Mit der Diktierfunktion auf dem Tablet spricht Sechstklässler Vincent im Gymnasium Hilpoltstein mit seinem persönlichen Lerntutor. "Berechne mir folgenden Bruch: neun fünf Sechstel geteilt durch vier zwei Drittel." Der künstliche Tutor antwortet schriftlich und freundlich – so wie es Mathe-Lehrer Andreas Hemmeter der KI vorher aufgetragen hat. Sie soll erst fragen, was der Schüler schon kann und am Schluss weitere Aufgaben vorschlagen.
Bruchrechnen lernen – KI kann auf individuelles Können eingehen
Lehrer Andreas Hemmeter kann mitlesen, was die KI mit den Schülerinnen und Schülern bespricht. "Die Schüler fragen Sachen, die sie sich im Unterricht nicht zu fragen trauen, weil sie denken, sie würden sich mit dieser dummen Frage blamieren", sagt Hemmeter. Die KI antwortet auf jede Frage, in Sekundenschnelle. "Das geht viel schneller, als wenn man auf den Lehrer warten muss, der gerade jemand anderem etwas erklärt", sagt eine Schülerin. Die in der KI hinterlegten Lernziele stammen aus dem Bayerischen Lehrplan für Mathematik-Unterricht der sechsten Klasse.
Erstmal mehr Arbeit für Lehrer – aber dann weniger
Schulleiterin Sigrid Fehn unterstützt die Experimente ihrer Lehrkräfte. "Die Existenz von KI-Systemen lässt sich nicht mehr wegdiskutieren", sagt sie. Die Schule sei bemüht, Schülerinnen und Schülern den Umgang mit der KI beizubringen. Auch erhofft sie sich langfristig eine Arbeitserleichterung für die Lehrkräfte. "Im Moment macht es noch mehr Arbeit, weil sich alle erstmal reinfuchsen müssen", so Fehn. Aber auf Dauer wird KI bei der Vorbereitung von Unterricht helfen, bei Leistungsnachweisen und bei der individuellen Betreuung der Schüler.
Lehrerfortbildungen zur Künstlichen Intelligenz
Um Lehrerinnen und Lehrer in Fragen der Künstlichen Intelligenz fit zu machen, hat die Akademie für Lehrerfortbildung (ALP) in Dillingen eine eigene Abteilung für KI eingerichtet. Das KI-Kompetenzzentrum KIKO bietet Online-Seminare an und entwickelt Software für den Einsatz an Schulen. An der Universität Erlangen-Nürnberg beschäftigt sich Dominik Herzner damit, wie KI im Sozialkunde- und Politik-Unterricht eingesetzt werden kann. Als abgeordnete Lehrkraft im Gymnasium Hilpoltstein kann er seine Überlegungen direkt in der Praxis umsetzen.
KI-Projekt in der Oberstufe: fiktive Wahlkampagne für einen Landrat
So ließ er Schülerinnen und Schüler der Oberstufe im Politik-Unterrichtmithilfee künstlicher Intelligenz eine fiktive Kampagne für den Wahlkampf eines Landrats erarbeiten. Nach den genauen Anweisungen der Schüler erstellte die KI Bilder eines gutaussehenden, sympathischen Mannes in verschiedenen Lebenssituationen. Auch Selfies mit Prominenten wie Manuel Neuer sind dabei, alle automatisch generiert. "Ich war schockiert, wie echt das wirkt", sagt Schülerin Balkeis Alrahhal. Sie hält die KI auch für gefährlich. "Damit können Menschen gemobbt werden. Da muss man aufpassen."
Lernziel: Kritische Haltung und eigenes Wissen
Dominik Herzner ist es wichtig, "die Schüler in eine Haltung des selbstverständlichen Zweifelns" zu bringen. Man müsse bei Inhalten der KI immer hinterfragen, wer das mit welcher Absicht so habe anfertigen lassen. "Warum erstellt jemand ein Bild von Donald Trump mit Katzenbabies?" Im Unterricht zur KI lernen Schülerinnen und Schüler, detaillierte Prompts zu erstellen. Das sind die Anweisungen, zu denen KI-Systeme Texte ausspucken. Je nachdem, wie gefragt wird, fällt die Antwort aus. "Was die KI schreibt, wirkt sehr überzeugend", sagt Franziska Kellendorfer. "Es ist nicht einfach, Fehler zu finden."
Wissen wieder gefragt – um KI einordnen zu können
Die Google-Suche hat Lexika im Regal überflüssig werden lassen. Dominik Herzner von der Universität Erlangen-Nürnberg rechnet damit, dass im KI-Zeitalter eigenes Wissen wieder wichtiger wird. "Ich glaube, dass wir Wissen in Geschichte, Politik, Geografie, Biologie, brauchen - um die Aussagen einer KI überprüfen und einordnen zu können."
Besser Lernen mit ChatGPT: Schüler testen künstliche Intelligenz
Diese Siebtklässlerinnen testen einen Chatbot. Im Schulfach "iCan" ist KI ein neues Lernmodul in der Walter-Mohr-Realschule Traunreut.
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