"Es war eines der schönsten Häuser hier im Ort", sagt Marie Roth. Die ehemalige Villa aus der Gründerzeit mit ihren grünen Fensterläden und der weiß-rosa Fassade war ein Blickfang in der Siedlung. Roth hatte zahllose Arbeitsstunden in das Haus aus Jahr 1908 gesteckt und und über Jahrzehnte hinweg vieles selbst saniert, gestrichen und eigenhändig Fliesen verlegt. Doch in den vergangenen Monaten wurde der Wohntraum zum Alptraum.
Anfang Juni erreicht die Mindel in Offingen einen Pegel, den viele nicht für möglich gehalten hatten. Die Straßen waren überflutet, das Wasser stand an einigen Stellen bis zu einem Meter 50 hoch.
Noch immer laufen Trocknungsgeräte
Vier Treppenstufen muss man nach oben nehmen, um zur Eingangstüre von Marie Roth zu kommen. Trotzdem: Das gesamte Erdgeschoss stand gute sechzig Zentimeter unter Wasser. Innen gleicht das Haus jetzt einem Rohbau. Der Putz musste von den Wänden abgeschlagen werden und füllt nun einen großen Schuttcontainer.
Marie Roth musste auch die defekte Fußbodenheizung ausbauen lassen. Die Fenster sind tagsüber sperrangelweit geöffnet, damit das Haus trocknen kann. Nachts laufen in mehreren Räumen Luftentfeuchter. Doch das Wasser ist nicht das einzige Problem.
Ungewissheit mit dem Ölschaden
An den Wänden sind immer wieder braune Flecken zu sehen. Das Hochwasser hatte Heizöl im Keller und im Erdgeschoss verteilt. "Ich weiß nicht, ob oder wie ich den Ölschaden richtig beheben kann. Leider sagt jede Firma etwas anderes", klagt Marie Roth.
Die 80-Jährige war nicht versichert und befürchtet, dass sich der Schaden auf 170.000 bis 200.000 Euro belaufen könnte, die Ölprobleme noch nicht einmal eingerechnet. Dabei hatte sie viel getan, um ihr Haus vor einem Hochwasser zu schützen. Im Keller ließ sie eine sogenannte "weiße Wanne" aus Beton einbauen, die wasserundurchlässig ist. An die Kellerschächte hatte sie zusätzliche Plexiglasscheiben montiert. Doch es half alles nichts, denn das Wasser kam irgendwann von oben.
Hoffen auf Hilfe
Sie sei eigentlich nicht der Typ, der jammere, betont Marie Roth. Doch mit achtzig Jahren und einer normalen Rente wisse sie nicht, wie sie alles noch bewältigen solle. Eine Wohnung im Haus, die sie bislang vermietet hatte, wurde durch das Hochwasser völlig unbewohnbar. An finanzieller Unterstützung gab es zwar die Soforthilfe, aber die war schnell aufgebraucht. "Weil man Geräte, Gummistiefel, Werkzeug oder auch eine neue Waschmaschine kaufen muss", erzählt Roth.
Sie hofft, dass sie noch Gelder aus einem Härtefonds bekommt, der zahlt, wenn Menschen wirklich in ihrer Existenz bedroht sind. Jeden Tag von Neuem das Chaos zu sehen, sei belastend, sagt Roth. "Ich denke mir die ganze Zeit, wie löse ich das? Ohne Schlafmittel am Abend kann ich meinen Kopf nicht mehr ausschalten und zur Ruhe kommen."
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