Susanne Kling steigt mit Gummistiefeln in den kaum einen Meter breiten Brunnenbach bei Finningen. Sie ist vom Landschaftspflegeverband und auf der Suche nach der extrem selten gewordenen Bachmuschel. Doch der Brunnenbach ist hier kein Bach mehr, denn das Wasser fließt nicht mehr. Es steht. Das ist schlecht für die Bachmuschel. Sie braucht eigentlich klares, fließendes Wasser. Das heiße und sonnige Wetter der letzten Wochen hat dazu geführt, dass der Brunnenbach kurz davor ist, trockenzufallen. Das würde für die Bachmuscheln hier Lebensgefahr bedeuten.
Letzte Chance: Bachmuscheln graben sich tief im Schlamm ein
Der Brunnenbach im Landkreis Dillingen ist noch einer der wenigen Bäche in Nordschwaben und ganz Bayern, in denen es die Bachmuschel überhaupt noch gibt. Doch heute findet Susanne Kling keine einzige Bachmuschel. "Es könnte sein, dass die jetzt schon versuchen, sich einzugraben, deshalb sind sie jetzt relativ schlecht zu finden", sagt Kling. Je trockener es wird, desto tiefer graben sich die Muscheln im Schlamm ein, in der Hoffnung zu überleben.
Wenn der Bach nur noch ein stehendes Gewässer ist, heißt das für den Landschaftspflegeverband: Alle in Alarmbereitschaft! "Jetzt ist die erste Phase, in der wir gucken müssen: Wie geht's weiter? Müssen wir eingreifen?", sagt Susanne Kling. Letztes Jahr ist am Nebelbach in der Nähe sogar ein Brunnen angelegt worden, um Grundwasser in den Bach zu pumpen und so das Austrocknen zu verhindern. Immer wieder helfen Feuerwehr und Bauern in der Region mit. Wenn es eng wird, bringen sie mit Güllefässern Wasser zu den betroffenen Bächen und sorgen dafür, dass zumindest der Schlamm feucht bleibt und die Bachmuscheln überleben.
Dank Regen: Bachmuschel bis jetzt gut über den Sommer gekommen
Dabei sah es in diesem Sommer bis jetzt ganz gut aus für die Bachmuschel. Denn es hat immer wieder geregnet. Letztes Jahr mussten schon Ende Juni die Helferinnen und Helfer ran, um Bäche feucht zu halten. Heuer ist Ende August immerhin noch Wasser im Brunnenbach – auch wenn es nicht mehr fließt und es noch kritisch werden könnte. So beobachtet es Markus Hörbrand, einer der ehrenamtlichen Bachmuschelbeauftragten in der Region: "Ich war gestern im Wald, da haben wir schon noch ausreichend Feuchtigkeit, aber unten am Bachlauf kommt nichts mehr an!"
Der 57-Jährige erinnert sich an seine Kindheit, in der die Bachmuschel noch nicht vom Aussterben bedroht war: "Da waren Hunderte da und aus Spaß haben wir sie gesammelt und dann in einen Kübel rein und später wieder zurückgesetzt. Der Brunnenbach war unsere Spielwiese und da war die Bachmuschel massig vorhanden!" Umso erstaunter sei er gewesen, als es dann irgendwann hieß, die Bachmuschel drohe auszusterben. Deshalb ist er jetzt als Bachmuschelbeauftragter neu dabei: "Zwei Generationen! Innerhalb dieser Zeit ist die Bachmuschel so gut wie verschwunden! Das bewegt mich jetzt dazu, aktiv was zu tun. Wenn man noch was tun kann, möchte ich dabei sein!"
Regen möglichst lange in der Landschaft halten
Was man tun kann, erklärt Susanne Kling vom Landschaftspflegeverband: Den Regen, der fällt, möglichst lange in der Landschaft halten – zum Beispiel mit Wiesen statt Äckern neben den Bächen. Die halten das Wasser länger – wie ein Schwamm – und geben es erst nach und nach an den Bach ab. Das hilft auch dabei, dass weniger überschüssige Nährstoffe von den Feldern in die Bäche gespült werden. Denn auch das mag die Bachmuschel nicht. Oder: Bäume und Sträucher an die Bäche pflanzen. Der Schatten verlangsamt das Austrocknen. In anderen Regionen sei es die nicht heimische Bisamratte, die die Muscheln frisst und mehr bejagt werden müsse, sagt Susanne Kling. Je nach Standort müsse man schauen, was man konkret tun könne, um der Bachmuschel zu helfen.
Klimawandel setzt Bachmuschel unter Druck
Klar ist, die Trockenheit wird immer öfter zum Problem. "Der Klimawandel ist da", sagt Susanne Kling. Früher sei es alle paar Jahre mal vorgekommen, dass Bäche drohten, trockenzufallen. Mittlerweile sei das jedes Jahr ein Problem. In den Bachmuschelgebieten im Landkreis Dillingen komme erschwerend hinzu, dass die Bäche durch ein Karstgebiet fließen. Der Kalkstein dort ist bekannt dafür, dass er recht wasserdurchlässig ist.
Trotzdem bleibt Susanne Kling optimistisch: "Wir haben jetzt zum Beispiel den Klosterbach – auch hier im Schutzgebiet – da werden die Bestände wieder mehr, da greifen unsere Maßnahmen! Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, wir schaffen es, die Bachmuschel in unseren Bächen zu halten!" Und dann gibt es doch noch eine Bachmuschel zu sehen – zumindest eine gelb-grün im Sonnenlicht glänzende Schale. Die hat Susanne Kling immer als Anschauungsobjekt dabei.
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