mittlerweile viele verschiedene Führungen aufgelegt, alle mit unterschiedlichen Schwerpunkten, etwa für Kinder, für Technikfans und für Radfahrer. Gut für die Stadt: Die Besucher, die sich für Wassererbe-Angebote interessieren, bleiben länger und geben mehr Geld aus, sagt Beck. "Wir stellen fest, dass wir uns klar im Segment Qualitätstourismus befinden, das Welterbe ist breit aufgestellt." Schon jetzt dürfte das Wassererbe – neben FCA und Puppenkiste – zu Augsburgs drittem Markenzeichen geworden sein.
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