Bei Josef Schmid, dem Landeschef der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), stößt die jüngste CSU-Personalie auf Unmut: Er sei "empört" darüber, dass der Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV), Günther Felßner, auf der CSU-Liste für den Bundestag kandidiert und nach dem Willen der CSU Bundesagrarminister werden soll. Schmid sieht darin einen Verstoß gegen die Satzung des Bauernverbands – konkret: das Gebot der politischen Unabhängigkeit.
Söder schlug Felßner als CSU-Kandidaten vor
"Ich finde es schon ziemlich dreist, mit welcher Selbstverständlichkeit das übergangen wird", sagt der AbL-Landeschef, der unter Landwirten so etwas wie der Oppositionsführer gegen den mächtigen BBV ist. Schmid warnt vor möglichen Interessenskonflikten bei Felßner. "Die Mindestforderung wäre, dass er sein Amt als Bauernpräsident ruhen lässt."
CSU-Chef Markus Söder hatte am Montag den BBV-Präsidenten als CSU-Kandidaten vorgestellt. Zudem sei Felßner, der auch Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands ist, für die CSU in einer neuen Bundesregierung "gesetzt" als Bundeslandwirtschaftsminister. Dem CSU-Vorstand gehört der Mittelfranke schon seit Monaten an, seit Jahren engagiert er sich für die Christsozialen in der Kommunalpolitik.
Was schreibt die Satzung vor?
In Paragraf 5 der BBV-Satzung heißt es: "Der Bayerische Bauernverband wahrt als bäuerliche Berufsorganisation Unabhängigkeit von den politischen Parteien." Er pflege jedoch den Kontakt zu politischen Parteien, um die Belange der Landwirtschaft zur Geltung zu bringen. Auch der Deutsche Bauernverband will laut seinen Leitlinien "politisch unabhängig und im Austausch mit allen Parteien" arbeiten.
Felßner ist nicht der einzige BBV-Funktionär, der parteipolitisch aktiv ist. Im Europaparlament sitzen gleich zwei Spitzenvertreter: Landesbäuerin Christine Singer für die Freien Wähler, der unterfränkische BBV-Bezirkspräsident Stefan Köhler für die CSU.
Felßner: "Kein Interessenskonflikt"
Felßner selbst sieht "überhaupt keinen Interessenskonflikt" in seiner Ankündigung, für das Amt des Landwirtschaftsministers zur Verfügung zu stehen. Die "Mitgestaltung demokratischer Prozesse" sei von jeher "ureigenste Aufgabe" des BBV, der seine Mitglieder zum politischen Engagement in Parlamenten ermutige. "Diese Dinge muss man und kann man ganz sauber trennen", betont er auf BR-Anfrage. Solange er kein Minister sei, werde er sein Präsidentenamt "in gewohnter Weise ausüben".
Auch für die Freie-Wähler-Abgeordnete und Landesbäuerin Singer ist die Kandidatur des BBV-Chefs kein Problem: "Ich begrüße es, wenn sich Ehrenamtliche im Bauernverband auch politisch engagieren", sagt sie. Dass sich Felßner um ein Bundestagsmandat bewerbe, sei legitim. "Fachkompetenz in der Politik ist aus meiner Sicht immer ein Gewinn."
BBV: Vorerst keine politischen Positionierungen Felßners
BBV-Generalsekretär Carl von Butler betont auf BR-Anfrage, der Verband müsse sogar politisch aktiv sein. Zu seinen Verpflichtungen zähle unter anderem "die besondere Förderung der staatsbürgerlichen Verantwortung für die demokratische Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens". Diesem Auftrag komme Felßner mit seiner Kandidatur für die CSU "in ganz besonderem Maße" nach. Sein Amt ruhen zu lassen, sei "weder notwendig noch sinnvoll". Einen Interessenskonflikt gebe es nicht.
Allerdings kündigt von Butler an, dass Felßner bis zur Bundestagswahl und während einer möglichen Regierungsbildung auf "politische Positionierung" verzichten wird: Hier werde er selbst als Generalsekretär "die Rolle des Präsidenten im erforderlichen Umfang übernehmen", sagt von Butler. Seine verwaltungstechnischen Aufgaben dagegen werde Felßner "unverändert übernehmen". Sollte er tatsächlich der neuen Bundesregierung angehören, werde er seine Ämter niederlegen.
SPD: "Normaler Vorgang"
Verständnis für Felßner zeigt auch die SPD-Agrarexpertin im Europaparlament, Maria Noichl: "Vereine und Verbände verpflichten sich häufig zur neutralen Positionierung innerhalb des Parteienspektrums. Sie gelten als parteipolitisch neutral", sagt sie. Mitglieder dieser Verbände müssten dies aber nicht sein – auch Felßner nicht. Selbst einen Wechsel des BBV-Präsidenten in die Bundesregierung hielte Noichl für einen "normalen Vorgang" – sofern er dann seine Spitzenposition im Verband abgebe.
Grünen-Landeschefin Gisela Sengl sieht das anders: "Die Nominierung von Günther Felßner als Bundeslandwirtschaftsminister widerspricht komplett der Satzung des Bayerischen Bauernverbands", sagt sie und verweist auf das Neutralitätsgebot. Wenn sich ein Bauernpräsident als CSU-Minister nominieren lasse, sei das "alles andere als politisch neutral".
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