ARCHIV (21.06.2023): KUCHENRIED, FFB/ Fürstenfeldbruck : Landwirtschaft, die unter Trockenheit leidet - Dürre auf den Feldern, trockener Ackerboden
Bildrechte: picture alliance / SZ Photo | Johannes Simon

Der Klimawandel macht sich auch in den Städten bemerkbar.

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Bayerns Städte werden immer heißer

Der Klimawandel macht sich auch in den Städten bemerkbar. Forscher erwarten, dass sich hier die Zahl der Tage über 25 Grad zukünftig verdoppeln könnte. Stadtplaner in Bayern machen sich daher Gedanken, wie man das Klima in Städten verbessern könnte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Es ist Markttag am Münchner Rotkreuzplatz und viel los. Die Temperaturen in der Stadt sind nahe 30 Grad, einige Menschen klagen: "Es ist mühsam für mein Alter und für meinen Kreislauf", "Ich muss ins Grüne!", "Ich fahre zu Freunden an den See!" In München wie auch in anderen bayerischen Städten wird die Hitze im Sommer zum Problem. Nach Angaben des europäischen Klimadienstes Copernicus war der Juni 2024 global der wärmste Juni seit Beginn der Datenaufzeichnungen.

Städte sind Hitzeinseln

Und von der Hitze sind in Bayern die Städte mit am meisten betroffen. An heißen Tagen steigt hier das Thermometer in mancherorts um bis zu 12 Grad höher als im Umland, stellt Dagmar Mühlbacher vom Deutschen Wetterdienst (DWD) (externer Link) fest.

Darum bezeichnet sie urbane Räume als Hitzeinseln. Auch nachts bleiben die Temperaturunterschiede zum Umland oft erhalten oder steigen sogar, da Städte die Hitze stärker speichern als naturnahe Räume. Das Phänomen könne jeder leicht selbst feststellen: "Wenn man sich abends, nach einem sonnigen und heißen Tag, mit einem Fuß auf eine Betonfläche und mit einem anderen auf eine Rasenfläche stellt, dann merkt man, dass die Rasenfläche deutlich kühler ist als die Betonfläche, die die Wärme erst nach und nach, während der Nacht abgibt", so Mühlbacher.

Beton, Verkehr, Trockenheit

Es ist aber nicht nur der Beton, der die Hitze speichert und die Stadt aufheizt. Dazu kommen noch die vielen künstlichen Wärmequellen, wie etwa Autos, aber auch fehlendes Grün, wie Wiesen, Bäume und Stauden. Beispiel Augsburg: Die Hofackerstraße dort ist heute geprägt von einem großen Betonbau aus den 70er Jahren, breiter Fahrbahn und vielen parkenden Autos.

Andreas Hofmann vom Stadtplanungsamt Augsburg findet, dass daran unbedingt etwas geändert werden muss: "Der Stadtteil hier ist hoch versiegelt. Das bedeutet wenig offener Boden, wie Wiese oder Beete. Das kann sich hier sehr aufheizen. Es bildet sich ein so richtiger Klimahotspots, also eine urbane Wärmeinsel. Solche Orte können so unangenehm werden, dass es fast unmöglich ist, hier draußen zu sein."

Städte müssen gekühlt werden

Zurück am Münchner Rotkreuzplatz: Hier ist es auch heiß, aber dank 34 großer Bäume etwas schattiger und kühler als die nahegelegene Hauptverkehrsader "Mittlerer Ring". Die Stadtplaner hätten am Rotkreuzplatz einiges richtig gemacht, sagt Thomas Rötzer von der Technischen Universität München: Der Forscher vom Lehrstuhl für Waldwachstum beschäftigt sich mit der kühlenden Wirkung von Bäumen.

Bäume zur Kühlung einzusetzen, ist keine neue Erfindung. In Biergärten sei das schon seit Jahrhunderten üblich, erklärt der Forscher: "Ja, die Leute früher haben natürlich schon gewusst, dass wenn ich dichtes Laubwerk habe und große Bäume, dann bringt das sehr viel an Kühlung. Man hat natürlich nicht gewusst, wie groß genau sich diese Kühlung beziffern lässt." Vor allem wussten die alten Bierbrauer nicht, dass ein großer Teil der Kühlwirkung nicht auf der Abschattung beruht, sondern auf Verdunstungskühle. 60-80 m³ Wasser verdunstet ein einzelner großer Baum pro Jahr.

Gesunde Bäume verdunsten mehr

Viele Stadtbäume, wie die am Rotkreuzplatz, hätten allerdings ein Problem, wie Thomas Rötzer nachweisen konnte: "Die Bäume sind im Stress. Bei bis zu 80 Prozent Bodenversiegelung im Wurzelbereich, da fehlt ihnen Wasser. Trockene Bäume bilden weniger Blätter, wachsen schlechter und vor allem verdunsten sie weniger Wasser!"

"80 Prozent Versiegelung" bedeutet, dass 80 Prozent der Fläche unter dem Baum geteert oder gepflastert sind und dass dort kein Wasser eindringen kann. Folglich trocknet der Boden aus und die Bäume leiden unter Trockenstress. Die effektivste Lösung wäre, so der Baumforscher, die Bodenversiegelung zu reduzieren. Wären nur 40 Prozent des Bodens unter dem Baum versiegelt, dann würde sich die Kühlleistung am Standort Rotkreuzplatz verdoppeln, auf etwa 6 Grad. Während es also in den umliegenden Straßen 30 Grad heiß ist, wäre die Temperatur auf dem Rotkreuzplatz bei 24 Grad. Allein durch Verdunstung der Bäume.

Nicht alle Bürger tragen das mit

In ganz Bayern setzen die Stadtplaner daher auf Entsiegelung, auch Andreas Hofmann in der Augsburger Hofackerstraße: Sie soll zur sogenannten Klimastraße werden - mit viel Grün, wenig Bodenversiegelung und bis zu 80 großen Bäumen. Allerdings stößt er hier auf ganz neue Probleme: "Natürlich gibt es immer auch kritische Stimmen, immer wieder Konflikte mit Stellplätzen und Nutzungskonflikte. Aber durch unsere langfristige Planung, die wir erstellen, möchten wir die Konflikte lösen, gemeinsam mit den Bürgern und Geschäftsleuten hier vor Ort."

Der Bau der klimagerechten Stadt wird für die Kommunalpolitik eine große Herausforderung werden, fürchten Stadtplaner, wie Andreas Hofmann: Es müssen viele Kompromisse gefunden werden, denn die Wünsche der Bürger sind vielfältig und nicht immer vereinbar: mehr Wohnraum, mehr Grünflächen, mehr Stellplätze, mehr Radwege, flüssiger Verkehr - und das alles bei begrenztem Stadtraum.

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