Eva (Name geändert), eine jungen Wohnungslose in Augsburg an einer Straßenbahnhaltestelle.
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Eva an einer Straßenbahn-Haltestelle

Videobeitrag
>

Evas bitterer Abstieg: So leben junge Wohnungslose in Bayern

Evas bitterer Abstieg: So leben junge Wohnungslose in Bayern

Eva ist süchtig und hofft auf die Couch eines Kumpels. Simon macht die Nächte in Clubs durch, um nicht in der Kälte schlafen zu müssen. Doch als obdachlos gelten sie nicht. Ein BR24 vor Ort über Wohnungslosigkeit – und einen Tag im Leben der beiden.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Am Mittag beginnt Evas (Name geändert) Planung für die Nacht. Sie hat sich Heroin gespritzt und macht sich nun auf den Weg in einen Augsburger Vorort. Dort wohnt ein Kumpel, auf dessen Couch sie auch diese Nacht verbringen will. Sollte er nicht öffnen, würde Eva eine Nacht im Freien drohen. Ohne Ticket setzt sie sich in die Straßenbahn. Nur ihr Spritzbesteck hat sie dabei und einen provisorischen Ausweis.

Nur zehn Minuten entfernt sinkt Simon (Name geändert) in einen Sessel. Er nutzt die Tagesanlaufstelle "F43" für eine dringend notwendige Pause. Die Nächte zuvor hat er durchgetanzt, um nicht nachts im Freien sein zu müssen. Ein Zuhause hat er nicht mehr. Simon wurde arbeitslos, konnte die Miete nicht mehr bezahlen und als Pflegekind hat er keine Familie, die ihn auffangen könnte. Nun versucht er Nacht für Nacht irgendwo unterzukommen.

Zehntausende Menschen sind verdeckt wohnungslos

Eva und Simon sind exemplarisch für zehntausende junge Menschen, die als verdeckt wohnungslos gelten. Das sind Menschen, die zwar keine eigene Wohnung haben, aber nicht auf der Straße schlafen. Stattdessen kommen sie meist bei Freunden oder Bekannten unter. Vorübergehend auch in Notschlafstellen, Zelten oder Hotels.

Wie viele Menschen genau von dieser Form der Wohnungslosigkeit betroffen sind, ist schwer zu sagen. 2022 wurden vom Bundesministerium für Wohnen erstmals Zahlen veröffentlicht. Danach sind bundesweit rund 49.300 Personen verdeckt wohnungslos. In dieser Zahl nicht enthalten: Rund 5.500 Kinder und minderjährige Jugendliche, die gemeinsam mit ihren Eltern als verdeckt wohnungslos gelten. Gesonderte Zahlen für Bayern liefert die Studie nicht.

Im Video: Wohnungslose in Augsburg und wie ihnen geholfen wird

Junge Wohnungslose - Couch gegen Sex?
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Junge Wohnungslose - Couch gegen Sex?

Teurer Wohnraum verschärft das Problem

Experten fürchten, dass das Problem zunimmt. Gründe sind vor allem die Pandemie und der gerade in Großstädten immer knapper – und teurer – werdende Wohnraum. In Augsburg versucht die Stadtverwaltung durch neue Notschlafstellen gegenzusteuern, aber auch durch Wohn- und Beratungskonzepte.

Ein Beispiel ist das "#safehouse". Hier können maximal acht junge Männer und vier junge Frauen unbefristet leben. Auch Sucht wird akzeptiert, solange nicht in den WGs konsumiert wird. Der Nutzen für die jungen Menschen fängt schon bei der Adresse an: Im "#safehouse" haben sie endlich wieder eine Anschrift und können sich so für Jobs oder Qualifizierungsmaßnahmen bewerben. Die Sozialpädagoginnen, die Tag und Nacht mit den jungen Menschen leben, helfen darüber hinaus mit den Ämtern weiter.

Einfach mal duschen und ein warmes Essen

Ein anderes Angebot ist das "F43", eine Einrichtung der St. Gregor Jugendhilfe. In der Tagesstätte können wohnungslose junge Menschen duschen, etwas Warmes essen oder einfach mal reden. Und auch hier versucht das Team, den jungen Menschen im Idealfall einen Ausweg aus ihrer Lage aufzuzeigen.

Zum Beispiel Simon: Der junge Mann, um die zwanzig Jahre alt, tanzt die Nächte durch, um so zumindest im Warmen zu sein. Doch das ist nicht der einzige Grund. Das Tanzen in den Clubs sei das Einzige, das seinem Tagen irgendeine Form von Struktur gibt. Die Parkbank sei keine Option: "Da geht der Ruf kaputt. Dann hat man einen Stempel und dann will niemand mehr mit einem zu tun haben", sagt Simon.

Am nächsten Morgen beginnt die Suche aufs Neue

Ihr Ruf scheint Eva nicht mehr groß zu kümmern. Als sie in der Straßenbahn sitzt, ist ihr deutlich anzumerken, dass sie auf einem Drogentrip ist. Immer wieder fallen ihr die Augen zu, der Kopf sackt hinunter. Dann berichtet sie von der Gewalt auf der Straße, wie ihr Exfreund ihr ins Gesicht geschlagen habe. Sex als Gegenleistung für einen Schlafplatz – das habe sie aber noch nie gemacht.

Dann wird es Abend. Sozialarbeiterin Elisabet Novak vom "F43" konnte für Simon einen Platz in der städtischen Notschlafstelle organisieren. Und Eva kommt tatsächlich auf der Couch ihres Kumpels unter. Wenn die beiden am nächsten Morgen aufwachen, geht die Suche nach einem Schlafplatz aufs Neue los.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!