Horst Seehofer vor CSU-Hintergrund
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Horst Seehofer genießt das Leben als Rentner

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Vom Politik-Süchtigen zum Rentner: Horst Seehofer wird 75

Politik sei eine Sucht, hat Horst Seehofer einst gesagt, und er sei süchtig. Heute scheint der Ex-CSU-Chef, Ex-Ministerpräsident und Ex-Bundesminister von der Sucht geheilt zu sein. Zu seinem 75. Geburtstag sagt er: Rentner ist ein schöner Job.

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Offenbar will es nicht mal seine Familie glauben. Im Sommer 2021 verabschiedet sich Horst Seehofer nach über 50 Jahren von der Politik in den Ruhestand. Kurz vor der Bundestagswahl 2021 ist dem damals 72-Jährigen klar, dass er für kein weiteres Amt zur Verfügung steht. Seine Tochter Ulrike fragt ihn, ob er nicht wehmütig sei. Er antwortet mit einem Lachen: "Nein!"

Freude am Ruhestand, dem Stammtisch und den Enkeln

Politik mache süchtig, hat Seehofer in seiner aktiven Zeit gesagt. Und er sei ein Süchtiger. Um im Bild zu bleiben, heute scheint das Geburtstagskind trocken zu sein. Politik macht er nicht mehr, Talkshow-Auftritte lehnt Seehofer ab. Er wolle die Zeit mit seiner Familie genießen. Zuhause mäht er den Rasen. Ab und an geht er zum Stammtisch. Einer nennt sich "Sterbestammtisch", erzählt er lachend. Da sei er der Jüngste.

3x Bundesminister, 1x Ministerpräsident, 1x CSU-Chef

Horst Seehofer blickt auf eine beeindruckende Karriere zurück. Der gebürtige Ingolstädter ist einer der wenigen Spitzenpolitiker, die nicht studiert haben. Scherzhaft nennt er sich "Erfahrungsjurist". Seehofer war weitaus länger in der Bundespolitik als in der Landespolitik aktiv. 1980 zieht er in den Bundestag in Bonn ein, Helmut Kohl macht ihn 1992 zum Bundesgesundheitsminister. 2005 wird Horst Seehofer unter Kanzlerin Angela Merkel Bundeslandwirtschaftsminister. Sie holt ihn später noch einmal ins Kabinett, 2018, als Bundesinnenminister.

Vor diesem Amt in Berlin war Seehofer zehn Jahre lang bayerischer Ministerpräsident. 2013 holt er für die CSU die absolute Mehrheit zurück. Elf Jahre war Seehofer CSU-Chef. Beide Ämter übernahm Markus Söder. Es ist - vorsichtig formuliert - ein schwieriges Verhältnis.

Seehofer übergibt Ämter an Söder – unfreiwillig

Als Edmund Stoiber Anfang 2007 bekannt gibt, im Herbst nicht mehr als CSU-Chef zu kandidieren, wirft Seehofer seinen Hut in den Ring. Doch es gibt Gerüchte, Seehofer habe ein uneheliches Kind in Berlin, die sich bald bestätigen. Parteikollegen rufen Seehofer öffentlich zur Klärung seiner familiären Verhältnisse auf.

Wer dahinter steckt, dass Seehofers Privatleben seinerzeit in allen Zeitungen diskutiert wird, ist öffentlich nie klar geworden. Nur ein Verdacht hat sich gehalten, bis heute. Seinem damaligen Minister Markus Söder bescheinigte Seehofer einst "charakterliche Schwächen" und den "Hang zu Schmutzeleien". Die beiden tauschen heute maximal SMS aus, und die ohne persönliche Anrede, wie Seehofer wichtig ist zu betonen.

Machtkampf mit Söder

Nach einem erbitterten Machtkampf kommt Söder schrittweise an sein Ziel. Erst beerbt er im März 2018 Seehofer im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten. Ein knappes Jahr später wird Söder Parteichef der CSU. Später spricht Seehofer von einer "ganz erheblichen Demontage meiner Person". Doch auch er lässt das Sticheln nicht.

Bei einem seiner wenigen öffentlichen Auftritte im Ruhestand macht er gemeinsam mit CSU-Spitzenkandidat Manfred Weber Europawahlkampf, weil von dem "keine Intrige (...) ausgegangen" sei. Vor wenigen Tagen später setzt Seehofer noch einen drauf und spricht sich für Friedrich Merz als gemeinsamen Kanzlerkandidaten von CDU und CSU aus. Als Kritik an Söder wolle er das aber nicht verstanden wissen, schiebt Seehofer in der "Augsburger Allgemeinen" (externer Link) hinterher.

Glückwunschschreiben aus der Staatskanzlei

Eine große Feier richtet ihm nun zum 75. Geburtstag weder die Staatskanzlei noch die CSU-Zentrale aus. Weil Seehofer das nicht wolle, betonen beide Häuser gleichermaßen. Und so werden schriftliche Glückwünsche nach Ingolstadt gesandt.

Ministerpräsident Söder bescheinigt "dem Vollblutpolitiker auf Landes- und Bundesebene große Verdienste" und ein "eindrucksvolles Lebenswerk". Seehofers bürgernahe Politik habe immer "die Menschen in den Mittelpunkt" gerückt, er habe "als Landesvater Zuversicht gegeben".

Seehofer im Dauer-Clinch mit Angela Merkel

Auf Bundesebene war wohl Angela Merkel diejenige, die von Seehofer auf die härtesten Proben gestellt wurde. Es beginnt 2004 mit Seehofers Rücktritt als stellvertretender Unionsfraktionsvorsitzender im Bundestag. Fraktionschefin Merkel will im Falle eines Wahlsiegs die Kopfpauschale bei der Krankenversicherung durchsetzen, Seehofer wehrt sich mit deutlichen Worten. Die Pauschale – also gleiche Beiträge für alle Versicherten – kommt nie.

Mehrmals bringt Seehofer später CDU und CSU an den Rand des Erträglichen. Wegen Merkels Flüchtlingspolitik droht er, die Koalition platzen zu lassen. Als Merkel den CSU-Chef wegen der Flüchtlingslage am Bahnhof Budapest 2015 dringend erreichen will, hat er sein Handy nicht am Mann.

Freude über 69 Abschiebungen zum 69. Geburtstag

Der Begriff vom "Crazy Horst" geht um, auch unter Unionsleuten. Unter anderem wegen solcher Sätze wie vor sechs Jahren: "Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir so nicht bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden." Viele Kolleginnen und Kollegen fanden den Satz geschmacklos. Seehofer selbst hat ihn nicht bereut. Im Gegenteil, er sagt später: Im Nachhinein habe er mit seinen Forderungen in der Migrations- und Asylpolitik doch recht gehabt.

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