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Bildrechte: Geflüchtete mit Koffer auf dem Weg zur Erstaufnahme
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Asylbewerber auf dem Weg zur Erstaufnahme

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Viele Geflüchtete, wenig Wohnraum: Das Dilemma der Landkreise

Viele Geflüchtete, wenig Wohnraum: Das Dilemma der Landkreise

Kommunen und Landräte beklagen seit Langem, Geflüchtete nicht angemessen unterbringen zu können. Zuletzt ist die Zahl der Asylanträge gesunken. Vier Landräte aus Bayern berichten nun, wie sich das bei ihnen auswirkt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Dass das Thema Migrationspolitik die größte Herausforderung in seiner Amtszeit wird, habe er nicht vermutet. Das erzählte der Miesbacher Landrat Olaf von Löwis (CSU) in einem Interview mit dem BR - und steht damit nicht allein da. Viele Landrätinnen und Landräte sehen sich seit Jahren mit der Herausforderung konfrontiert: Der Bund teilt ihnen Geflüchtete zu; um sie unterzubringen, brauchen sie aber die Unterstützung der Kommunen. Wie schwierig diese Aufgabe ist und wie die Situation derzeit aussieht, davon erzählen auch die Landräte aus Fürstenfeldbruck, Rosenheim und Miltenberg.

Miesbach: Turnhallen als zu lange Übergangslösung

Man habe vor allem nachdem die Geflüchteten aus der Ukraine gekommen waren, sehr schnell reagieren müssen, so der Miesbacher Landrat. "Uns blieb nichts anderes übrig, als Turnhallen, die dem Landkreis gehören, für die Unterbringung von Geflüchteten herzurichten - in der Hoffnung, dass das nur vorübergehend ist. Das hat sich aber als nicht richtig herausgestellt." Für alternative Unterbringungsmöglichkeiten sei man stark auf die Gemeinden angewiesen, aber, so von Löwis, "da kam leider wenig bis gar nichts und das hat uns vor große Probleme gestellt." Der Unmut in der Bevölkerung sei auch wegen jahrelang nicht nutzbarer Turnhallen sehr groß geworden.

Offener Brief: Landrat bat Innenminister Herrmann um Hilfe

Im Herbst 2024 wandte sich der Miesbacher Landrat schließlich in einem offenen Brief an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). "Ich wollte einfach mal zeigen, wie es bei uns - wie wahrscheinlich in allen Landkreisen - zugeht, und dass wir am Limit sind, was die Unterbringung betrifft."

Derzeit wird in Warngau eine Großunterkunft für bis zu 500 Geflüchteten gebaut. "Das hat uns so viel Kraft und Energie gekostet, dass ich den Innenminister bitten wollte, uns eine kurze Verschnaufpause zu geben", so von Löwis. Ihm sei bewusst gewesen sei, dass das "schwierig, eigentlich sogar unmöglich" sei. Doch Innenminister Herrmann sicherte Unterstützung für den Landkreis zu: Bis zur Fertigstellung der Großunterkunft soll der Landkreis bei den Flüchtlingszuweisungen entlastet werden. "Die Versprechungen sind spürbar", sagt Olaf von Löwis.

Weniger Asylanträge 2024 - Wohnraum bleibt das größte Problem

Im Jahr 2024 meldete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fast ein Drittel weniger Geflüchtete als im Jahr zuvor. Diese Entwicklung spürt man etwa im Landkreis Miltenberg in Unterfranken: Dort ist die Zahl der Asyl-Erstanträge zurückgegangen. "Während wir über ein Jahr hinweg jede Woche 30 bis 45 Menschen aufnehmen mussten, waren es in den vergangenen Wochen zwischen 10 und 20 Personen pro Woche", sagt Miltenberger Landrat Jens Maro Scherf (Bündnis 90/ Die Grünen).

Das ändere jedoch nichts an den Engpässen etwa im Bereich Wohnraum. "Noch immer haben wir das Problem, dass in unseren 140 Flüchtlingsunterkünften jeder dritte Platz von einem Geflüchteten belegt wird, der eigentlich schon ausziehen dürfte. Doch es scheitert daran, dass wir im Landkreis keinen geeigneten Wohnraum mehr haben."

Zu wenig Wohnraum auch in anderen Landkreisen

Von dieser Problematik berichtet auch Thomas Karmasin (CSU), Landrat von Fürstenfeldbruck in Oberbayern. Auch hier fänden anerkannte Flüchtlinge keinen Wohnraum, "obwohl die Unterbringungspflicht des Landratsamts in diesen Fällen nicht mehr besteht, während wir weiterhin wöchentliche Zuweisungen erhalten". Trotz gesunkener Zahlen der Asylanträge sei die Situation im Landkreis Fürstenfeldbruck weiterhin "sehr angespannt".

"Die Unterbringung von Asylbewerbern und Geflüchteten in langfristig angemieteten Unterkünften ist nach wie vor bei uns sehr schwierig", bestätigt auch der Rosenheimer Landrat Otto Lederer (CSU). "Der Wohnungsmarkt ist weiterhin angespannt. Deshalb sind dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten kaum mehr verfügbar." Demnach werden zum Beispiel 284 Geflüchtete derzeit in zwei Turnhallen untergebracht. Der Landkreis Rosenheim könne die Quote der aufzunehmenden Flüchtlinge und Asylbewerber derzeit nicht erfüllen, so Lederer.

Migrationspolitik bleibt große Herausforderung

Im Landkreis Miesbach ist man froh über eine kleine Verschnaufpause. Doch langfristig bleibt auch dort die Unterbringung der Geflüchteten eine Herausforderung. Die geplante Großunterkunft sorgt für heftige Kritik. Landrat Olaf von Löwis bekommt das auch in Hassnachrichten per Brief oder auf Social Media zu spüren. Dieses Klima habe seinen Entschluss, bei der Kommunalwahl 2026 nicht noch einmal als Miesbacher Landrat zu kandidieren, bekräftigt. Die Migrationspolitik bleibe eine "große Herausforderung, die man nicht unterschätzten darf".

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