Nach den Landtagswahlen im Herbst 2018 sagte der damalige CSU-Chef Horst Seehofer einen bemerkenswerten Satz: "Ich bin froh, dass die AfD in Bayern deutlich unter dem Bundesdurchschnitt ist." Das sei ein Hinweis darauf, dass die CSU "zumindest nicht falsch" mit der AfD umgegangen sei. Konkret kam die AfD bei der Landtagswahl in Bayern auf 10,2 Prozent. Die Umfragen hatten weit mehr vorausgesagt. Bei der Bundestagswahl 2017 erreichte die AfD 12,6 Prozent. Was also bedeutet "zumindest nicht falsch"?
CSU-Wahlkampf 2018 mit Rechtsdrall
Im Landtagswahlkampf 2018 musste man schon genau hinhören, um zu erkennen, wer gerade spricht. Ministerpräsident Markus Söder beschwerte sich über "Asyltourismus". Horst Seehofer nannte Migration die "Mutter aller Probleme." Der Sound erinnerte schwer an die AfD. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Seehofer 2016 eine "Herrschaft des Unrechts" bescheinigt. 2018 lautete eine Kapitel-Überschrift im Wahlprogramm der AfD Bayern: "Ende der Herrschaft des Unrechts". Die Rechnung der CSU, die AfD mit einem ähnlichen Sound kleinzuhalten, ihre Begriffe zu kopieren, ging nicht auf: Sie verlor bei der Landtagswahl 160.000 Stimmen an die AfD.
Heute bereut Söder das Kopieren der AfD. Es sei ein Irrglaube gewesen, man könnte Wähler von der AfD zurückholen, sagt er. Und: "Das war eine falsche Strategie. Es war eine Fehleinschätzung, die AfD nicht schon früher hart anzugreifen." Also neuer Anlauf.
CSU-Wahlkampf 2023 gegen Gendern und "Wokeness"
Für den Wahlkampf 2023 hatte die CSU als Hauptgegner die Ampelregierung in Berlin, und davon vor allem die Grünen ausgemacht. Markus Söder schimpfte, die Grünen seien eine "Verbotspartei", sie wollten Fleisch und Wurst in Kitas sowie Werbung für Süßigkeiten verbieten, sie seien eine "Luxuspartei" für gut verdienende Großstädter.
Kurz gefasst drehte sich der Wahlkampf der CSU überwiegend gegen "Wokeness, Cancel Culture und Genderpflicht". Auch diese Rechnung, damit möglicherweise in die AfD abgewanderte Konservative wieder zur CSU zu holen, ging nicht auf. Bei der Landtagswahl 2023 verlor die CSU 80.000 Stimmen an die AfD.
Dabei hat Markus Söder seine große Abneigung gegen die AfD immer wieder klargemacht: "Wir müssen die AfD ernster nehmen, die wollen an die Macht", warnte Söder kurz vor der Landtagswahl. Und: "Die schlimmsten Kreml-Knechte sind die von der AfD." Verglichen mit dem Wahlkampf gegen die Grünen fielen solche Sätze jedoch spärlicher.
Am Wahlabend gab es daher auch Kritik innerhalb der Partei. Die Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber sagte: "Ich glaube, der Hauptgegner hat in seiner Parteifarbe Blau und nicht Grün."
CSU will die "kleinen Leute" zurückholen
Wie also kann die CSU mit ihrer Politik die AfD wieder klein machen? Bei der Europawahl im Juni legte die AfD in Bayern zwar auf 12,6 Prozent zu, Umfragen hatten der Partei jedoch ein viel besseres Ergebnis vorausgesagt. Söder wies erfreut darauf hin, räumte aber zugleich ein, dass man die Gründe ehrlicherweise noch nicht kenne. Bei der Suche danach sollen der CSU heute drei Gäste helfen: der Wahlforscher Simon Schlinkert von infratest dimap, der Politikprofessor Alexander Straßner aus Regensburg und Lorenz Beringer, Gründer der Agentur Lobeco.
Einen Vorgeschmack auf die mögliche Strategie gab Markus Söder vorige Woche bei der Verabschiedung des Landtags in die Sommerpause. Rhetorisch fragte der Ministerpräsident, ob die Politik den Draht zu Selbstständigen, Handwerksmeistern, Landwirten, Pflegekräften oder Busfahrern verloren habe. Vor allem bei den Arbeitern hat die AfD bei der Landtagswahl 2023 ihren Stimmanteil im Vergleich zu 2018 um neun Punkte auf 31 Prozent ausgebaut.
Gut möglich also, dass in der CSU bald wieder der alte Seehofer-Spruch ganz oben steht: "Verachtet mir die kleinen Leute nicht."
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