Gut drei Monate vor der Bundestagswahl trifft CSU-Chef Söder erste Personalentscheidungen für eine mögliche unionsgeführte Regierung: Dem neuen Bundeskabinett soll demnach für die Christsozialen neben dem Berliner CSU-Landesgruppenvorsitzenden Alexander Dobrindt auch der Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV), Günther Felßner, angehören. Söder sagte nach Beratungen des CSU-Vorstands, Dobrindt sei die "Nummer eins" der CSU in Berlin und "Anwärter für ein ganz großes und schweres Ministerium". Der Vorstand habe Dobrindt zum CSU-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl nominiert.
Ebenfalls zu den ersten fünf Kandidaten auf der CSU-Liste soll laut Söder Felßner zählen. Der BBV-Präsident sei für die CSU zudem "gesetzt" als Landwirtschaftsminister. Für die CSU und für Bayern habe die Landwirtschaft große Bedeutung. Dabei gehe es nicht nur um eine Berufsgruppe, sondern den gesamten ländlichen Raum. Den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz hat Söder nach eigenen Angaben "natürlich darüber informiert" – über ihr Personal entscheide die CSU aber selbst. "Für uns ist das eine ganz wichtige Personalie." Der CSU-Chef hatte bereits auf dem Parteitag Mitte Oktober das Landwirtschaftsministerium in einer neuen Bundesregierung für die Christsozialen beansprucht.
Söder: "Starkes Signal"
Felßner steht seit Oktober 2022 an der Spitze des Bayerischen Bauernverbands, im vergangenen Jahr wurde er zudem zum Vizepräsidenten des Deutschen Bauernverbands gewählt. Der 58-Jährige stammt aus Lauf an der Pegnitz in Mittelfranken und bewirtschaftet nach BBV-Angaben einen Milchviehbetrieb "mit 50 Prozent Grünlandanteil, Futterbau und 20 Hektar Wald". Seit Jahren engagiert er sich in der Kommunalpolitik, mittlerweile gehört er auch Söders CSU-Vorstand an.
"Er ist ein Praktiker, er kommt von der Basis", sagte Söder. Im vergangenen Winter habe Felßner dazu beigetragen, dass die Bauernproteste im Freistaat friedlich verlaufen seien. Er sei dabei nicht nur das Gesicht der Landwirtschaft gewesen, sondern auch der "breiten Gesellschaft". Schließlich hätten sich an den Demonstrationen auch Handwerk, Gastronomie und Spediteure beteiligt. Der CSU-Chef sieht die Personalie als "starkes Signal" für den Mittelstand und für den gesamten ländlichen Raum, aber auch gegen "radikale Tendenzen".
Felßner will mögliche Protestwähler erreichen
Felßner betonte, unter seiner Führung verstehe sich der BBV "nicht als Lobbyorganisation", sondern als "Denkfabrik für die Lösungen der ganzen Gesellschaft, weil wir am Schluss alle von den Lebensgrundlagen abhängen, die wir in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft, aber auch im Umwelt- und Ressourcenschutz schaffen".
Bei den Bauernprotesten seien breite Teile der Gesellschaft mit den Landwirten marschiert. "Und dass jetzt der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands als eines der Gesichter dieser Proteste hier für den Bundestag kandidiert, ist auch ein Zeichen an alle, die ein Stück weit Unzufriedenheit in dem Land verspürt haben – und vor allen Dingen auch an alle, die glauben, vielleicht Protestwählen zu müssen."
Seine Ämter im Bauernverband will Felßner vorerst behalten. Die Frage eines Rückzugs stelle sich vor der Wahl nicht, sagte er.
SPD: Söder verteilt "Fell des Bären"
Die bayerische SPD-Generalsekretärin Ruth Müller zeigte sich auf BR-Anfrage erstaunt, dass Söder "unter seinen Freunden in Bayern schon die ersten Pöstchen verteilt". Sie frage sich, ob es dem Unionskanzlerkandidaten Merz nicht lieber wäre, dass der CSU-Chef Wahlkampf "für ihn macht, anstatt dass er das Fell des Bären verteilt", bevor die Wahl überhaupt stattgefunden habe. Die Menschen hätten nun die Chance darüber nachzudenken, ob "der Cheflobbyist des Bayerischen Bauernverbands" das Landwirtschaftsministerium führen solle.
Grüne: "Übler Beigeschmack"
Die CSU müsse erst in die Bundesregierung kommen, gab Grünen-Landeschefin Gisela Sengl zu bedenken. Man solle nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. "Ich finde es vermessen, weil die Wahl ist am 23. Februar."
Unabhängig davon hat die CSU-Personalie für Sengl einen "ganz üblen Beigeschmack". Als Bauernpräsident solle Felßner sich dem Wohl der Bäuerinnen und Bauern verpflichtet fühlen und nicht dem Wohl einer Partei. "Es ist einfach unmöglich, wenn Verbände sich einer Partei nur zuordnen. Verbände müssten eigentlich politisch neutral sein."
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger wollte sich zur CSU-Personalie nicht äußern: "Ich kommentiere deren Kandidatenliste nicht."
Video: Felßner zu seiner Kandidatur
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