Bayern will bis 2040 klimaneutral sein. Das stellt insbesondere die Kommunen vor große Herausforderungen. Maßnahmen, die sich recht schnell umsetzen lassen, sind zum Beispiel möglichst viel Energie und damit auch eigene Emissionen einzusparen. So hat die Stadt Bayreuth bereits 2.400 Lampen der Straßenbeleuchtung auf LED umgerüstet. Das spart nicht nur massiv Energie, sondern auch Kosten. Bereits in zwei bis drei Jahren sollen sich die Investitionen amortisiert haben.
Klimaziele nur mit CO2-Kompensation zu erreichen
Trotzdem wurde auch in Bayreuth klar: Ausschließlich mit solchen Maßnahmen lassen sich die ehrgeizigen Klimaziele nicht erreichen. Darum hat die Stadt für 15.000 Euro CO2-Kompensationszertifikate gekauft. Mit dem Geld werden CO2-Einsparungen im globalen Süden finanziert. Das eingesparte Kohlenstoffdioxid kann die Stadt dann in ihre Klimabilanz einrechnen. Oberbürgermeister Thomas Ebersberger spricht selbst von der Möglichkeit, "uns in Anführungszeichen ein bisschen freizukaufen". Bayreuth finanziert konkret effizientere Holzöfen in Indien, die vor Ort beim Heizen CO2 einsparen.
Mit dem gleichen Geld mehr CO2 einsparen
Bekannter sind Projekte zur Aufforstung oder zum Schutz vor Entwaldung. Es gibt – ganz praktisch – erst einmal ein sehr gutes Argument für so einen Handel: Denn oft lässt sich mit der gleichen Summe Geld in anderen Ländern sehr schnell sehr viel mehr CO2 einsparen als mit oft teuren Maßnahmen vor Ort in Bayern.
Das gilt aber nur, wenn solche Klimaschutzprojekte halten, was sie versprechen. Doch das ist häufig nicht der Fall.
Kompensationen halten oft nicht, was sie versprechen
Gerade erst wurde dazu eine umfassende Studie publiziert und im Rahmen der Klimakonferenz in Aserbaidschan präsentiert. Demnach wird nur bei einem Sechstel der weltweit gehandelten Zertifikate auch wirklich die Menge an CO2 eingespart, die die Maßnahme verspricht, erklärt Mitautor Lambert Schneider vom Ökoinstitut in Berlin: "Manche Projekte werden sowieso umgesetzt, manchmal werden die Minderungen überschätzt oder manche Minderungen sind nicht dauerhaft, wenn zum Beispiel ein Wald abbrennt." Bisher gab es auch keine weltweit einheitlichen Standards für den Handel mit solchen Kompensationszertifikaten. Doch auf der Weltklimakonferenz COP29 in Baku wurden gerade internationale Grundregeln dafür beschlossen.
Klimaökonom: "Kein sinnvoller Weg"
Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, hält solche Ausgleichsprogramme nicht für einen sinnvollen Weg, um Treibhausgasneutralität zum Beispiel in Kommunen zu erreichen. Er hält es für sinnvoller, dass Kommunen oder Unternehmen, die ihre Klimaziele anders nicht erreichen können, in der Zukunft Negativemissionen erzeugen können - also zum Beispiel durch technische Filteranlagen, die CO2 aus der Atmosphäre entnehmen. Bis dahin ist es technologisch aber noch ein langer Weg.
Bayerisches Klimaschutzgesetz sieht Kompensation vor
Das Bayerische Klimaschutzgesetz sieht explizit vor, CO2-Emissionen mit Ausgleichsmaßnahmen zu kompensieren. Für Institutionen des Freistaats, wie etwa Finanzämter oder staatliche Schulen, ist das ab 2028 Pflicht für alle Emissionen, die bis dahin nicht auf anderem Wege reduziert wurden. Für die Ministerien der Staatsregierung gilt das bereits seit 2023.
Die Kommunen sollen in Zukunft auch kompensieren. Eine Pflicht gibt es aber nicht. Bayreuth ist eine der ersten Städte, die dafür auch schon Geld ausgibt. Auf eine stichprobenartige Anfrage von BR24 an insgesamt 18 kreisfreie, kreisangehörige und Kreisstädte in allen Regierungsbezirken meldet keine Kommune zurück, dass sie bereits jetzt CO2-Kompensationszertifikate erwirbt.
Vom Bayerischen Städtetag heißt es auf Anfrage, man könne keine konkrete Aussage dazu machen. Für Stefan Graf vom Bayerischen Gemeindetag ist vorrangig, "immer knapper werdende Haushaltsmittel dafür zu nutzen, beim Energieverbrauch der kommunalen Liegenschaften einzusparen und auf erneuerbare Energiequellen umzustellen". Es werde außerdem nicht ausreichend diskutiert, ob nicht vorrangig natürliche Klimaschutzmaßnahmen vor Ort als Kompensation in Betracht kommen sollten.
CO2-Kompensation leistet auch Entwicklungsarbeit
Das Landesamt für Umwelt (LfU) prüft für die staatlichen Institutionen Kompensationsmaßnahmen und berät Kommunen. Nach Vermeidung und Verringerung von Treibhausgasemissionen sei Kompensation nur der drittbeste Weg, Emissionen zu reduzieren. Kompensationszertifikate könnten aber zur Transformation weg von fossilen Energieträgern in ärmeren Ländern des globalen Südens und zur nachhaltigen Entwicklung dort beitragen.
Instrument für Klimaneutralität oder "internationaler Klimaschutzbeitrag"?
Auch Lambert Schneider vom Ökoinstitut plädiert dafür, dass Kommunen angesichts klammer Kassen das Geld möglichst viel in Klimaschutz vor Ort investieren sollten. Erst dann könne Geld in internationale Projekte fließen: "Dabei ist dann aber auch die Frage, ob sie wirklich den Anspruch erheben sollten, dadurch klimaneutral zu sein. Wir würden eher dafür plädieren, dass die Kommunen dann sagen: Wir leisten einen globalen Klimaschutzbeitrag."
Eigentlich so, wie es Bayreuth jetzt macht. Denn klimaneutral ist die Stadt durch die Zertifikate noch nicht. Aber sie hat zum Beispiel die Weihnachtsbeleuchtung auf LED umgerüstet - und allein dabei schon fast 13.000 Euro an Stromkosten eingespart.
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