In wenigen Tagen dürfte Schweden die letzte Hürde auf dem Weg in die Nato nehmen. Das ungarische Parlament muss den Beitritt noch ratifizieren, als letztes Nato-Mitgliedsland. Aus Sicht von Markus Söder (CSU) der richtige Zeitpunkt, um sich nach der schwedischen Verteidigungspolitik zu erkundigen.
Bayerns Ministerpräsident steht am Rand des Stockholmer Innenstadt-Hafens, im Rücken Eisschollen und das Königsschloss. Für knapp drei Tage ist er im skandinavischen Königreich. Verteidigung und Sicherheit sind ein Schwerpunkt seines Besuchs. Deutschland und Schweden - "Brothers in Arms", sagt Söder. Ihn interessiere besonders die Wehrpflicht des Landes. Der CSU-Chef plädiert seit längerem dafür, die Wehrpflicht in Deutschland wieder einzuführen. Aber wie? "Die Schweden haben ein sehr intelligentes Modell, das will ich mir anschauen." Was er sieht, wird ihn indes eher ernüchtern.
Schweden: "Geschlechtsneutrale" Wehrpflicht
Gelegenheit zur Meinungsbildung hat Söder beim Gespräch mit Verteidigungsminister Pal Jonson. Auch der Zivilschutzminister ist dabei. Bei der anschließenden Pressekonferenz sagt Jonson stolz, Schwedens Streitkräfte stünden im europäischen Vergleich personell gut da. Das liege auch an der Wehrpflicht. Sie zeichne sich vor allem dadurch aus, dass sie "geschlechtsneutral" sei, also Männer wie Frauen betrifft.
Generell müssen alle Schweden im Alter zwischen 16 und 70 Jahren ihren Beitrag zur Gesamtverteidigung leisten. Die Wehrpflicht ist eine Säule davon. Im Jahr 2010 hatte das Land sie ausgesetzt. Seit 2018 gilt die Wehrpflicht nun wieder, als Reaktion auf die russische Annexion der Krim im Jahr 2014.
Angebot oder Pflicht?
Aber je genauer man sich das schwedische Modell anschaut, desto eher wirkt es wie ein Angebot als eine Pflicht.
Zunächst erhalten Männer wie Frauen ab dem 18. Geburtstag einen Musterungsbescheid. Er enthält einen webbasierten Fragebogen. Darin erkundigt sich die Musterungsbehörde unter anderem nach Vorstrafen und der Motivation, dem Land als Soldatin oder Soldat zu dienen. Nur knapp jeder dritte Schwede wird anschließend tatsächlich gemustert. Dieser Test erstreckt sich über zwei Tage, erfasst die psychische, geistige und körperliche Fitness. Am Ende landen laut Verteidigungsminister Jonson fünf bis zehn Prozent eines Jahrgangs für zwölf Monate als Rekruten beim Militär.
Söder: Reicht nicht aus
Söder ist davon, offenbar wider Erwarten, nicht überzeugt. Die schwedische Wehrpflicht sei "spannend", reiche aber nicht, um "genügend Menschen zu begeistern, freiwillig zur Bundeswehr zu gehen". Wenn Deutschland auf die russische Bedrohung angemessen antworten wolle, komme es "um eine echte Wehrpflicht nicht herum". Richtig sei die Rückkehr zur alten, 2011 ausgesetzten Wehrpflicht. In "fünf bis sieben Jahren" soll das erledigt sein, Söder zufolge.
Auch in anderen verteidigungspolitischen Fragen macht Söder in Schweden Tempo: "Wir müssen sofort einen Plan machen, um die Bundeswehr zu stärken!" Die Ausgaben sollten nicht nur auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukt steigen, sondern auf drei, wiederholt der CSU-Chef seine Forderung vom Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz. "Bei Franz Josef Strauß waren es vier Prozent!" Außerdem müsse das Beschaffungswesen für Waffen modernisiert werden.
Zum Auftakt seines Besuchs am Mittwochabend war der CSU-Chef vom schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson in dessen Amtssitz empfangen worden. Die beiden vereinbarten eine gemeinsame Regierungskommission zu bilden. Ziel sei ein regelmäßiger Austausch, etwa einmal jährlich, zu konkreten Themen wie Technologie, Wirtschaft oder Energie.
Im Video: Markus Söder äußert sich in Schweden zum Wachstumschancengesetz
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